Der Rabe Ralf
Der Rabe Ralf
will will hu hu
dem niemand half
still still du du
half sich allein
am Rabenstein
will will still still
hu hu
Die Nebelfrau
will will hu hu
nimmt's nicht genau
still still du du
sie sagt nimm nimm
's ist nicht so schlimm
will will still still
hu hu
Doch als ein Jahr
will will hu hu
vergangen war
still still du du
da lag im Rot
der Rabe tot ,
will will still still
du du
Christian Morgenstern
Christian Morgenstern (1871 – 1914), deutscher Schriftsteller, Dramaturg, Journalist und Übersetzer
aus: „Galgenlieder – nebst der Gingganz. Elfte Auflage. Verlag von Bruno Cassirer, 1913. Seite 12
Der Rabe und die Taube
Ein Rabe, welcher auch als wie ein Rabe stahl,
That einst in einem Kaufmannsladen,
Als ein Ducatendieb, gewaltiggroßen Schaden.
Er war hierin sehr schlau, so daß er allemal
Den Raub so unvermerkt vollbrachte.
Daß eben niemand auf ihn dachte.
Das beste war hier noch dabey,
Er nahm sie alle ungewogen;
Er fragte keinen erst: Ob er auch wichtig sey?
Denn ausser diesem wird der Nehmer oft betrogen.
Manch gelber Ludewig, manch goldner Leopold,
Manch Joseph und manch Carl, manch Kaiser und manch König
Bereicherten sein Nest; doch das war noch zu wenig.
Der Rabe war und blieb ein rechter Narr aufs Gold;
Er wünscht es ganz allein zu haben,
Nicht, daß es ihm etwan zu etwas nütze sey;
Nein! denn er wollt es nur dort auf dem Stall ins Heu,
Wo sein Ducatenkirchhof war,
Bey jene schon verscharrte Schaar,
Aus bloßem Eigensinn, verstecken und vergraben.
O Thorheit, welche sich der Müh wohl nicht verlohnte,
Einst rief er seiner Nachbarinn,
Die nicht gar weit davon im Taubenschlage wohnte;
Komm, sagt er, schau einmal, wie reich ich itzund bin!
Was meinest du darzu? Herr Nachbar! sprach die Taube,
Wie schmecken denn die Dinger hier?
Welch weitentferntes Land bringt diese Frucht herfür?
Ists etwan eine Art von einem gelben Laube,
Das in der neuerfundnen Welt
Dem deutschen Schleedorn gleicht und rund ins Auge fällt?
Das ist mir eine fremde Sache;
Ich weis nicht, was ich daraus mache;
Das Ding muß wenigstens gar gut zu essen seyn.
Das taugt zum Essen nicht, erwiederte der Rabe.
Je nu! was nützt dirs denn? fiel jene wieder ein;
Ein Ding, von welchem ich gar keinen Nutzen habe,
Das hüb ich mir doch wohl nicht so behutsam auf.
Es scheinet, daß ich hier, sprach unser Crösus drauf,
Dem Blinden um die Farbe frage:
Man hört es wohl, dir ist kein edler Trieb bewußt;
Ist das nicht Nutzens gnug? Ich habe meine Lust,
Indem ich dieses Gold allhier zusammen trage.
Ich hätte dich gleichwohl, erwiederte die Taube,
Für klüger angesehn. Was hilft ein trockner Born?
Wen sättigt Zeuxis Bild mit der gemalten Traube?
Ich gebe dir auch nicht das kleinste Weizenkorn,
An dem ich mich mit Recht ergötze,
Für alle deine Lust, für alle deine Schätze.
Daniel Stoppe
Daniel Stoppe (1697-1747), deutscher Schullehrer, Dichter, Schriftsteller
„Neue Fabeln oder Moralische Gedichte, der Jugend zu einem nützlichen Zeitvertreibe aufgesetzt von Daniel Stoppen, aus Hirschberg in Schlesien, Mitgliede der deutschen Gesellschaft in Leipzig. Zweiter Theil, Breßlau, verlegts Johann Jacob Korn, 1740
Drittes Buch. Neue Fabeln. Die XIII. Fabel. Der Rabe und die Taube. Seite 171 – 172
Dschami's Fabeln
Die Schildkröte im Brunnen
Es war ein großer Garten,
hatt' einen reichen Herrn,
Der drin hielt aller Arten
Gewächs und Tiere gerne.
Es täten Quellen springen,
Und schöne Bäume blühn,
Und bunte Vögel gingen
Luftwandeln durch das Grün.
Der Pfaue sprach zum Raben:
Dein rotes Stieflein
Sollt' ich am Fuße haben;
Es muß verwechselt sein.
Als uns der Herr gewogen
hervorrief aus der Nacht,
hast du dir's angezogen,
Mir war es zugedacht.
Ich nahm von schwarzem Leder
hier dieses aus Vesehn;
Es paßt zu deiner Feder,
Zu meiner will's nicht stehn.
So paßt nur mein Gefieder
Zum roten Stieflein;
Gib mir, was mein ist, wieder,
Und nimm zurück, was dein!
Der Rabe sprach dagegen:
Ein Irrtum ist geschehn,
Doch nicht der Stiefel wegen,
Am Kleid liegt das Versehn;
Denn einsehn muß ein jeder:
Es paßt ein buntes Kleid,
Und keine schwarze Feder,
Zu diesem Fußgeschmeid.
Als und der Herr erweckte
Vom Schlaf mit seiner Hand,
War ich betäubt und steckte
Mein Haupt durch dein Gewand;
So streckest du das deine
Aus meines Röckleins Zier:
Gib mir zurück das meine,
Und nimm das deine dir! -
Ihr Streit war ungeschieden,
Da hob ihr leises Ohr
Aus eines Brunnen Friedern
Die Schildkröt' empor;
Sie sprach mit ernsten Tönen,
Und jene horchten gern:
Was wollt ihr habend höhnen
Die Weisheit eurer Herrn?
Es tat der Herr, der Meister,
Nur was ihm billig schien;
Nicht einem seiner Geister
hat alles er verliehn.
Er hat sein Gut verteilet
Zu vieler Pfründner Glück;
Und was im Garten weilet,
Ein jedes hat ein Stück.
Dem Pfauen, sich zu brüsten,
hat er gestickt das Kleid,
Dem Raben nach Gelüsten
Geschmückt das Fußgeschmeid.
Und wem er hat gegeben
Ein ungeschmücktes Sein,
Der dank' ihm auch das Leben,
Das den sehn sein Schmuck allein
Friedrich Rückert
Freimund Raimar (1788 – 1866),, deutscher Dichter, Lyriker und Übersetzer arabischer, hebräischer, indischer, persischer und chinesischer Dichtung
aus: „Erbauliches und Beschauliches aus dem Morgenlande“ von Friedrich Rückert. Verlag von Gustav Bethke, Berlin , 1837 Seite 79 – 82
Der Rabe
Ein armes Nest im alten Baum.
Wo die Winde ziehen am Heidesaum,
Wo die Wolken fliegen so pfeilgeschwind:
Da haust der Rabe mit Weib und Kind.
Und düster brütet im kahlen Land
der herbstliche Abendsonnenbrand.
Da piepst auf einmal das Rabenkind:
Sag' Vater, woher all' die Würmer sind,
Die du mir zum Geschenk gemacht - ?
Hat sie der liebe Gott gebracht?
Hast du sie gekauft beim Krämersmann?
Hast du sie gefunden im wilden Tann?
»Mein liebes Kind, sie sind gestohlen,
Deine Mutter hat sie als schmackhaft empfohlen.«
Der Rabe spricht: Diebstahl ist Pflicht,
Das siebente Gebot versteh ich nicht.
Ein altes Weib in verzweifeltem Mut
Wohl an dem morschen Baumstamm ruht,
Sie weiß nicht, wie sie den Hunger stillt,
Ihr Herz vor Elend und Jammer schwillt.
Da sieht sie plötzlich im Niedersinken
Ein Äpfelchen aus dem Grase blinken.
Doch ein Knabe kommt des Wegs daher,
Der thut gar wichtig und spreizt sich sehr,
Und als er das alte Weiblein erblickt,
Wie sie den Apfel hält, stumm und beglückt,
Springt er herzu, entreißt ihr die Frucht
Und ergreift mit der leichten Beute die Flucht.
Der Rabe spricht: Diebstahl ist Pflicht,
Das siebente Gebot versteh ich nicht.
Und wie der Morgen kämpft mit der Nacht
Und die Nebel ziehen mit schwerer Macht,
Da stößt aus dem Dunkel ein Geier hervor,
Der trägt das Rabenkind hoch empor
Und fliegt mit ihm weit in den Äther hinan
Zum stillen Fraß auf stiller Bahn.
Der Rabe spricht: Das ist gemein,
Wie niedrig, solch ein Dieb zu sein!
Jakob Wassermann
Jakob Wassermann (1873 – 1934), deutscher Schriftsteller
aus: Simplicissimus 1896 , 12. Jahrgang, Heft Nr.6, Seite 2