Die Rose

Mein erster Kuss und diese Rose, schön

Die Rose

Wenn meine Doris diese Rose nimmt,
Die in der liebe Feuerfarbe glimmt,
Dann hoff' ich wird sie sich bequemen,
Den ersten Kuss von mir zu nehmen.

Mein erster Kuss und diese Rose, schön,
Wie Doris, mögen dann zusammen gehen,
Wie zwei vertraute gute Seelen,
Und ihrer Liebe mich empfehlen!

J. W. L. Gleim

Johann Wilhelm Ludwig Gleim (1719-1803) deutscher Dichter, Sekretär, Fabeldichter, Schriftsteller, Aufklärer

Die Rosen

Und an der Sonne hingst

Die Rosen

Als du frühmorgens gingst
Und an der Sonne hingst,
Pflücktest du dir,
Die, von ihr angeglüht
Still vor ihr aufgeblüht,
Und nun den Duft versprüht,
Rosen zur Zier.

Hältst sie noch abends fest?
Schmeichelte dir der West
Längst sie nicht ab?
Siehst ja, ihr Leben schwand!
Wo ist der Farbenbrand?
Doch nur in deiner Hand
Sind sie im Grab.

Gib sie den Winden preis,
Daß sie mit ihnen leis
Düngen den Strauch.
Fühlt's nicht sogleich der Zweig,
Fühlt's doch die Wurzel gleich,
Und ist nur diese reich,
Wird er es auch!

Friedrich Hebbel

Christian Friedrich Hebbel (1813 – 1863), deutscher Dichter, Dramatiker, Lyriker

Von den heimlichen Rosen

Oh, wer um alle Rosen wüsste

Von den heimlichen Rosen

Oh, wer um alle Rosen wüsste,
die rings in stillen Gärten stehn -
oh, wer um alle wüsste, müsste
wie im rausch durchs Leben gehn.

Du brichst hinein mir rauen Sinnen,
als wie ein Wind in einen Wald -
und wie ein Duft wehst du von hinnen,
dir selbst verwandelte Gestalt.

Oh, wer um alle Rosen wüsste,
die rings in stillen Gärten stehn -
wie im Rausch durchs Liebleln gehn.

Christian Morgenstern

Christian Morgenstern (1871 – 1914), deutscher Schriftsteller, Dramaturg, Journalist und Übersetzer

Horsch, was die Rosenhecke flüstert

Wie lieblich blüh‘ ich auf im Morgenblau

Horsch, was die Rosenhecke flüstert: -Schau
Wie lieblich blüh‘ ich auf im Morgenblau!
Leer meine Borse aus und überschütte
Mit lauterm Gold dem Garten wie mit Tau!

Omar Chayyām

Omar Chayyām (1048 – 1131), persischer Dichter, Astrologe, Astronom, Mathematiker, Philosoph, Kalenderreformer

Unter Myrtenzweigen

Du blickst dein Verlangen

Unter Myrtenzweigen
Beim Rieseln der Quelle
Und der Nachtigall Lied,
Auf sanftem Rasen
Durchwirkt mit Blumen,
Im duftenden Hain,
Gebogen die Äste
Von goldener Frucht
Und silberner Blüte,
Wo ewig blau der Himmel,
Ewig lau die Lüfte
Dich umwehen –

Das Mädchen im leichten Gewand
Tanzet den bunten Reihen,
Bricht die labende Frucht,
Schöpfet vom Quell.
Am Felsen ein Hüttchen
Mit weniger Habe,
Dort ruht es die Glieder
Auf reinlichem Lager.

Du blickst dein Verlangen
Ihr tief in das Herz,
Sie hat dich verstanden,
Und teilet die Glut.
Nichts wehrt dir die Küsse
Auf Lippen und Wangen;
Lilien und Rosen,
Blüten und Knospen,
 Alles ist dein.

Leicht wie der Westwind,
Scherzend wie er,
Berührst du die Blumen,
Und fliehest vorüber,
Schonend der zarten.
Wer fürchtet da Neid?
Wen lockt der Ruhm?
Zürnet die Mutter?
Das Lächeln kann sie
Doch nicht verbergen;
Denn eigne süße Schuld
Ruft die Tochter
Zurück ihr ins Herz.

Dorothea Schlegel

Dorothea Friederike Schlegel (1764 – 1839), deutsche Schriftstellerin, Literaturkritikerin

Rosenzeit

Ich mag lachen und singen

Rosenzeit.


Nun stehn die Rosen in Blüte,
Da spinnt die Lieb' ihr Netz so fein.
Mein flatterhaft Gemüthe,
Dich fängt sie nimmer ein.

Und blieb' ich träumend hangen
In dieser jungen Rosenwangen,
Meine Jugend thäte mir leid.

Ich mag nur lachen und singen,
Durch blühende Wälder schweift mein Lauf;
Mein Herz will sich erschwingen
Bis in die Wipfel hinauf!

Und blieb’ ich träumend hangen
In dieser jungen Rosenzeit
An schönsten Rosenwangen,
Meine Jugend thäte mir leid.

Paul Heyse

Paul Johann Ludwig Heyse (1830 – 1914) deutscher Schriftsteller, Übersetzer, Dramatiker

Blumengruß

Bringt Blüten mir und junges Maiengrün

Blumengruß

Bringt Veilchen mir, daß ich den Frühling schaue,
So lang des Maies zarte Kinder blühn -
Wie sind sie schöne im jungen Morgenthaue!
Bringt Veilchen mir, daß ich den Frühling schaue,
Bringt Blüten mir und junges Maiengrün!

Bringt Rosen mir, des Lenzes Haupt zu krönen,
Die Sanduhr rinnt, die Blüten sinken hin!
Bald wird des Sommers Scheidegruß ertönen!
Bringt Rosen mir, des Lenzes Haupt zu krönen,
Bringt Blumen mir, so lang die Blumen blühn!

Agnes Franz

Louise Antoinette Eleonore Konstanze Agnes Fransky (1794 – 1843)

Die Falter

Der Lüfte blauen Weg

Der Falter

Schneeweiße Falter fliegen
In Schatten übers Meer:
Ihr schönen weißen Falter.
Wann nehmen meine Reisen
Der Lüfte blauen Weg!

Weißt du, der Schönen Schöne
Mit Augen kohlenschwarz,
Sag, meine Bajadere,
Falls sie mir Flügel liehen.
Wei´ßt du, wohin ich flieg?

Den Kuß der Rosen schmähend
Flög, ich durch Tal und Wald
Zu halbgeschloß'nen Lippen
Dir, meiner Seele Blume.
UNd stürbe daran bald.

Théophile Gaurier

Théophile Gautier (1811 – 1872), französischer Erzähler, Lyriker und Kritiker

Alte Rose

Doch sie wuchs, und wunderbar

Alte Rose

Eine Rosenknospe war
Sie, für die mein Herze glühte;
Doch sie wuchs, und wunderbar
Schoß sie auf in boller Blüte.

War die schönste Ros im Land.
Und ich wollt die Ros brechen.
Doch sie wußte mich pikant
Mit den Dornen fortzustechen.

Jetzt, wo sie verwelkt, zerfetzt
Und verklatscht von Wind und und Regen -
Liebster Heinrich bin ich jetzt.
Liebend kommt sie mir entgegen.

Heinrich hinten, Heinrich vorn.
Klingt es jetzt mit süßen Tönen:
Sticht mich jetzt etwa ein Dorn,
Ist es an dem Kinn der Schönen.

Allzu hart die Borsten sind,
Die  des Kinnes Wärzchen zieren -
Geh' in's Kloster, liebes Kind,
Oder lasse dich rasieren.

Heinrich Heine

Christian Johann Heinrich Heine (Harry Heine), (1797 – 1856), deutscher Dichter und Romancier, ein Hauptvertreter des Jungen Deutschland, Begründer des modernen Feuilletons

Milch

Die großen Wolken fahren droben,
Ein Traumgebirg der Karawanken,
Mit wehend aufgerißnen Flanken,
Mit Gipfeln, wülstig und zerstoben.

Die großen Sphinxe lagern oben
Mit schlagend schwarzen Fluggedanken,
Die zottigen, bekrallten Pranken
Dem Abgrundsrande hingeschoben.

Und drunten weint in dumpfer Stunde
Das Kind, die Erde, zuckt und wittert
Nach ihrer Brüste dunklen Inseln.

Sie spalten auf; ein Tropfen splittert
Und knospt auf seinem durst'gen Munde
Und blättert ab in weißem Rinnsein.

Gertrud Kolmar

Gertrud Käthe Cohdziesner (1894 -1943? ermordet in Ausschwitz), deutsche Schriftstellerin, Lyrikerin

Ihr Vater züchtete Rosen. Daher hat sie viele Gedichte über Rosen geschrieben. Dieses Gedicht ist der Rose ‚Frau Karl Druschki – Schneekönigin Lambert, 1901‘ gewidmet.