Thau und Duft
Des Edlen Regung hafte im Gemüth
Nicht wie der Thau, der auf der Rose sprüht.
Den Thau verzehrt der Sonnengluth Gekose,
Doch deine Tugend sei wie Duft der Rose,
Wie Duft, um den die Blüthe wachsend wirbt
Der in und mit der Rose lebt und stirbt.
Minna Kleeberg
Minna Kleeberg , geborene Cohen, (1841 – 1878), deutsch-amerikanische Dichterin
aus: „Gedichte“ von Minna Kleeberg. Louisville: Henry Knöfel New-York Willmer u. Rogers News Co. 1877. Seite 68
Der Sonne schau' am Morgen, schau' am Abend!
Zur Sonne schau' am Morgen, schau' am Abend!
Die Sonne kennt dich nicht, sie sieht dich nicht.
Und tut dir doch so wohl und will dir wohltun.
Sie wirft mir ungeheuer Kraft hinaus
Ins Blaue! Tut sie Gutes nur ins Blaue?
Sie trifft! Sie wächst in Menschen und in Blumen
Und Blüten bis in tiefsten Meeresgrund,
Und nicht ein Strahl geht irgendwo verloren!
Und mußt du kennen, wem du wohltun sollst?
Den Fremden, Fernen weigerst du die Liebe?
Den spätern Menschen und den spätern Blumen?
Und kennst du wirklich auch den Menschen so,
Der vor dir steht? Und wär' er kein Geheimnis,
Er würd' es dir. Denn bist du ganz erfüllt
Für ihn von Lie' und Güte, glaube nur,
Dann siehst du ihn nicht, wie die Sonne dich nicht,
Vor himmelischwarmer Glut und reinem Licht,
Bedarfst du sein nur freudig: daß er sei!
Die Rose ist für ihren Duft schön herrlich
Belohnet durch ihren Düften; und die Sonne
Für ihr Erleuchten durch das Licht! Der Mensch
Ist für das Lieben durch die Liebe reich
Belohnt, der Mensch ist für das Leben voll
Belohnt durch leben. Lerne das am Himmel!
Und lerne das auf Erden, selbst vom tun!
Darum unterscheide keinen, der da lebt!
Nicht den, der deinen Feind sich nennt, noch Freund;
Drum unterscheide nichts, was lebt; die Frucht nicht
Vom Baume, noch den Hirten von der Herde,
Das Lamm vom Grafe nicht, das Gras vom Tau,
Den Tau von seinem Glanz und Schein. Steh' mitten
Im All der Liebe! lebe, liebe nur!
Der Sonne schau' am Morgen, schau' am Abend!
Christian Friedrich Hebbel
Christian Friedrich Hebbel (1813 – 1863), deutscher Dichter, Dramatiker, Lyriker
aus: „Laienbrevier“ von Leopold Schefer. Verlag: Veit und Comp., Berlin, 1837. Juli. XV. Seite 28 – 29
Horsch, was die Rosenhecke flüstert: -Schau
Wie lieblich blüh‘ ich auf im Morgenblau!
Leer meine Borse aus und überschütte
Mit lauterm Gold dem Garten wie mit Tau!
Omar Chayyām