An die Verse
Ihr habt durch Wildnis mich geleitet
Wie Sterne, fallend in die Nacht,
Wart Lüge, habt mir Schmerz bereitet −
Zum Trösten fehlte euch die Macht.
Anna Achmatowa
Leider sind die russischen Webseiten zur Zeit kaum zu erreichen und sehr unsicher. Sobald sich die Lage nicht ändert, kann ich nicht das Original auf russisch auf meine Webseite zeigen.
original auf russisch:
K´sticham
Вы так вели по бездорожью,
Как в мрак падучая звезда.
Вы были горечью и ложью,
А утешеньем - никогда.
Bild: Anna Andrejewna Achmatowa (1889 – 1966)
Frieden und Freiheit. Schießt mit Blumen und Liebe.
Verzweiflung
O Jammer, Tränen, Flehen und Gebete
Und immer Jammer, immer Tränen, Flehen, -
Ich Unglückselige - was wird aus mir!
Kaum spüre ich des Sommers laue Nächte,
Da zieht der Winter wieder über Land,
Und rauh und häßlich wird der Wind der Frühe.
Jetzt kommen schon die wilden Schwäne wieder;
Mein Herz ist voller Qual. Wie oft, wie oft
Sah ich euch gehn und kommen, wilde Vögel!
Verschwenderisch erblühn die Chrysanthemen, -
Doch diese Blume hier, versehnt, verkümmert,
Hat niemand denn sie abzupflücken Lust?
Ich sitze ewig nur an meinem Fenster, -
Ist denn der Tag noch immer nicht zu Ende?
Ein feiner Regen näßt die Blüten rings.
Auf leisen Sohlen steigt die Dämmerung nieder,
Der Abend kommt, die Nacht umfängt die Erde, -
In mir jedoch bleibt alles, wie es war.
O Jammer, Tränen, Flehen und Gebete, -
Wer zieht den Dorn aus meinem wunden Herzen?
Verzweiflung wühlt in mir und tötet mich.. !
Li Tsching-dschau
Li Tsching-dschau (1083 – 1151), chinesische Dichterin. Auch Li Qingzaho; Li Qing Zhao
Li Tsching-dschau (1083 – 1151)
aus: „Geliebte, wenn ich dich entzückt betrachte – Die chinesische Flöte“. Orientalische und fernöstliche Liebesdichtungen in Nachdichtungen von Hans Bethge. Seite 67
Ihr lieben kleinen Sterne
Ihr lieben kleinen Sterne,
Warum bleibt ihr so ferne?
Ich hab' euch doch so gerne.
Lieb' Kind, wir halten Wacht
In mancher schönen Nacht.
Die Sterne mir gefielen
Ich möcht' mit ihnen spielen,
Sie streicheln, sie befühlen.
Lieb' Kind, wir halten Wacht,
Wir geben auf dich Acht.
Ach, kommt zu mir herunter,
Ihr schönen Gotteswunder!
Ich bin doch wach und munter.
Lieb' Kind, wir halten Wacht,
Jetzt schlafe -- gute Nacht!
Ludovica des Bordes
Maria Ludovica Katharina Freifrau von des Bordes, geborene Brentano (1787 – 1854), deutsche Dichterin, Schriftstellerin, Kinderliederschreiberin
Das Lied ‚Ihr lieben kleinen Sterne‘ wurde mehrmals vertont.
aus: „Kinderlieder“ von Ludovica Freifrau von des Bordes, geborene Brentano von La Roche. Verlag von Joseph Manz, Regensburg, 1853. Seite 14 – 15
Gemälde: Louise Brachmann (1777 – 1854). Maler Leopold Kupelwieser (1796 – 1862)
Versöhnung
Die gekränkte Liebe
Weint im Kämmerlein
Sich die Augen trübe,
Schluchzt in sich hinein.
Und der wilde Knappe
Pocht an ihre Tür:
"Draußen steht mein Rappe,
Reich' die Handschuh mir!"
Zaubernd mit dem Schritte,
Reicht sie abgewandt
Handschuh ihm zum Ritte;
Doch er faßt die Hand.
Zieht die Heißgeliebte
An die Lippen schnell,
Küßt ihr das getrübte
Auge wieder hell. - -
Und sein Rappe stampfet
Wohl die ganze Nacht,
Bis der Morgen dampfet,
Und die Aue lacht.
Louise Brachmann
Karoline Louise Brachmann (1777 – 1822), deutsche Dichterin, Schrifttellerin. Pseudonyme: Klarfeld, Sternheim, Louise B.
aus: „Auserlesene Dichtungen“ von Louise Brachmann. Herausgegeben von Friedrich Karl Lulius Schütz. Verlag: Leipzig in der Weygand’schen Buchhandlung, 1934. Zweiter Band. Seite 114 – 115
Gemälde: Louise Brachmann (1777 – 1854). Maler Leopold Kupelwieser (1796 – 1862)
Spruch
"Gute Nacht, gute Nacht, du bunte Frau Welt!"
Das ist ein Lied, das üb' ich mir ein.
Denn ob mir's auch ziemlich allhier noch gefällt, -
Das Lied will doch endlich gesungen sein,
Und nur wer es übt mit stätigem Mut,
Singt's in der entscheidenden Stunde gut.
Friedrich de la Motte Fouqué
Friedrich Heinrich Karl de la Motte Fouqué (1777 – 1843), deutscher Dichter, Schriftsteller
Gemälde: Friedrich de la Motte Fouqué (1777 – 1843)
aus: „Gedichte “ von Friedrich Baron de la Motte Fouquè. Fünfter Band. ‚Gedichte aus dem Mannesalter‘ Mit einem lithographirten Notenblatt. Stuttgart und Tübingen, in der Gotta’schen Buchhandlung, 1827. Seite 108
Herbstgefühl
Komm mit mir hinauf in unseren Berggarten.
Komm mit mir unter den Apfelbaum,
Unter unseren Apfelbaum.
Tief biegen sich seine schweren Äste,
Tief nieder ins hohe Gras.
Es ist die Zeit der Fruchtfülle. -
Wir wollen diese herrlichen Früchte sehn und kosten;
Mit lachenden Zähnen
In dies köstliche Sauersüß beißen,
In's Sauersüße.
Und dann werden wir unsere Arme
Auf den weichen gelben Mauerpfeffer legen,
Und werden,
Im Innersten beruhigt,
hinausschauen
Auf tiefes wundersames Schollenbraun;
Mit der schönsten Fröhlichkeit,
Mit heimlicher wissender Endfröhlichkeit.
Die Nacht lächelt aus dem Braun
Mit ihrem schönsten Mutterlächeln.
Die Nacht.
und noch einmal zeigt sie uns alles, alles
So tief als ein Fertiges,
Wie sie es zu zeigen pflegt;
O so, weißt Du,
Daß es so wundersam zu einem Geahnten, kommenden wird,
Das eine, einzige Geschickt,
Das wir alle leben.
Und unser dunkles Lachen
Wird ein erlöstes Weinen fein.
Kinder wir, immer Kinde der Einen;
Verzagend, hoffend, getröstet, bang und fromm,
Und immer neu begierig,
Und immer verlangend.
Herbstgefühl wollen wir sehen,
Unter unserem Apfelbaum,
Im Berggarten,
trunken vom Sauersüßen ...
Johannes Schlaf
Johannes Schlaf (1800 – 1862), Schriftsteller, Erzähler, Dramatiker, Naturalist.
aus: „Das Sommerlied“ Gedichte, von Johannes Schlaf. Verlag: Axel Juncker Verlag in Stuttgart, 1905. Seite 162 – 163
Lebenskranz.
In schweren Träumen lag ich diese Nacht,
Nur an das Eine hab' ich stets gedacht,
Des Dichters Wort: >Hab' einst in Jugendtagen
Wohl auf dem Haupte einen Kranz getragen.<
Mir aber war's ich träge fort und fort
In meinen Haaren Blumen, lang' verdorrt.
Die wilden Blüten erster Jugendzeit
Zu Rosen formten sich, voll Herrlichkeit,
Die rot und röter flammend mich umfingen,
Bis sie entblättert in den Dornen hingen.
Doch bald entsprossten diesen, gross und weiss,
>Fior' di Passion<, leuchtend, fieberheiss.
Weh' mir, auch sie verwelkten. Spitz und stark
Nur noch die Dornen stechen mir in's Mark, -
So Jahr um Jahr. An letzter Ruhestatt
Entkeimt daraus vielleicht ein Lorberrblatt.
Hermine von Preuschen
Hermione von Preuschen (1854 – 1918), deutsche Malerin, Dichterin
aus: „Via Passions: Lebenslieder“ von Hermine von Preuschen. Verlag von Carl Reissner, Dresden und Leipzig, 1895. Seite 14
Nachtlied
Müde sank der Tag
in den Arm der Nacht.
Sterne kommen zag
gnadenreich bewacht.
In den Bäumen ruhn
Vögel stumm und tief.
Sinnlos scheint das Tun.
Nur ein Käuzchen rief.
Mondbestrahlt und weiß
Schläft ein Engelskind.
Rosen duften heiß
in den kühlen Wind.
Laß auch uns erblühn,
innig sein und weit.
Nach des Tages Mühn
fühlen – Ewigkeit.
Francisca Stoecklin
Francisca Stoecklin (1894-1931), Schweizer Schriftstellerin, Dichterin, Malerin, Erzählerin
Telepathie
Schwarze Nacht . . . !
Ich sitze aufrecht,
Bangigkeit wacht!
Ich kann nicht ruhn —
Glück ist verdorben
Wolken ziehen den Himmel herauf:
Angst schlägt die Augen auf,
Wände werden grossmaschig.
Fernen spiegeln
Bilder zurück.
Heissliebster —
„Hans im Glück" am Tag —
Träumt schlafend die Nacht !
Unter Wimpern drängt sich
Heisses Nass hervor:
Er weint — er weint so bitterlich
Im Traum über mich — — — —
Elsa Asenijeff
Elsa Maria Packeny (1867-1941), österreichische Dichterin, Schriftstellerin
aus: „Hohelied an den Ungenannten“, lyrischer Roman von Elsa Asenjijeff. Verlag: München bei Georg Müller, 1914. Seite 60
Freundschaft
Weil Tugend nicht, noch Geistesgabe
Den Eigensinn des Schicksals rührt,
Das uns den kurzen Weg zum Grabe
Durch Blumenflur und Wüste führt,
Weil alles hier den Wechsel fühlet,
Das Glück mit unsern Wünschen spielet,
Das beste Herz sich oft verirrt
Und seines Irrthums Opfer wird;
Soll ich mit finsterm Blick und träge,
Tief in mich selbst verhüllet, gehn;
Nicht Blumen pflücken, die am Wege
Sich düftend mir entgegen blähn?
Vorübereilend frostig grüßen
Den guten frommen Wandersmann;
Nicht freundschaftlich mich an ihn schließen,
Und, ach! so lang ich immer kann,
Das Glück, ein Mensch zu seyn, genießen?
Erfindungsreich zu ihrer Qual
Ist die Vernunft, die dieß befahl.
Zum Vorrecht ward sie uns gegeben;
Doch ach! indem wir uns durch sie
Vor allen Thieren stolz erheben,
Verbittern wir uns selbst das Leben
Und erndten Gram für unsre Müh.
Ein guter Gott hat nicht vergebens
Gestreuet Freuden ohne Zahl
Auf die bedornte Bahn des Lebens;
Er läßt von allen uns die Wahl.
Hier beut der Reichthum seine Schätze;
Dort zeigt der Ruhm uns goldne Plät,
Noch unerfüllt im Götterchor;
Auch steigt im lachenden Gefilde
Der Tempel Amors dort hervor;
Daß er sein rohes Herz zur Milde,
Zur Anmuth seine Sitten bilde,
Eilt flatternd ihm der Jüngling zu;
Ihn suchet lächelnd selbst der Weise,
Und sammlet hier, durch kurze Ruh,
Sich neue Kräfte zu der Reise.
Ruhm, Liebe, Reichthum weicht zurück!
Erhabne, sanfte Seelen finden,
Sich sehen, Sympathie empfinden,
In Einem heitern Augenblick
Auf Ewigkeiten sich verbinden;
Dieß ist der Menschheit erstes Glück,
Und dieses nur kann michentzünden!
Es ist so reizend, seinem Pfad
In Wüsten, die kein Fuß betrat,
Mit einein Freundenachzuspüren;
So reizend, mit geschlungner Hand,
An einer gähen Tiefe Rand,
Auf morschen Stegen sich zu führen;
Dem Dürstenden, aus hohler Hand,
Den ersten Labetrunk zu bringen;
Wenn Stürme gegen Stürme ringen
Und Wanderern Verderben dräun,
Mit ihm des Mantels Schutz zu theilen,
Und in dem schauervollsten Hain,
Wo Räuberlauern, Wölfe heulen,
Beym Mittagsstral, bey Mondenschein,
Durch Unschuld sicher zu verweilen;
Noch reizender, des Schöpfers Macht
Mit der Musik des Hains zu preisen;
In einerhohen Linde Nacht
Am Tische der Natur zu speisen;
Bey jedem müherfüllten Gang
Sich zu ermuntern mit Geschwätzen,
Und, unter freudigem Gesang,
An kühle Bäche sich zu setzen.
O Freundschaft, erstgebornes Kind
Des liebevollesten der Wesen,
Süß, wie die Träume vom Genesen
Dem hofnungslosen Kranken sind!
O, dieses Lebens Labyrinth,
Was wär’ es ohne dich? Verbreite
Dein mildes Licht auf meinen Schritt
Stolz auf dein göttliches Geleite,
Geh’ ich, wohin du führest, mit.
Als Knaben hast du mich getragen,
Als Jüngling warnend mich gelenkt;
Erbarmt hast du dich meiner Klagen,
Auf Wunden, die du mir geschlagen,
Mit neuen Freuden mich getränkt.
Dich will ich im Genuß verehren,
Dir will ich danken im Verlust;
Es stillen sich des Abschieds Zähren
An eines neuen Freundes Brust;
Oft, wenn das wunde Herz noch blutet,
Führt den Gefährten unvermuthet
Ein Umweg wiederauf uns zu;
Die frühe sich verloren hatten,
Begegnen sich im Abendschatten,
Und gehen Hand in Hand zur Ruh.
Ihr, meiner Wallfahrt erste Wonne,
Ihr Edlen, die mein Arm umschloß,
Als noch auf uns die Morgensonne
Ihr allbelebend Feuer goß,
Vergebens grüßet euch mein Seegen,
Vergebens wallt euch meine Brust,
Streckt sich, zur süßgewohnten Lust,
Mein Arm dem eurigen entgegen!
Ihr seyd zerstreut! Auf fernen Wegen
Muß ich, ein Spiel des Schicksals, gehn?
O! werd’ ich in den dunklen Gründen,
Durch die sich meine Schritte winden,
Nicht Einen von euch wiedersehn?
Friedrich Wilhelm Gotter
Friedrich Wilhelm Gotter (1746-1797)deutscher Schriftsteller, Dichter
aus: „Gedichte“ von Friedrich Wilhelm Gotter.Verlag: Carl Wilhelm Ettinger, Gotha, 1787. Seite 5 – 11