Märztag

Wolkenschatten fliegen über Felder

Märztag

Wolkenschatten fliegen über Felder, Blau umdunstet stehen ferne Wälder.

Kraniche, die hoch die Luft durchpflügen, kommen schreiend an in Wanderzügen.

Lerchen steigen schon in lauten Schwärmen, überall ein erstes Frühlingslärmen

Lustig flattern, Mädchen deine Bänder, kurzes Glück schwamm mit den Wolkenmassen, wollt‘ es halten, mußt‘ es schwimmen lassen.

Detlev von Liliencron

Friedrich Adolf Axel Freiherr von Liliencron (1844 – 1909), deutscher Lyriker, Prosa- und Bühnenautor

Gedicht aus dem Gedichtband: ‚Bunte Beute‘. 1903, Verleger Schuster & Loeffler, Berlin und Leipzig

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in Mode kleiden

Der Frost malt malt

Warum in Mode kleiden

Warum sollen wir uns alle nach der selben Mode kleiden?

Der Frost malt nie dieselben Eisblumen zweimal an mein Fenster.

Lydia Maria Child

Lydia Maria Child (1820 – 1880) US-amerikanische Schriftstellerin, Frauenrechtlerin, Abolitionistin.

An die Tulpe

Du erfreust , sie sagt’s, die Augen

An die Tulpe

Andre mögen andre loben,
mir behagt dein reich Gewand;
durch fein eigen Lied erhoben
pflückt dich eines Dichters Hand.
In des Regenbogens sieben
Farben warst du eingeweiht,
und wir sehen was wir lieben
an dir zu derselben Zeit.

Als mit ihrem Zauberstabe Flora dich entstehen ließ, einte sie des Duftes Bließ; doch die Blumen all‘, die frohen, standen nun voll Kummer da, als die Erde deinen hohen Doppelzauber werden sah.

Göttin! O zerstör‘ uns wieder, denn wer blickt uns nur noch an? Sprach die Rose, sprach der Flieder, sprach der niedre thymian. Flora kam, um auszusaugen deinen Blättern ihren Duft: Du erfreust, sie sagt’s, die Augen. Sie erfreun die trunkne Luft.

August von Platen-Halbermunde

August von Platen-Habermünde(1796 – 1835), deutscher Dichter

Landregen

Der Regen rauscht schon seit Tagen immerzu

Landregen

Der Regen rauscht.
Der Regen rauscht schon seit Tagen immerzu

Und Käferchen ertrinken
im Schlammrinn an den Wegen.- –
Der Wald hat Ruh,
gelabte Blätter blinken.

Im Regenrauschen schweigen
alle Vögel und zeigen
sich nicht.

Es rauscht und ewige Musik.

und dennoch sucht mein Blick
ein Streifchen helles Licht.
Fast schäm‘ ich mich, zu sagen:
Ich sehne mich nach etwas Staub.

Ich kann das schwere, kalte Laub
nicht länger mehr ertragen.

Joachim Ringelnatz

Hans Bötticher (1883 – 1934), deutscher Dichter, Schriftsteller, Maler. Pinko Meyer, Fritz Dörry und Gustav Hester, Gustav Dörrig, Fritz Bötticher

aus: „Gedichte, Gedichte von Einsmals und Heute“ Verlag: Ernst Rowohlt,, Berlin, 1934.

Der Gedichtsband enthält 101 Gedichte. Davon sind 38 Gedichte Erstveröffentlichungen.

Der Band erschien 1934 nach seinem Tod.

Es sang eine Nachtigall

weil sie dasselbe Jauchsen sang

Am Sachsenplatz: Es sang die Nachtigall

Es sang eine Nacht …
Ja, eine Nachtigall am Sachsenplatz.
Heute morgen,- Hast du in Berlin
das je gehört? – Sie sang, so schien
es mir, für mich, für Ringelnatz.

Und gab mir doch Verlegenheit,
weil sie dasselbe Jauchsen sang,
das allen Dichtern früherer Zeit
durchs Herz in ihre Verse klang.
In schöne Verse!

Nachtigalle
besuche bitte ab und zu
den Sachsenplatz:
dort wohne ich. – Ich weiß, dass du
nicht Verse suchst von Ringelnatz.

Und hatten doch die Schwärme recht,
die dich besange, gut und schlecht.

Joachim Ringelnatz

Hans Bötticher (1883 – 1934), deutscher Dichter, Schriftsteller, Maler. Pinko Meyer, Fritz Dörry und Gustav Hester, Gustav Dörrig, Fritz Bötticher

Sommernacht

Mit ausgespannten Armen kommt leis die Nacht

Sommernacht

Mit ausgespannten Armen kommt leis‘ die Nacht. Drückt Feld und Wald und Fluren ans Herze sacht. Schläge ihren weichen Mantel um Strauch und Baum, und summt mit Glockentönen die Welt in Traum. Vergessen hat die Erde des Tages Weh, ich hebe meine Augen hinauf zu Höh‘. Ein Vöglein seh‘ ich tauchen ins Abensgold, ach, wenn’s auch meine Seele mitnehmen wollt‘!

Johanna Ambrosius

Johanna Ambrosius (1834 – 1939), deutsche Volks-, Heimat- und Naturdichterin