Die Schönheit der Morgenröte

er Sonne, des Monds

Dass eine, so die Taube ist, und die Schönheit der Morgenröte, der Sonne, des Monds, und die Schrecklichkeit der Heerspitzen hat, ist hier unter andern ein ganz außerordentlich reizendes Kunststücke, wiewohl die Sänfte Salomonis, die Krone, womit ihn seine Mutter gekrönet, der Freund, die sechzig Königinnen, die achtzig Kebsweiber, die Menge Jungfrauen, die Sulmanth, und der Reigen Mahanaim, Dinge sind, die das dufferste Erstaunen und Vergnügen verursachen.


Marie Sophie von Hopffgarten

Marie Sophie von Hopffgarten, geborene Marie Sophia von Dachröden /1713 – 1789), deutsche Dichterin, Poetin, Rittergutsbesitzerin

Lieder

Mit wunderholdem süßen Klang

Lieder

Mit wunderholdem süßen Klang
Sagst du zu mir: "O meine Dichterliebe!"
Es ist dies Wort mir wie Gesang,
Wie frischer Ost verscheucht es meine Trübe.

Ich lechzte lang in meiner Nacht
Nach solcher Liebe, die ein Gott nur spendet,
Und gleich erhab'ner Göttermacht
Hast du den Fluch in Segen mir gewendet.

Ich liebe und ich bin geliebt -
Lenz, Leben, Lust sie kehren jubelnd wieder,
All jener Nebeldunst zerstiebt,
Und goldnen Strahls blickt Gottes Sonne nieder.

Mathilde Kaufmann

Mathilde Kaufmann, geborene Binder (1835 – 1907), deutsche Schriftstellerin, Dichterin. Pseudonym: Amra George-Kaufmann

Frühlingsgedanken I.

Fort trieb mich’s an den Busen der Natur

Frühlingsgedanken

I.
 Fort trieb mich's an den Busen der Natur
Aus meiner Zelle, d'rin ich lang verschlossen,
Und staunend sah mein Auge Wald und Flur
Von Sonnenstrahlen goldig übergossen.

Es sprach das Licht: O sag! was trauerst du?
Kann meine Macht dein Dunkel nicht versüßen?
Und liebvoll säuselte die Luft mir zu:
Ich will die Thräne dir vom Auge küssen!

Der rasche Strom sang mir ein brausend Lied:
Des Lebens Hast magst du in meiner sehen!
Und als die Sonne fern von hinnen schied,
Sprach tröstend sie von Sterben und Vergehen!  -

Betty  Paoli

Barbara Elisabeth Babette Glück (1814-1894), österreichische Dichterin, Übersetzerin, Journalistin, Schriftstellerin, Publizistin, Sprachlehrerin, Erzieherin,Novellistin. Pseudonyme: Barbara Grund, Betti Paoli, Branitz.

In stiller Sommerluft

Das grüne Gold der Blätter, das die Sonne malt

In stiller Sommerluft

    	Das grüne Gold der Blätter, das die Sonne malt –
ich seh es noch, wies dir vom weißen Kleide blitzt,
und fühle deine Hände noch auf meinem Haar . . .
Die wilden Blumen dufteten rings so stark und süß.

Was sprachst du doch? – Ich höre deine Stimme nicht,
vergebens sinn ich ihrem fernen Klange nach.
Ich bin allein – in meine offnen Hände fällt
das grüne Gold der Blätter, das die Sonne malt.

Otto Erich Hartleben

Otto Erich Hartleben (1864 – 1905), deutscher Schriftsteller, Dichter, Übersetzer, Dramatiker

Grashupfer und Heimchen

Von Heck zu Hecke rennt die Melodie

Grashupfer und Heimchen

Niemals ist tot der Erde Poesie:
Wenn Vögel müde sind von heißen Sonnen,
Dann nimmt die Führung in den Sommerwonnen
Grashüpfers Stimme, und sie rastet nie.

Von Heck zu Hecke rennt die Melodie
Und hält die frischgemähte Trift umsponnen;
Macht Lust ihn matt, so ruht er süß versonnen
Bei grünstem Halme, der für ihn gedieh.

Nie endet sie, die Poesie der Erde.
Am stillen Winterabend, wenn der grimme
Nachtfrost ein Schweigen breitet, schrillt vom Herde

Des Heimchens Sang dem Träumer in die Ohren,
Als habe sich Grashüpfers Sommerstimme
Aus grüner Trift in seinen Traum verloren.

John Keats

John Keats (1795 – 1821), britischer Dichter

Die Jahreszeiten

Die grünen Erbsen brauch‘ ich schon gar gekocht

 Die Jahreszeiten

Genieße, was die Jahreszeit mit sich bringt:
Radieschen, Erdbeeren, grüne Erbsen und Pflaumen,
Was der Veränd'rung in Sonne und Luft entspringt;
Ist stets das beste für deinen gebildeten Gaumen.

Radieschen knackt man, wenn man noch jung und keusch
Und sich noch die ersten Zähne nicht ausgebissen;
Die prallen Bäckchen zerbersten mit lautem Gekreisch,
Die Zunge schwelgt in unsäglichen Bitternissen.

Erdbeeren aus Wald und Garten, wie duften sie fein,
Die großen voll Saft, die kleinen sind mir noch lieber;
Ich mache sie trunken zuvor mit gezückertem Wein,
Pechvögel nur erkranken am Nesselfieber.

Die grünen Erbsen brauch' ich schon gar gekocht;
Die tolle Jugend allein frißt sie aus den Schoten.
Ich habe sie stets nur gepfeffert zu kosten vermocht,
Und neuerdings auch hat sie der Arzt mir verboten.

Die üppigen Pflaumen des Herbstes genieß' ich fast nur
Als Mittel zum Zweck bei unbehaglicher Stauung
Im Unterleib statt Karlsbader Brunnenkur;
Es gröhlen die Därme im Chor den Gesang der Verdauung. -

Noch manches wäre notwendig hier beigedruckt,
Wie Mammut-Trüffeln, die aus Thessalien stammen;
Doch hab' ich den ganzen Hymnus schon vollgespuckt,
So läuft mir dabei das Wasser im Munde zusammen. 

Frank Wedekind

Benjamin Franklin Wedekind (1864 – 1918), deutscher Dichter, Dramatiker, Schauspieler

O fronte serena

O Sonne,der Wonne

Auff die Italiänische Weise: O fronte serena

O liebliche Wangen,
Ihr macht mir Verlangen,
diß Rote, diß Weiße
zu schauen mit Fleiße.

Und diß nur alleine
ists nicht, das ich meine:
Zu schauen, zu grüßen,
zu rühren, zu küssen,
Ihr macht mir Verlangen,
O liebliche Wangen.

O Sonne der Wonne!
O Wonne der Sonne!
O Augen, sie saugen
das Licht meiner Augen.
O englische Sinnen,
O himmlisch Beginnen,
O Himmel auf Erden
magst du mir nicht werden.
O Wonne der Sonne,
O Sonne der Wonne.

O Schönste der Schönen,
benimm mir diß sehnen.
Komm, eile, komm, komme,
du Süße, du Fromme.
Ach, Schwester, ich sterbe,
Ich sterb', ich verderbe.
Komm, komme, komm, eile,
komm, tröste, komm, heile.
Benimm mir diß sehnen,
O Schönste der Schönen!

Paul Flemming

Paul Flemming (1609 – 1640), deutscher Schriftsteller, Dichter, Arzt

Der Sonne schau‘ am Morgen, schau‘ am Abend!

Belohnt durch leben

Der Sonne schau' am Morgen, schau' am Abend!

Zur Sonne schau' am Morgen, schau' am Abend!
Die Sonne kennt dich nicht, sie sieht dich nicht.
Und tut dir doch so wohl und will dir wohltun.
Sie wirft mir ungeheuer Kraft hinaus
Ins Blaue! Tut sie Gutes nur ins Blaue?
Sie trifft! Sie wächst in Menschen und in Blumen
Und Blüten bis in tiefsten Meeresgrund,
Und nicht ein Strahl geht irgendwo verloren!
Und mußt du kennen, wem du wohltun sollst?
Den Fremden, Fernen weigerst du die Liebe?
Den spätern Menschen und den spätern Blumen?
Und kennst du wirklich auch den Menschen so,
Der vor dir steht? Und wär' er kein Geheimnis,
Er würd' es dir. Denn bist du ganz erfüllt
Für ihn von Lie' und Güte, glaube nur,
Dann siehst du ihn nicht, wie die Sonne dich nicht,
Vor himmelischwarmer Glut und reinem Licht,
Bedarfst du sein nur freudig: daß er sei!
Die Rose ist für ihren Duft schön herrlich
Belohnet durch ihren Düften; und die Sonne
Für ihr Erleuchten durch das Licht! Der Mensch
Ist für das Lieben durch die Liebe reich
Belohnt, der Mensch ist für das Leben voll
Belohnt durch leben. Lerne das am Himmel!
Und lerne das auf Erden, selbst vom tun!
Darum unterscheide keinen, der da lebt!
Nicht den, der deinen Feind sich nennt, noch Freund;
Drum unterscheide nichts, was lebt; die Frucht nicht
Vom Baume, noch den Hirten von der Herde,
Das Lamm vom Grafe nicht, das Gras vom Tau,
Den Tau von seinem Glanz und Schein. Steh' mitten
Im All der Liebe! lebe, liebe nur!

Der Sonne schau' am Morgen, schau' am Abend!

Christian Friedrich Hebbel

Christian Friedrich Hebbel (1813 – 1863), deutscher Dichter, Dramatiker, Lyriker

Frühe Sonne, frühe Sonne

Deine wundersel’gen Augen

Frühe Sonne, frühe Sonne,
Ach, wo bist du hingefunden!
All des Tages Jugendwonne
Ist im Morgenrot etrunken.

Deine wundersel'gen Augen,
Inseln aus des Himmels Seen,
Sah ich steigen, untertauchen
In den Morgens erstem Weh'n.

Und es steigt ein Nebelschleier
Übers tiefe, stille Blau;
Eine einsame tiefe Feier
Breitet sich durch Wald und Au'.

ruhig unbewegte Bäume;
Kein Gesang, kein Blattgeräusch!
Spinnet ihr die nächt'gen Träume
Wieder an, ihr Blumen keusch?

O Bolgna, dein Zinnen,
Die gelacht im Sonnenstrahl,
Seh`ich bösen Schmuck gewinnen:
Schwarze Flaggen überall!


Clemens von Bretano

Clemens Wenzeslaus Bretano (1778 – 1842), deutscher Schriftsteller

Im Herbste

Seid gegrüßt mit Frühlingswonne

Im Hebste

Seid gegrüßt mit Frühlingswonne,
Blauer Himmel, goldne Sonne!
Drüben auch aus Gartenhallen
Hör' ich frohe Saiten schallen.

Ahnest du, o Seele, wieder,
Sanfte, sühe Frühlingslieder?
Sieh umher die falben Bäume!
Ach! es waren holde Träume.

Ludwig Uhland

Ludwig Uhland (1787 – 1862), deutscher Dichter, Literaturwisenschaftler, Jurist, Politiker