Die Raben

Über den schwarzen Winkel hasten

Die Raben

Über den schwarzen Winkel hasten
Am Mittag die Raben mit hartem Schrei.
Ihr Schatten streift an der Hirschkuh vorbei
Und manchmal sieht man sie mürrisch rasten.
O wie sie die braune Stille stören,
In der ein Acker sich verzückt,
Wie ein Weib, das schwere Ahnung berückt,
Und manchmal kann man sie keifen hören
Um ein Aas, das sie irgendwo wittern,
Und plötzlich richten nach Nord sie den Flug
Und schwinden wie ein Leichenzug
In Lüften, die von Wollust zittern

Georg Trakl

Georg Trakl (1887 – 1914), österreichischer Dichter, Schriftsteller.

Maler und Tierfreund

Ich hatte eine Landschaft in Öl gemalt

Maler und Tierfreund

Ich hatte eine Landschaft in Öl gemalt,
Und sie gefiel mir sehr:
Ein blauer Himmel, aus dem die Sonne wie Wonne strahlt,
Und darunter weites, ruhiges, grünes Meer.

„Einsame Sehnsucht.“


Danach fuhr ich irgendwo hin,
Um einen kleinen Affen zu erwerben,
weil ich ein Tierfreund bin.
Aber was einem die Tiere nicht alles verderben.


Wieder zu Haus, stieß ich aus einen Schrei,

Denn mein Bild war verhext.
Erstens hatte mein Papagei
Etwas Groteskes ins Meer gekleckst
Und das geradezu künstlerisch kühn.

Aber das Wasser selber war abgeleckt

Von meinem Wolfshund. Der lag vom Schweinfurter Grün
Vergifet am Boden, verreckt.

In den Himmel hatte sich eine Fliege geklebt,
Und zwar mir dem Rücken.

Die strampelte, wie man, wenn man Großes erlebt,

Mit den Beinen strampelt vor lauter Entzücken.

Und offenbar nicht minder beglückt

In ihrer Nähe
Hing auch mein Laubfrosch ans Bild angedrückt

Und tat so, als ob er die Fliege nicht sähe.

Da wollte mein Affe mit lautem Geschrei – – –
Doch ich band ihn fest. Und lächelte dann.
Wie gut, daß man bei der Ölmalerei
Alles noch übermalen kann.


Mit Phantasie das Gegebne fixiert –

Genie und Farbe und Lichter dick aufgetragen –
Schwarz, Weiß, Rot, Ocker mutig darübergeschmiert – – –
Ein schönes Bild, muß ich selber sagen,
„Mein Selbstporträt.“ 

Joachim Ringelnatz

Hans Bötticher (1883 – 1934), deutscher Dichter, Schriftsteller, Maler. Pinko Meyer, Fritz Dörry und Gustav Hester, Gustav Dörrig, Fritz Bötticher

Am Teich

Ich kenne dich, du schwarzer Teich

Am Teich

Ich kenne dich, du schwarzer Teich,
Genau weiß ich den Tag,
Als eine Todte still und bleich
An deinem Rande lag;
Und als der Pöbel scheu und stumm
Sich langsam nahte dir
Und abergläubig, feig und dumm
Bekreuzte sich vor ihr;
Als eine Hand den schönen Leib
Mit Haken an sich riß -
Der rohe Hauf′ das todte Weib
Ein gottverdammtes hieß. -
Das starre Antlitz hold und bleich,
Schaut′ ich so manche Nacht,
In schwarzen Stunden, schwarzer Teich,
Hab′ oft ich dein gedacht.

Ada Christen

Christiana von Breden, geborene Friederik (1839 – 1901), österreichische Dichterin, Schriftstellerin. Bekannt auch als Ada Carla, Christine von Neupauer, Satanella

Telepathie

Wolken ziehen den Himmel herauf

Telepathie

Schwarze Nacht . . . !
Ich sitze aufrecht,
Bangigkeit wacht!
Ich kann nicht ruhn —
Glück ist verdorben
Wolken ziehen den Himmel herauf:
Angst schlägt die Augen auf,
Wände werden grossmaschig.
Fernen spiegeln
Bilder zurück.
Heissliebster —
„Hans im Glück" am Tag —
Träumt schlafend die Nacht !
Unter Wimpern drängt sich
Heisses Nass hervor:
Er weint — er weint so bitterlich
Im Traum über mich — — — —


Elsa Asenijeff

Elsa Maria Packeny (1867-1941), österreichische Dichterin, Schriftstellerin