Die Nacht

Am Himmel ist gar dunkle Nacht

Die Nacht

Am Himmel ist gar dunkle Nacht;
Die müden Augen zugemacht
Hat längst ein jedes Menschenkind;
Es wacht nur noch der rauhe Wind.
 
Der jaget sonder Rast und Ruh
Die Fensterläden auf und zu,
Die Wetterfahne hin und her,
Daß sie muß ächzen und stöhnen schwer.
 
Doch sieh! aus jenem Fenster bricht
In's Dunkel noch ein mattes Licht.
Wer ist's wohl, der in tiefer Nacht.
Bei seiner Lampe einsam wacht
 
Ich schleiche dicht an's Fensterlein,
Schau' durch die runde Scheib' hinein,
Und einen Jüngling zart und schön
Seh' ich an einem Bette stehn.

Und wie ich nach dem Bette schau',
Da schlummert eine kranke Frau.
Er bückt sich über's Bett hinein,
Es muß des Knaben Mutter sein.
 
Vom Bette läßt er nicht den Blick,
Er streicht das braune Haar zurück,
Sacht' hält er ihr das Ohr zum Mund,
Ob sie noch athme zu dieser Stund.

Friedrich Theodor Vicher

Friedrich Theodor Vicher (1807 – 1887), deutscher Philosoph, Dichter, Schriftsteller

Mondlose Nacht

O mondlos stille, warme Nacht

Mondlose Nacht

O mondlos stille, warme Nacht - versunken
In Liebesrausch, ermattet, wollusttrunken
Ruhst Du an Gattenbrust im Zauberbann! ...
Schwelgst Du vielleicht in süßem Hoffnungswahn,
In schmachtend selgem Ahnen des Genusses
Und harrst verschämt des heimlich glühen Kusses?
In Wen bist Du verliebt, o, Nacht, sag' an! ...
Doch ich entweihe Deine Liebesfeier,
Denn dichter wallen Deine Schattenschleier!

Du hast mich angesteckt ... Ich trinke Deinen Duft -
Entflammt hat meine Seele Deine Lust ....
Dein Lispeln hört mein Ohr, Dein endlos Flüstern -
Fremd ist es mir, doch tönt's so liebelüstern!
Ich sehe Deinen Lichterglanz - mein Blut
Wallt feuriger, das Antlitz flammt in Gluth,
Erinnerungen toben mir im Herzen
Voll Himmelsseligkeit und Höllenschmerzen ....
Und meine Stirn liebkosend, fächelt lind
Der schlaferwachte kühle Morgenwind ...

Iwan Sergejewitsch Turgenew

Iwan Sergejewitsch Turgenew – Иван Сергеевич Тургенев (1818 – 1883). russischer Dichter, Dramatiker, Erzähler

Leider sind die russischen Webseiten zur Zeit kaum zu erreichen und sehr unsicher. Sobald sich die Lage nicht ändert, kann ich nicht das Original auf russisch auf meine Webseite zeigen.

der Liebe Stern

Schon flammt der Liebe Stern in süßer Nacht

Schon flammt der Liebe Stern in süßer Nacht
Im Ost, und jener, der dem Nord gebührt,
Um den einst Juno Eifersucht gespürt,
Rollt seine Strahlen dort in heller Pracht.

Francesco Petrarca 

Francesco Petrarca (1304 – 1374), italienischer Dichter, Geschichtsschreiber

An den Mond

Siehe! der hohe Sirius

An den Mond


Kaum öffnet die Nacht ihre Hallen;
Purpurn weilt noch
Der Abschied des Abends an ihrer Schwelle;
Die Nachtigall
Beginnt ihr Lied noch nicht
Und das Käuzlein lauschet in seiner Höhle.

Was siehest du so verwundernd
In mein ödes Zimmer? -
Überschaue die Wege
Deiner glänzenden Gefährten
Und staune! -

Siehe! der hohe Sirius
Ist kaum am Hügel erwacht,
Und der Stern der Liebe
Glänzt noch in junger Schöne. -
Der Adler beschließt erst seinen Strahlenflug,
Und du wandelst die ersten Schritte
Auf der nächtlichen Bahn.

Dennoch – o Artemis,
Findest du mein Zimmer einsam! -
Er – o verbergt euch, ihr Sterne!
Und du Leuchtende! -
Er – der die Morgenröte schalt,
Wenn sie unsren Küssen lauschte
In der nächtlichen Laube; -
Der noch wachte in glühender Liebe,
Wenn ihr eure Kammern schlosset: -

Er schläft schon! -
Er schläft -
Und die Nacht ringt noch
Mit der Dämmerung
Um euren Schleier.
Er schläft -
Und die Stille herrschet noch nicht.

Losgewunden
Vom Kummer der Liebe
Und ihrem belebenden Entzücken
Umschweben ihn Träume des Friedens
Und der stillen Ruhe,
Die so gern
Die Herzen der Unempfindlichen beglückt. -

Er schläft
Und denkt meiner nicht mehr
In seinen süßen Träumen.
Ach, meine Tränen
Stören seine Ruhe nicht. -

Mond! und ihr prangenden Sterne!
Geht in eure Kammern
Auf ewig.
Nacht! tritt auf immer
Aus deiner schwarzen Halle
Und du, Morgenröte!
Lausche nie wieder
Den Küssen der Liebe.

Er schläft -
Und meine Tränen
Stören seine Ruhe nicht.

Sophie Albrecht

Johanna Sophie Dorothea Albrecht (1757 – 1840), deutsche Dichterin, Schriftstellerin, Schauspielerin

An die schöne Blume Susanna

Blühet immer Tag und Ncht

XXI.
An die schöne Blume Susanna

1.
Keine Lilie scheint so weiß/
Du hast noch viel schönern Preiß/
Meine Lilie/ deine Zier/
Geht den schönsten Blumen für.

2.
Weiß ist deine Stirn/ dein Hals/
Deine Zähnlein gleiches falls/
Weiß und roth die Wängelein/
Schöner als die Rosen seyn.

3.
Rosenfarbicht ist der Mund/
Lilienweiß das schöne Rund/
Das sich in zwey Berglein gibt/
Das man für zwo Welt beliebt/

4.
Jedes Rund hat mitten inn
Einen köstlichen Rubin/
Der von Milch und Honig fliesst/
Und den Nectar selbst versüsst.

5.
Lilienweiß sind Arm und Hand/
Mehrers ist mir nicht bekandt/
Da fällt gantz kein Zweiffel ein/
Es werd auch der Rest so seyn.

6.
Wo die Berge blumicht stehn/
Kan der Thal nicht minders sehn/
Dann je näher nach dem Fluß/
Je geblühmter ist der Fuß.

7.
O was Lust hat so ein Mann/
Der ihm also betten kan/
Daß sein Liebermattes Blut/
Nur auff Ros- und Lilgen ruht.

8.
Blühet immer Tag und Nacht/
O ihr Ros- und Lilgen Pracht/
Gehet immer mit der Zier/
Allen Ros- und Lilgen für.

9.
Was ich mier davon begehr/
Ist mier viel/ doch dir nicht schwer/
Lasse mich doch nur allein/
Einer Rosen fähig seyn.

10.
Fragestu/ O meine Zier/
Welche Rose dienet dir?
O mein Lieb was fragstu viel/
Weistu nicht was Liebe wil? 


Georg Greiflinger

Georg Greiflinger (1620 – 1677), deutscher Dichter, Zeitchronist, Zeitungsredakteur. Pseudonym Celadon, Seladon

In jener Nacht, wo keine Sterne blinken

Der Becher kreist

In jener Nacht, wo keine Sterne blinken,
Wo keines Auswegs Hoffnungsstrahlen winken.
Schrickt nicht zurück, wenn deine Reihe kommt!
Der Becher kreist, und jeder muß ihn trinken

Omar Chayyām

Omar Chayyām (1048 – 1131), persischer Dichter, Astrologe, Astronom, Mathematiker, Philosoph, Kalenderreformer

The sea child

Peace, go back to the world

Into the world you sent her, mother,
Fashioned her body of coral and foam,
Combed a wave in her hair's warm smother,
And drove her away from home

In the dark of the night she crept to the town
And under a doorway she laid her down,
The little blue child in the foam-fringed gown.

And never a sister and never a brother
To hear her call, to answer her cry.
Her face shone out from her hair's warm smother
Like a moonkin up in the sky.

She sold her corals; she sold her foam;
Her rainbow heart like a singing shell
Broke in her body: she crept back home.

Peace, go back to the world, my daughter,
Daughter, go back to the darkling land;
There is nothing here but sad sea water,
And a handful of sifting sand.

Katherine Mansfield

Kathleen Mansfield Beauchamp (1888 – 1923), neuseeländische Schriftstellerin, Kritikerin, Erzählerin, Autorin von Kurzgeschichten

Die arme Tochter an ihre schlafende Mutter

Jede Freude, die dich grüßet

Die arme Tochter an ihre schlafende
Mutter.

Schlummre sanft die Nacht zum Morgen,
Der ein neues Jahr dir bringt!
Und verschlummre deine Sorgen,
Die fast jeder Tag verjüngt!

Träume lieblich, und genieße
Eine lange leichte Nacht;
Denn dir warten Kümmernisse,
Wenn dein Auge wieder wacht!

Immer Arbeit, immer Grämen
Mußtest du zum Lebensloos
Von des Glückes Händen nehmen,
Dem sein Liebling sitzt im Schooß.

Jede Freude, die dich grüßet,
Schafft dein Herz dir fast allein,
Und dein Leben wird versüßet,
Wenn du Menschen kannst erfreun.

Trost zu seyn bey ihrer Klage,
Machst du dir zur schönen Pflicht;
Doch des Lebens Ruhetage
Kennest du noch selber nicht,

Lernst sie auch wohl nimmer kennen,
Bis dein gutes Herz dir bricht. —
Möcht' ich sie dir geben können!
Aber ach! das kann ich nicht.

Seiner Aeltern Alter pflegen,
Dieses höchste Lebensglück:
O, wie käme solcher Segen
Mir zu meinem Mißgeschick?

Das gehört zu meinen Träumen! —
Drum, o Mutter, schlaf nur hier!
Einmal unter Edens Bäumen
Magst du wachen für und für!

Caroline Louise von Klencke

Caroline Louise von Klencke (1754 – 1802), deutsche Dichterin, Schriftstellerin

Ein jeder Tag wird mir so lang

Es steht ein Baum auf grüner Heid

Ein jeder Tag wird mir so lang.
Ach, wie so schwer die Nacht
Wenn ich sie wieder hingebracht
Traumlos und jesusbang.
 

Der Orgelton beim Abendmahl
Macht mir vor Leid die Wangen fahl
Und betend fall' ich nieder.
Wie duftet süß der Flieder
 

Wie lag das Land in Blüten weiß.
Mir ist bei Gott die Seele heiß
Ich bin so fremd geworden.
Ich hab' der Tage viel verweint,
Bin froh, wenn keine Sonne scheint
Bis an des Todes Pforten.
 

O, käm doch wer und trüge mich
Wohl in ein fernes Land,
Hast mir die Seele wundgebrannt
Ich wollt' dein Buhle schlüge dich.
 

Es steht ein Baum auf grüner Heid
Gar einsam in der Frühlingszeit,
Will träumen, will träumen,
Muß halt sein Glück versäumen.
 

Im Schlaf erschreckt mich dein Gesicht,
Es blinkt das scheue Morgenlicht
Ins Fenster meiner Kammer.
Ich krieche furchtsam aus dem Stroh
Und nehme des Erwachens froh
Die Kutte von der Klammer.
 

Wie liegt das Land in Blüten weiß,
Es kräht der Hahn, es springt die Gais
Wie müd' sind meine Hände!
Du weißt ja nicht, wie Liebe thut.
Oh hätt' ich nur ein Särglein gut
Damit ich Ruhe fände.

Jakob Wassermann

Jakob Wassermann (1873 – 1934), deutscher Schriftsteller

Wiegenlied

Leise kommt die stille Nacht

Wiegenlied

Schlaf, mein holder Knabe du,
alles neigt sich schon zur Ruh,
Tages Lärm ist längst verstummt,
nur die Abendglocke summt,
stille Nacht bringt sanfte Ruh,
holder Knabe, schlaf auch du!

Holder Knabe, träume süss,
von dem Himmelsparadies,
wo dein kleines Schwesterlein
schwebet in der Engel Reih’n,
tanzt und spielt und singt so süss,
träume, Kind vom Paradies.

Leise kommt die stille Nacht!
Schlafe bis der Tag erwacht,
bis der helle Sonnenschein
dringt in unser Kämmerlein
und die Welt auf’s Neu dir lacht,
schlaf mein Knabe, gute Nacht!

Anna Klie

Anna Klie (1885 -1913), deutsche Kinder- Jugendbuchautorin, Schriftstellerin, Dichterin, Lyrikerin