Lorbeer Dem allzu ungestümen Liebeswerben Entrang sich Daphne einst. An wildem Herzen Verwandelt' sie sich jäh zum kühlen Lorbeer. Dem allzu ungestümen Liebeswerben Um Ruhm verwandelt jäh die Glückschimäre, Das schöne, gleissend schöne, kalte Weib, Noch heut', noch stündlich sich in spitzen Lorbeer; Den drückt der Liebestolle an die Brust, Den drückt die Welt ihm lächelnd auf das Haupt. Da dringe?! ihm die spitzen, scharfen Blätter In Herz und Hirn. So giebt der Mitwelt er, Der Nachwelt, tropfenweis, sein ganzes Selbst, Sein Herzblut, all' sein Leben, seine Seele. Doch droben, üppig, schattenkühl und blühend, Wölbt sich im Garten des Olymp der Hain Scharf duftend spitzer, glatter Daphneblätter Am Todesbaume allen Menschenglücks, Der ewiggrüne Lorbeer! Hermine von Preuschen
Hermione von Preuschen (1854 – 1918), deutsche Malerin, Dichterin
aus: „Via Passions: Lebenslieder“ von Hermine von Preuschen. Verlag von Carl Reissner, Dresden und Leipzig, 1895. Seite 22