An eine Rosenknospe Du zarte Knospe, sehn nicht blaß, Ich tränke Dich mit hellem Naß, Ich sonne Dich mit Liebesblick, Du Pfand von stillem Herzensglück. O Knospe, seltsam ist Dein Los, Die reiche Welt in Deinem Schoß Ging ungekannt mit Dir zur Gruft, Verschlossen blieb Dein sanfter Duft. Da nahm ich Dich, und hegte Dich, Erschließe nun Dich gern für mich, Dein zartes Rot, Dein lichtes Grün, Wie reine Lieb' und Hoffnung blüh'n. Es tönt zu mir Dein sanfter Hauch: Einsames Herz, erschließ Dich auch, Du nasses Auge, blick empor, Dort blüht, was je das Herz verlor. Helmina von Chezy
Wilhelmine Christiane de Chézy, geborene von Klencke (1783 – 1856), deutsche Dichterin, Schriftstellerin, Journalistin, Librettistin
aus: „Herzenstöne auf Pilgerwegen“ Ein Troßtbild des Seelenlebens in Glaube, Hoffnung, Liebe. Ihrer Majestät, der Allerduchlauchtigsten Kaiserin = Königin Carolina Augusta zugeeignet von Helmina von Chezy, geborne Freiin Klencke. Sulzbach, in der von Deidel’schen Buchhandlung. 1833 . Seite 19