Ein Vöglein nistet tief in meiner Brust, An ihm hat meine Seele ihre Lust. Ach, lebte sie nicht , möcht' auch ich nicht leben, Der Tod allein wär' dann mein eifrig Streben. Doch hat den Fuß der Fallstrick mir umwunden, Wie Vieh, geführt zur Schlachtbank, wird gebunden. Im Mühsalstiegel werd' ich nun geläutert, Die Seele auf der Wandrung Bahn geschleudert. Weh mir, so muß in Edom ich verweilen! Doch möge Gott die Wunde nie mir heilen, Sollt' Deine Huld aus meinem Mund je weichen, Die Liebe ich aus meinem Herzen streichen. Der Klage macht das Auge mir so trübe, So finster schwarz, daß ich mein weiß Gewand Mit meinem Auge habe schwarz gebrannt. Doch fesseln jetzt mich des Geschickes Ketten, Vielleicht wird Gott - noch harr' ich - mich erretten, Das Leid in meiner Tränen Flut versenken, Dem schon Verschiednen neues Leben schenken Jehuda ha-Levi
Original von Jehuda ben Samuel ha-Levi (1074 – 1141), sephardischer Arzt und Philosoph, hebräischer Dichter
Übersetzer: Abraham Geiger (1810 – 1874), deutscher Rabbiner Historiker, Gründer des Reformjudentums, Übersetzer, Schriftsteller
aus: „Divan des Castiliers Abu’l-Hassan Juda ha-Levi)“. Verlag Lambert Schneider, Berlin. Zweite Ausgabe.“Divan des Castiliers Abu’l-Hassan Juda ha-Levi“. Übersetzt von Abraham Geiger. Verlag von Joh. Urban Kern, Breslau 1851. IV. Der Freund. Seite 31 – 32
Statue von Jehuda ha-Levi (Jehuda ben Samuel ha-Levi) (1074 – 1141)
Bildnis von Abraham Geiger (1810 – 1874)