Seit ich ihn gesehen

Sonst ist licht – und farblos

Seit ich ihn gesehen,
glaub’ ich blind zu sein;
wo ich hin nur blicke,
seh’ ich ihn allein;
wie im wachen Träume
schwebt sein Bild mir vor,
taucht aus tiefstem Dunkel
heller nur empor.

Sonst ist licht- und farblos
alles um mich her,
nach der Schwestern Spiele
nicht begehr’ ich mehr,
möchte lieber weinen
still im Kämmerlein;
seit ich ihn gesehen,
glaub’ ich blind zu sein. 


Adelbert von Chamisso (1830)

Louis Charles Adélaïde de Chamissot de Boncourt (1781 – 1838), deutscher Dichter und Naturforscher

An*

sanftes Herz, das mein gedacht

Ach, wie ist´s möglich dann,
Daß ich dich lassen kann!
Hab dich so herzlich lieb,
Das glaube mir!
Du hast das Herze mein
Ganz mir genommen ein,
Daß ich kein andre lieb,
Als dich allein!

Blau blüht ein Blümelein,
Das heißt Vergiß nicht mein,
Das Blümelein leg ans Herz,
Und denk an mich!
Stirbt Blum´ und Hoffnung gleich,
Wir sind an Liebe reich,
Denn die stirbt nicht bei mir,
Das glaube mir!

Wär´ ich ein Vögelein,
Bald wollt´ ich bei dir sein,
Scheut´ Falk´ und Habicht nicht,
Flög´ schnell zu dir.
Schöß mich ein Jäger tot,
Fiel´ ich in deinen Schoß,
Sähst du mich traurig an,
Gern stürb´ ich dann! 

Helmina von Chézy

Wilhelmine Christiane de Chézy (1783 – 1856), deutsche Dichterin, Schriftstellerin, Journalistin, Librettistin

Das menschliche Leben

sind zweifache Träume

Das menschliche Leben

Das menschliche Leben ist ein Traum, der Frauen Leben sind zweifache Träume. Ist nicht das stärker, was doppelt ist? Und verlohnt es sich der Mühe zu wachsen, wenn man so träumen kann, wie Deine gewonnene Seele.

Charlotte von Kalb

Charlotte von Kalb (1761 – 1843) deutsche Schriftstellerin und Dichterin

‚Brief von Charlotte von Kalb an Jean Paul und dessen Gattin‘ Ausgabe 1882, Berlin, Weidmannsche Buchhandlung, Herausgegeben von Paul Nerrlich (1844 – 1904)