Der Frühling

Der Winters Hülle deckte

Der Frühling

Des Winters Hülle deckte
nicht mehr die öde Flur;
der Hauch des Lenzes weckte
die schlafende Natur.
Es wurden schon die Schatten,
es duftete der Pfad,
den Flora mit dem Gatten
jüngst, Hand in Hand, betrat.

Blauäugige Amoene,
ertönete mein Lied;
verändert ist die Szene,
der rauhe Winter flieht,
kein Nordwind drohet weiter
der zarten Haut Gefahr,
ein West, wie du so heiter,
spielt um dein blondes Haar.

Des Frühlings erste Blume,
komm, suche sie mit mir!
Zu Venus' Heiligtume
bring' ich sie dann mit dir,
dass sie das Denkmal kränze
des Dichters, dessen Lied
unsterblich, gleich dem Lenze,
dem er es weihte, blüht.

Dann schleichen wir zur Laube
bei meiner Flöte Schall;
dort girrt die Turteltaube,
dort ächzt die Nachtigall.
Dort wollen wir im Kühlen,
des Neides Aug' entrückt,
die Macht des Gottes fühlen,
der alles neu beglückt.

Sie teilte das Verlangen,
das meine Brust empfand;
es glüht' auf ihren Wangen,
es schlug in ihrer Hand.
Doch schnell benetzten Zähren
den unruhvollen Blick;
mit jungfräulichem Wehren
zog sie die Hand zurück.

Du weigerst dich, Amoene?
Ist's Misstrau'n? Ist es Scherz?
O trockne diese Träne,
du kennest Damons Herz!
Auch in verschwieg'nen Lauben
ist's, wie die Quelle, rein
und ohne Falsch, wie Tauben,
und ganz, Amoene, dein!

Friedrich Wilhelm Gotter

Friedrich Wilhelm Gotter (1746-1797)deutscher Schriftsteller, Dichter

Mariannen Schönheit

Weg mit Venus mit Helenen

XIII.
Mariannen Schönheit

Weg mit Venus/ mit Helenen
Und mit Tausend andern Schönen/
Die so groß beruffen seyn/
Und wovon so viel zu lesen.
Was sie alle sind gewesen/
Das ist Mariann/ allein.

2.
Weg Apelles/ weg Thimantes/
Ihr beraubt euch des Verstandes
Uber dieser grossen Zier.
Venus die ist leicht zu mahlen/
Mariannen blitz- und strahlen
Mahlet uns kein Pinsel für.

3.
Weg jhr müsset schleunig wandern/
So jhr nicht mit den Salmandern
Und mit mir zur Flammen taugt.
Flieht vor Mariannen blitzen/
Sie wird den durchaus erhitzen
Den sie nur einmahl beaugt.

4.
Weg/ verbleibt/ ein Mensch kan irren/
Liebe kan den Kopff verwirren.
Weil sie mir so hoch beliebt/
Lieb ich sie vor andern allen/
Sie mag dem wol mißgefallen
Der sein Hertz auff andre giebt.

5.
Und das ist all mein Verlangen
So werd' ich allein umbfangen/
Wann sie niemand liebt als ich.
Aber ach so schöne Gaben/
Sollen die nicht Freyer haben?
Freylich mehr als eben mich.

6.
Sa! So ich nicht mehr erlange/
Wann ich nur so viel empfange/
Das des danckens würdig ist.
Er hat grosse Gnad' empfangen/
Der die Lippen oder Wangen
Einer solchen Göttin küsst.

Georg Greiflinger

Georg Greiflinger (1620 – 1677), deutscher Dichter, Zeitchronist, Zeitungsredakteur. Pseudonym Celadon, Seladon

Meeresleuchten

Uns zum Spiegel, voll Verlangen

Meeresleuchten

Aus des Meeres dunklen Tiefen
Stieg die Venus still empor,
Als die Nachtigallen riefen
In dem Hain, den sie erkor.

Und zum Spiegel, voll Verlangen,
Glätteten die Wogen sich,
Um ihr Bild noch aufzufangen,
Da sie selbst auf ewig wich.

Lächelnd gönnte sie dem feuchten
Element den letzten Blick,
Davon blieb dem Meer sein Leuchten
Bis auf diesen Tag zurück.

Friedrich Hebbel

Christian Friedrich Hebbel (1813 – 1863), deutscher Dichter, Dramatiker, Lyriker