So wie man jeden ganzen Feiertag für einen Sonntag, und (den) folgenden Tag für einen Montag hält.
Georg Christoph Lichtenberg
Georg Christoph Lichtenberg (1742 – 1799), deutscher Schriftsteller, Philosoph, Naturforscher, Physiker, Mathematiker
aus: „Aphorismen“ von Georg Christoph Lichtenberg. Nach den Handschriften Herausgegeben von Albert Leitzmann (1867 – 1950). Drittes Heft: 1775 – 1779. Verlag: B. Behr, Berlin, 1902. Seite 341, Nr. 1205
Mütterchens Traum
Wär ich reich, hätt' ich Geld,
Mir gehörte die ganze Welt!
Müsste jeden Tag vierspännig fahren,
Ein Heer von Dienern um mich scharen,
Thät mir einen Palast erbauen
Und nichts thun, als zum Fenster hinausschauen;
Ein goldnes Bett müsst ich besitzen
Und lauter Röcke von echten Spitzen
Und lauter Teller von Edelsteinen
Und einen Koch, einen recht feinen, -
Mir gehörte die ganze Welt,
Wär ich Reich, hätt ich Geld.
Seh ich die harten Thaler fliegen,
Die in den Kammern der Reichen liegen
Und wir haben kaum ein Stück Brot zu beissen,
Will mir schier das Herz zerreissen.
Seh ich die Leute auf allen Gassen
Mit frohen Gesichtern und vollen Kassen,
Seh ich die schön gekleideten Frauen,
Die kaum nach unsereinem schauen,
Seh ich die Läden voll Silber und Gold:
Und an den lieben Gott nimmer denkt,
Der uns kaum einen kurzen Sonntag schenkt.
Hab' einen guten Schatz in der Stadt;
Oft kommt er abends sterbensmatt
Und zählt mir ein paar Groschen hin
Von seinem spärlich Wochengewinn,
Oder ein Bröschlein oder ein Tuch,
Oder kölnisches Wasser für den Geruch,
Da steck ich dann die Nase hinein
Und denke: lieber Gott, reich lass mich sein,
Dass ich auch meinem Schatz was kaufen kann,
Denn er ist so ein gutherziger Mann.
Und sind wir auch nicht kirchlich getraut,
Bin ich ihm doch eine treue Braut.
Wär ich reich, hätt' ich Geld,
Mir gehörte die ganze Welt!
Linchen kriegte ein neues Kleid,
Das rote wird ihr zu kurz mit der Zeit,
Lieschen braucht ein Jacket schon lange,
Das Mädel wächst wie eine Bohnenstange,
Der Vater bekäm ein Pfeifenrohr
Und ein gemaltes Schild überm Thor:
Christian Kurz, Damenschuhfabrik,
Das klingt so vornehm, nach Reichtum und Glück,
O, wär ich reich, hätt' ich Geld,
Mir gehörte die ganze Welt.
Jakob Wassermann
Jakob Wassermann (1873 – 1934), deutscher Schriftsteller
aus:Simplicissimus 1897 , 2. Jahrgang, Heft Nr. 24, Seite 192
Bei den Menschen ist das Mitleid ein Sonntagsgefühl: Es ist wie die schönen Kleider, die man nicht jeden Tag anzieht.
Charles Ferdinand Ramus
Charles Ferdinand Ramus, 1878 – 1947, Schweizer Schriftsteller, Lyriker, Dichter, Künstler
aus: „Le règne de l’esprit malin“ (Die Herrschaft des Bösen), 1917
„The reign of the evil one“. Verfasser: C. V. Ramusz. Übersetzung von französisch ins englische von James Whitall (1855 – 1931). Verlag: Harcourt, Brace and Company, New York, 1922