Hannchen im Walde

Im grünen Walde, bei Mondenschein

Hannchen im Walde

Im grünen Walde, bei Mondenschein,
Geht Hannchen und sammelt Pilze ein,
Die werden schmecken, ach, so schön!
Wenn sie geschmort auf dem Tische stehn.

Und Hannchen kommt zur Eiche heran:
Was steht denn da wie ein kleiner Mann?
Mit braunen Käppchen und weißem Kleid,
Und einem Gesicht voll Ehrlichkeit?
Das ist des Waldes edler Sohn,
Der Eichpilz, Hannchen kennt ihn schon!

Und tiefer geht sie in den Wald;
Da steht wieder ein Männchen von schöner Gestalt.
Sein Hütchen flammt wie heller Rubin,
Gestickt mit  Perlen weiß und grün,
Mit Troddeln besetzt ist der feine Frack,
kein Stuzer putzt sich mit mehr Geschmack!

Von Weitem schon winkt er an Waldes Rand:
"Komm, komm, ich bin der Schönste im Land!"
Das Mädchen aber steht von fern,
Sie traut nicht dem galanten Herrn:
"Du, bist ein Giftpilz", ruft sie von Weitem,
Dir muß man aus dem Wege schreiten!"

Agnes Franz

Louise Antoinette Eleonore Konstanze Agnes Fransky (1792 – 1843), deutsche Dichterin, Kinder- und Jugendbuchautorin, Schriftstellerin

Frühe Sonne, frühe Sonne

Deine wundersel’gen Augen

Frühe Sonne, frühe Sonne,
Ach, wo bist du hingefunden!
All des Tages Jugendwonne
Ist im Morgenrot etrunken.

Deine wundersel'gen Augen,
Inseln aus des Himmels Seen,
Sah ich steigen, untertauchen
In den Morgens erstem Weh'n.

Und es steigt ein Nebelschleier
Übers tiefe, stille Blau;
Eine einsame tiefe Feier
Breitet sich durch Wald und Au'.

ruhig unbewegte Bäume;
Kein Gesang, kein Blattgeräusch!
Spinnet ihr die nächt'gen Träume
Wieder an, ihr Blumen keusch?

O Bolgna, dein Zinnen,
Die gelacht im Sonnenstrahl,
Seh`ich bösen Schmuck gewinnen:
Schwarze Flaggen überall!


Clemens von Bretano

Clemens Wenzeslaus Bretano (1778 – 1842), deutscher Schriftsteller

Waldlied

Im Walde geh‘ ich wohlgemuth

Waldlied

Im Walde geh' ich wohlgemuth,
Mir graut vor Räubern nicht;
Ein liebend Herz ist all mein Gut,
Das sucht kein Bösewicht.

Was rauscht, was raschelt durch den Busch?
Ein Mörder, der mir droht?
Mein Liebchen kommt gesprungen, husch!
Und herzt mich fast zu todt.

Ludwig Uhland

Ludwig Uhland (1787 – 1862), deutscher Dichter, Literaturwisenschaftler, Jurist, Politiker

The town between the hills

But when the little girl joined her hands

The town between the hills

The further the little girl leaped and ran,
The further she longed to be;
The white, white fields of jonquil flowers
Danced up as high as her knee
And flashed and sparkled before her eyes
Until she could hardly see.
So into the wood went she.

 It was quiet in the wood,
It was solemn and grave;
A sound like a wave
Sighed in the tree-tops
And then sighed no more.
But she was brave,
And the sky showed through
A bird's-egg blue,
And she saw
A tiny path that was running away
Over the hills to—who can say?
She ran, too.
But then the path broke,
Then the path ended
And wouldn't be mended.

 A little old man
Sat on the edge,
Hugging the hedge.
He had a fire
And two eggs in a pan
And a paper poke
Of pepper and salt;
So she came to a halt
To watch and admire:
Cunning and nimble was he!
"May I help, if I can, little old man?"
"Bravo!" he said,
"You may dine with me.
I've two old eggs
From two white hens
and a loaf from a kind ladie:
Some fresh nutmegs,
Some cutlet ends
In pink and white paper frills:
And—I've—got
A little hot-pot
From the town between the hills."

 He nodded his head
And made her a sign
To sit under the spray
Of a trailing vine.

But when the little girl joined her hands
And said the grace she had learned to say,
The little old man gave two dreadful squeals
And she just saw the flash of his smoking heels
As he tumbled, tumbled,
With his two old eggs
From two white hens,
His loaf from a kind ladie,
The fresh nutmegs,
The cutlet-ends
In the pink and white paper frills.
And away rumbled
The little hot-pot,
So much too hot,
From the ton between the hills.

Katheen Mansfield

Kathleen Mansfield Beauchamp (1888 – 1923), neuseeländische Schriftstellerin, Kritikerin, Erzählerin, Autorin von Kurzgeschichten

Elfenlied

Ein kleines Elfchen im Walde schlief

Elfenlied

Bei Nacht im Dorf der Wächter rief:
Elfe!
Ein ganz kleines Elfchen im Walde schlief -
Wohl um die Elfe! -
Und meint, es rief ihm aus dem Thal
Bei seinem Namen die Nachtigall,
Oder Silpelit hätt' ihm gerufen.
Reibt sich der sein Schneckenhaus,
Und ist als wie ein trunken Mann,
Sein Schläflein war nict voll gethan,
Und humpelt also tipp tapp
Durch's Haselholz in's Thal hinab,
Schlupft an der Mauer hin so dicht,
Da sitz der Glühwurm, Licht an Licht.
"Was sind das helle Fensterlein?
Da drin wird eine Hochzeit sein:
Die kleinen sitzen bei'm Mahle,
Und treiben's in dem Saale.
Da guck ich wohl ein wenig 'nein!"
- Pfui, stößt den Kopf an harten Stein!
Elfe, gelt, du hast genug?

Gukuk! Gukuk!

Eduard Mörike

Eduard Friedrich Mörike (1804 – 1875) deutscher Lyriker, Autor von Prosatexten, Pfarrer

aus: ‚Gedichte‘ 1867. Eduard Mörike. Verlag der JG Cotta’schen Buchhandlung. Seite 84 – 85

Im Walde

Wie ist es schön, so immerfort

Im Walde

Wie ist es schön, so immerfort
tief in den Wald hinein zu wandern,
und spricht auch Keins von uns ein Wort,
als dächt es kaum der Näh des andern!

O schweigen wir! mir ist’s genug
an deiner Seite hin zu gehn,
um schwebt bei jedem Athemzug
uns doch tief innerstes Verstehen.

Anna Klie

Anna Klie (1885 -1913), deutsche Kinder- Jugendbuchautorin, Schriftstellerin, Dichterin, Lyrikerin

Engel im Walde

Mit weichem Fuß. er hatte ewig Zeit

Engel im Walde

Ich aber traf ihn nachmittags im Wald.
Ein Wunder, das durch Buchenräume ging,
So menschenfern, so steigend die Gestalt,
Dass blaue Luft im Fittich sich verfing;

Das Antlitz schien ein reines, stilles Leid,
Sehr sanft und silbrig rieselte das Haar,
In großen Falten schritt das weiße Kleid.
Er schaffte nichts, er sagte nichts; er war.

Und nichts an ihm, was schreckte, was verbot,
Und dennoch: keines Sterbens Weg genoss,
Daß meine Lippe, ob auch unbedroht,
Erstaunten Ruf, die Frage stumm verschloss.

Ein Blatt entwehte an sein Gürtelband,
Vergilbt und schon ein wenig kraus gerollt;
Er fing und trug es in der schmalen Hand
Wie ein Geschenk aus Bronze und aus Gold.

Wer sah ihm zu? Das Eichhorn, rot am Ast,
Und Rehe, die das Buschwerk schnell verlor.
Und Erlen wanden schon im Abendglast
Wie schwarze Schlangen züngelnd sich empor.

Er regte kaum die dünne Blätterschicht
Mit weichem Fuß. Er hatte ewig Zeit
Und zog: wohin? In Stadt und Dörfer nicht;
Er wallte außer aller Wirklichkeit.

Nicht unsre Not, nicht unser armes Glück,
Nur keusche Ruhe barg sein Schwingenpaar
Ich folgte nach und stand und blieb zurück.
Er brachte nichts, er sagte nichts: er war.

Gertrud Kolmar

Gertrud Käthe Cohdziesner (1894 -1943? ermordet in Ausschwitz), deutsche Schriftstellerin, Lyrikerin

Das ist alles

Ich weiß von vielen Dingen

Das ist alles

Das Menschlein spricht: Ich weiß von vielen Dingen.
Doch ach! Schon enfalteten ihre Schwingen,
Künste und Wissenschaften
Und tausend Machenschaften!
Der Wind weht -
Das ist alles, was der Mensch vesteht.

Henry David Thoreau

Henry David Thoreau (1817 – 1862), US-amerikanischer Schriftsteller, Philosoph, Pädagoge

Bildnis: Henry David Thoreau (1817 – 1862)

Henry David Thoreau (1817 – 1862)

der Teich

Der Teich

Da liegst Du still vor dem erstaunten Blick!
Kein Gang vermag Dich nach Gebühr zu preisen,
Vertrauter sind mir Gott und Himmel nicht
Als Du, vielteurer See!
Ich bin dein stein'ges Ufer und der Wind,
Der Deine Fluten sanft bewegt.
In meiner hohlen Hand
Halt ich Dein Wasser, Deinen Sand,
Und Deine Tiefe lehrt mich
Nach dem Höchsten streben.

Henry David Thoreau 

Henry David Thoreau (1817 – 1862), US-amerikanischer Schriftsteller, Philosoph, Pädagoge

Henry David Thoreau (1817 – 1862)

Bildnis: Henry David Thoreau (1817 – 1862)

Henry David Thoreau (1817 – 1862)

Gleich wie Blätter im Walde

Blätter verweht zur Erde der Wind

Gleich wie Blätter im Walde

Gleich wie Blätter im Walde, so sind die Geschlechter der Menschen;
Blätter verweht zur Erde der Wind nun, andere treibt dann
Wieder der knospende Wald, wenn neu auflebet der Frühling;
So der Menschen Geschlecht, dies wächst, und jenes verschwindet.

Heinrich Heine

Heinrich Heine (1797 – 1856), deutscher Schriftsteller, Journalist