DOCH Liebe, einfach Liebe, ist sie nicht
schön und des Nehmens wert? Es strahlt die Flamme,
Ob Tempel brennen oder Werg. Es bricht
Licht aus dem Abfall und dem Zedernstamme.
Liebe ist Feuer. Und: Ich liebe dich -
- gib acht -: ich liebe dich - wenn ich das sage,
steh ich verwandelt nicht mit einem Schlage
verklärt vor dir? Ich fühle selbst, wie ich
anscheine dein Gesicht. Wo Liebe je
sich niedrig macht, kann sie nicht niedrig werden:
Gott nimmt Geringe an, die sich gebärden
so wie sie sind. Das, was ich fühle, blendet
über dem Dunkeln, das ich bin: ich seh,
wie Liebe wirkend die Natur vollendet.
Elizabeth Barrett-Browning
Elizabeth Barrett-Browning, geborene Elizabeth Barrett Moulton-Barrett (1806 – 1861), englische Dichterin, Schriftstellerin
aus: „Sonnette aus dem Portugiesischen“ von Elizabeth Barett-Browing. Übertragen von Rainer Maria Rilke, Im Insel-Verlag zu Leipzig, 1900. Seite Xii
Zu welchen Qualen mein Leben führt
Die Liebe, die die klare Sonne verdunkelt, macht mich,
Und in meiner Brust bei ihrem Erscheinen entzündet
Größeres Verlangen nach meinem vagen Licht
All die Schönheit, die uns die Natur schenkt,
Die dem so gefällt, der am wenigsten sieht und versteht,
Nimmt mir mehr von dem Frieden, und kränkt mich so
Dass es mich zu wärmeren Seufzern zurückführt.
Wenn grüne Wiese, und wenn mancherlei Blumen ich erblicke
Beraubt von aller Hoffnung zittert die Seele:
Denn sie erweckt den Gedanken an ihre schöne Frucht
Die der Tod enthüllte. Ihm der Leichnam
Ihm nahm einen süßen und kurzen Seufzer weg,
Und mir hinterließ er die bittere ewige Trauer.
Vittoria Colonna
Vittoria Colonna (1492 – 1547), italienische Dichterin
Original auf italienisch:
A quale strazio la mia vita adduce
A quale strazio la mia vita adduce
Amor, che oscuro il chiaro sol mi rende,
e nel mio petto al suo apparire accende
maggior disio della mia vaga luce
Tutto il bel che natura a noi produce,
che tanto aggrada a chi men vede e intende,
più di pace mi toglie, e sì m’offende,
ch’ a più caldi sospir mi riconduce.
Se verde prato e se fior vari miro,
priva d’ogni sp’eranza trema l’alma:
ché rinverde’ Il pensier del suo bel frutto
che morte svelse. A lui la grave salma
tolse un dolce e brevissimo sospiro,
e a me lasciò l’amaro eterno lutto.
Die Fichte und der Ephos
Sieh ich erhebe mein Haupt kühragend in Lüfte des Himmels.
Trotz den Wettern! So steht mutig in Kämpfen ein Held.
Schwaches Pflanzengewächs, du windest dich zitternd am Boden,
Ungleich teilte das Maaß herrlicher Kräfte Natur!
Schwach wohl bin ich und schüchtern, doch hebt mein zartes Gewind sich
Über die Ulme; wie du, steht sie ein glänzender Held,
Und ich rank' an der Teuren, mich auf mit süßem Vertrauen,
Liebe gewährt mir die Kraft, die mir versagte Natur.
Louise Brachmann
Karoline Louise Brachmann (1777 – 1822), deutsche Dichterin, Schrifttellerin. Pseudonyme: Klarfeld, Sternheim, Louise B.
aus: ‚Taschenbuch der Blumensprache oder Deutscher Selam“ Herausgegeben von Prof. Dr. J. M. Braum. Mit 3 colorirten Kupfern. Stuttgart, Franz Heinrich Köhler, 1843. Poetischer Blumengarten. Zweite Abtheilung. Seite 204
Gemälde: Louise Brachmann (1777 – 1854). Maler Leopold Kupelwieser (1796 – 1862)
Eins und zwei
Warum, o Mutter, o Natur,
Gabst Deinem Sohn, dem Menschn nur
Ein Herz Du, um in süßen Trieben
Geliebt zu werden und zu lieben,
Und einen Mund nur, um zu küssen,
Und Wonn' und Seligkeit zu saugen;
Jedoch zum Weinen, ach! - zwei Augen? -
Anastasius Grün
Count Anton Alexander von Auersperg (1806 – 1876), österreichischer Dichter, Schriftsteller, Politiker. Pseudonym: Anastasius Grün.
aus: „Blätter der Liebe“, Poesie-Album, 1871 von Anastasius Grün. Druck und Verlag von Gebrüder Franckh, Stuttgart, 1830. Erste Liebe. Seite 30
Bildnis: Anton Alexander von Auersperg (1806 – 186)
Gemälde: Porträt vom Maler Josef Kriehuber (1800 – 1876)
Für jeden Künstler, der diesen Namen verdient, ist alles in der Natur schön, denn seine Augen, die furchtlos alle äußere Wahrheit annehmen, lesen dort, wie in einem offenen Buch, die ganze innere Wahrheit.
Der Frühling
Des Winters Hülle deckte
nicht mehr die öde Flur;
der Hauch des Lenzes weckte
die schlafende Natur.
Es wurden schon die Schatten,
es duftete der Pfad,
den Flora mit dem Gatten
jüngst, Hand in Hand, betrat.
Blauäugige Amoene,
ertönete mein Lied;
verändert ist die Szene,
der rauhe Winter flieht,
kein Nordwind drohet weiter
der zarten Haut Gefahr,
ein West, wie du so heiter,
spielt um dein blondes Haar.
Des Frühlings erste Blume,
komm, suche sie mit mir!
Zu Venus' Heiligtume
bring' ich sie dann mit dir,
dass sie das Denkmal kränze
des Dichters, dessen Lied
unsterblich, gleich dem Lenze,
dem er es weihte, blüht.
Dann schleichen wir zur Laube
bei meiner Flöte Schall;
dort girrt die Turteltaube,
dort ächzt die Nachtigall.
Dort wollen wir im Kühlen,
des Neides Aug' entrückt,
die Macht des Gottes fühlen,
der alles neu beglückt.
Sie teilte das Verlangen,
das meine Brust empfand;
es glüht' auf ihren Wangen,
es schlug in ihrer Hand.
Doch schnell benetzten Zähren
den unruhvollen Blick;
mit jungfräulichem Wehren
zog sie die Hand zurück.
Du weigerst dich, Amoene?
Ist's Misstrau'n? Ist es Scherz?
O trockne diese Träne,
du kennest Damons Herz!
Auch in verschwieg'nen Lauben
ist's, wie die Quelle, rein
und ohne Falsch, wie Tauben,
und ganz, Amoene, dein!
Friedrich Wilhelm Gotter
Friedrich Wilhelm Gotter (1746-1797)deutscher Schriftsteller, Dichter
aus: „Gedichte“ von Friedrich Wilhelm Gotter.Verlag: Carl Wilhelm Ettinger, Gotha, 1787. VII: Seite 26 – 29
Der Schmetterling
auf einem Vergißmeinnichtchen
Ein Blümchen, das sich zwar nicht mehr
Für unsre Lage schickt,
Hab' ich doch, Freund, von Ungefähr
Für dich jüngst abgepflückt.
Denn wiss', als ich es pflückte, hing
Ein Schmetterling daran.
Ich sah, dass auch ein Schmetterling
Dies Blümchen lieben kann.
Dies Wunder der Natur entging
Dann meinem Blicke nicht:
Drum schick' ich dir den Schmetterling
Und das Vergißmeinnicht.
Gabriele Baumberg
Der Frühling
(an die Frau von Wrech)
Freundin dessen, der die Welt regieret,
Der an diamantnen Ketten führet
Jene Sonnen über unserm Haupt!
Sieh'! an seiner Ordnung goldnen Seilen
Muß der Frühling neu herunter eilen
Mit dem Schmuck, den ihm der Herbst geraubt.
Siehe! wie beflügelt er gekommen
Und die Trauer der Natur benommen.
Wie er sie schon jugendlich geschmückt,
Mädchen, die den Lenz im Antlitz haben,
Männer, Jünglinge und kleine Knaben
Und der Greiß, der sich am Stabe bückt;
Alles geht, gereizt von den Gerüchen
Junger Veilchen, die so niedrig kriechen
Und doch edler, als die Tulpen sind!
Und der Hyacinthen ofne Glocken
Duften Balsam, den um seine Locken
Dir entgegen trägt der Frühlingswind.
Blat und Frucht, die in der Knospe lagen
Dringen sich des Schöpfers Lob zu sagen,
Aus der Hülle nun mit Macht hervor.
Wenn die stummen Redner prächtig blühen,
Steigt, in regellosen Symphonien
Aus den Zweigen ein Gesang empor!
Ohne Muse, ohne Kunst und Schriften
Singt die Lerche, schwebend in den Lüften,
Unaufhörlich ihr pindarisch Lied
Unter ihr, in früher Tagesstunde,
Singt mit bäurisch vollgenommnem Munde
Auch die Einfalt, welche Furchen zieht!
Lämmer, die noch an den Müttern saugen,
Blöken dem zum Lobe, dessen Augen
Das Insekt im Staube kriechen sehn.Ihn muß so der Wurm im Grase preisen,
Als das Herz mit ihm bekannter Weisen,
Als die Räder, die den Weltbau drehn.
O du Tochter seiner Lieb und Güte,
Der in jedem Lenz die junge Blüthe,
Und die grüne Saat sein Lob beschreibt.
Höher, als der Dichtgeist in dem Fluge
Preisest du mit jedem Athemzuge
Einen Gott, der deine Freude bleibt!
Alles singt ihm. – Seine Nachtigallen
Oft behorchend, will ich Lieder lallen
Voll vom Lobe dessen, der mich schuf;
Bienen, die auf Lindenwipfeln summen,
Und des Fleisses Lehrer, jene Stummen
Im Erdhaufen, werden mir ein Ruf!
Anna Luise Karsch
Anna Luise Karsch, geborene Dürbach (1722 – 1791), deutsche Dichterin, Schriftstellerin
aus: „Auserlesene Gedichte“ von Anna Luise Karsch. Verlag: Berlin, Winter, 1764. Erstes Buch. Oden. Seite 33 – 35
Frühlingsgedanken
I.
Fort trieb mich's an den Busen der Natur
Aus meiner Zelle, d'rin ich lang verschlossen,
Und staunend sah mein Auge Wald und Flur
Von Sonnenstrahlen goldig übergossen.
Es sprach das Licht: O sag! was trauerst du?
Kann meine Macht dein Dunkel nicht versüßen?
Und liebvoll säuselte die Luft mir zu:
Ich will die Thräne dir vom Auge küssen!
Der rasche Strom sang mir ein brausend Lied:
Des Lebens Hast magst du in meiner sehen!
Und als die Sonne fern von hinnen schied,
Sprach tröstend sie von Sterben und Vergehen! -
Betty Paoli
Barbara Elisabeth Babette Glück (1814-1894), österreichische Dichterin, Übersetzerin, Journalistin, Schriftstellerin, Publizistin, Sprachlehrerin, Erzieherin,Novellistin. Pseudonyme: Barbara Grund, Betti Paoli, Branitz.
„Neue Gedichte“ von Betty Paoli. Verlag: Heckenast, Pest. 1856. Seite 33
Und – horch, die Wachtel schlug! Kühl strich der Hauch
Im Moose
Als jüngst die Nacht im sonnenmüden Land
Der Dämmrung leise Boten hat gesandt,
Da lag ich einsam noch in Waldes Moose.
Die dunklen Zweige nickten so vertraut,
An meiner Wange flüsterte das Kraut,
Unsichtbar duftete die Heiderose.
Und flimmern sah ich durch der Linde Raum
Ein mattes Licht, das im Gezweig der Baum
Gleich einem mächtgen Glühwurm schien zu tragen.
Es sah so dämmernd wie ein Traumgesicht,
Doch wußte ich, es war der Heimat Licht,
In meiner eignen Kammer angeschlagen.
Ringsum so still, daß ich vernahm im Laub
Der Raupe Nagen, und wie grüner Staub
Mich leise wirbelnd Blätterflöckchen trafen.
Ich lag und dachte, ach, so manchem nach,
Ich hörte meines eignen Herzens Schlag,
Fast war es mir, als sei ich schon entschlafen.
Gedanken tauchten aus Gedanken auf,
Das Kinderspiel, der frischen Jahre Lauf,
Gesichter, die mir lange fremd geworden;
Vergeßne Töne summten um mein Ohr,
Und endlich trat die Gegenwart hervor,
Da stand die Welle, wie an Ufers Borden.
Dann, gleich dem Brunnen, der verrinnt im Schlund
Und drüben wieder sprudelt aus dem Grund,
So stand ich plötzlich in der Zukunft Lande;
Ich sah mich selber, gar gebückt und klein,
Geschwächten Auges, am ererbten Schrein
Sorgfältig ordnen staubge Liebespfande.
Die Bilder meiner Lieben sah ich klar
In einer Tracht, die jetzt veraltet war,
Mich sorgsam lösen aus verblichnen Hüllen,
Löckchen, vermorscht, zu Staub zerfallen schier,
Sah über die gefurchte Wange mir
Langsam herab die karge Träne quillen.
Und wieder an des Friedhofs Monument,
Dran Namen standen, die mein Lieben kennt,
Da lag ich betend, mit gebrochnen Knieen,
Und - horch, die Wachtel schlug! Kühl strich der Hauch -
Und noch zuletzt sah ich, gleich einem Rauch,
Mich leise in der Erde Poren ziehen.
Ich fuhr empor und schüttelte mich dann,
Wie einer, der dem Scheintod erst entrann,
Und taumelte entlang die dunklen Hage,
Noch immer zweifelnd, ob der Stern am Rain
Sei wirklich meiner Schlummerlampe Schein
Oder das ewge Licht am Sarkophage.
Annette von Droste
Anna Elisabeth Franzisca Adolphina Wilhelmina Ludovica Freiin von Droste zu Hülshoff (1797 – 1848), deutsche Schriftstellerin, Komponistin
aus: „Gedichte“ von Annette von Droste-Hülsdoff. Verlag: H. Heemann Nachfolger, Berllin, 1907. Seite 59 – 62