Versöhnung

Die gekränkte Liebe weint im Kämmerlein

Versöhnung

Die gekränkte Liebe
Weint im Kämmerlein
Sich die Augen trübe,
Schluchzt in sich hinein.

Und der wilde Knappe
Pocht an ihre Tür:
"Draußen steht mein Rappe,
Reich' die Handschuh mir!"

Zaubernd mit dem Schritte,
Reicht sie abgewandt
Handschuh ihm zum Ritte;
Doch er faßt die Hand.

Zieht die Heißgeliebte
An die Lippen schnell,
Küßt ihr das getrübte
Auge wieder hell. - -

Und sein Rappe stampfet
Wohl die ganze Nacht,
Bis der Morgen dampfet,
Und die Aue lacht.

Louise Brachmann

Karoline Louise Brachmann (1777 – 1822), deutsche Dichterin, Schrifttellerin. Pseudonyme: Klarfeld, Sternheim, Louise B.

Der Backfisch

Kichernd und wispernd, Geheimnisse flüsternd

Der Bachfisch

Kichernd
Und wispernd,
Geheimnisse flüsternd,
Vor Lachen erstickend,
Verlegen sich drückend,
Vor Neugierde zitternd,
Unpassendes witternd,
In Liebesgram härmend,
Für Lehrer schwärmend,
Immer schleckend und naschend, –
Mit Notentaschen,
Mit langem Zopf
Am zappligen Kopf,
Bestrebt, zu probieren
Das Kokettieren,
Ganz ohne Sorgen
Für heut oder morgen
Und zehnmal klüger als Mama,
Schwupp – so steht der Backfisch da.


Alice Berend

Alice Berend (1875 – 1938), deutsche Schriftstellerin

Spielmannslied

Wie Rosenduft verweht mein Sang

Spielmannslied

Vertrau' mir nicht, mein schönes Kind,
Glaub nimmer meinem Schwur, 
Ich bin so flüchtig wie der Wind 
Und wie des Glückes Spur.

Wie Rosenduft verweht mein Sang,
Verweht mein kleines Lied,
Wenn's dir auch tief zum Herzen drang,
Es flieht, dahin es flieht.

So flieht die Liebe schnell dahin,
Die mir das Herz erfaßt,
Gar unstät ist mein loser Sinn, 
Ich leb' in froher Hast.

Bin heute hier und morgen dort,
Wie mich das Leben dingt,
O glaube nie dem Liebeswort,
Das dir ein Spielmann singt! 

Maria Stona

Maria Stona, geborene Maria Scholz (1861 – 1944), Dichter, Schriftstellerin, Sallonieré. Pseudonyme: Maria Stonawski, Maria Stona

Das Rosenknöspchen

Ein Hänflingweibchen, das mit Luft

Das Rosenknöspchen

Ein zartes Rosenknöspchen fand
Ich neulich, das im Lenzgewand
Auf schlankem Stengel glühend stand,
Betaut vom frischen Morgen.
Zwei Frühlingsnächte schwanden kaum
Seit ihm erblüht des Lebens Traum,
Und Duft es haucht' am Wiesenschaum
Bei himmelblauem Morgen.

Ein Hänflingweibchen, das mit Luft
Sein Nest im Busch zu baun gewußt,
Saß neben ihm, die warme Brust
Vernetzt vom tauigen Morgen;
Bald sieht's vielleicht in Mutterglut,
Wie Schwingen hebt die jung Brut,
Und zwitschernd über Wald und Flut
Begrüßt den heitern Morgen.

So du, lieb Vöglein, zarte Maid,
Erblüht in holder Sittsamkeit,
Lohnst auch der Pflege, dir geweiht
An deines Lebens Morgen;
Ein Rosenknöspchen, jung und schön,
Wirst du im Blumengarten stehn,
Und Segensduft den Lieben wehn,
Die dich bewacht am Morgen!

Robert Burns

Robert Burns (1759 – 1796), schottischer Dichter, Schriftsteller.

aus: Robert Burns‘ Gedichte, übersetzt vom schottischen ins deutsche von. Wilhelm Gerhard. Mit des Dichters Leben und erläuternden Bemerkungen. Gedichte, Lieder und Balladen. Seite 153 – 154

Safe in their Alabaster Chambers

Grand go the Years

Safe in their Alabaster Chambers -
Untouched by Morning -
and untouched by noon -
Sleep the meek members of the Resurrection,
Rafter of Satin and Roof of Stone -

Grand go the Years,
In the Crescent above them -
Worlds scoop their Arcs -
and Firmaments - row -
Diadems - drop -
And Doges surrender -
Soundless as Dots,
On a Disk of Snow.

Emily Dickinson (1830 – 1886) US-amerikanische Dichterin

Morgenständchen

Im Glanz der Morgenröte

Morgenständchen

Ich blase meine Flöte
Im Glanz der Morgenröte
Der Garten voll Tau.
Die Morgenwolken blühen
Am Himmel und glühen
Dir Gruß ins weiße Bett,
Vielliebe, liebe Frau!

Hör aus der Morgenkühle
War Ich im Herzen, fühle
War meine Sehnsucht singt.
Du sollst nicht erwachen,
Dir soll im Traume lachen,
War in der Morgenröte Glanz
Aus meiner Seele.

Ich blase meine Flöte
Im Glanz der Morgenröte
Und bin voll Morgenrot.
Die Bäume und Blumen im Garten
Ich und die Vögel warten,
Bescheer uns, o Herrin, gieb
Uns unser täglich Brot!

Otto Julius Bierbaum

Otto Julius Bierbaum (1865 – 1910), deutscher Schriftsteller, Dichtre, Journalist, Redakteur. Pseudonym: Martin Möbius.

Morgenlied

Um hellem Amselschlag

Morgenlied

Mit edlen Purpurröten
Und hellem Amselschlag,
Mit Rosen und mit Flöten
Stolziert der junge Tag.
Der Wanderschritt des Lebens
Ist noch ein leichter Tanz.
Ich gehe wie im Reigen
Mit einem frischen Kranz.

Ihr taubenetzen Kränze
Der neuen Morgenkraft
Geworfen aus den Lüften
Und spielend aufgerafft -
Wohl manchen ließ ich welken
Noch vor der Mittagsglut:
Zerrissen hab' ich manchen
Aus reinem Übermut!

Mit edelen Purpurröten
Und hellem Amselschlag.
Mit Rosen und mit Flöten
Stolziert der junge Tag -
Hinweg, du dunkle Klage,
Aus all dem Licht und Glanz!
Den Schmerz verlorner Tage
Bedeckt ein frischer Kranz.

Conrad Ferdinand Meyer

Conrad Ferdinand Meyer (1825 – 1898), Schweizer Dichter

Morgenstimmung

Mich aus Liebchen Paradies

 Morgenstimmung

Leise schleich ich wie auf Eiern
Mich aus Liebchens Paradies,
Wo ich hinter dichten Schleiern,
Meine besten Kräfte ließ.

Traurig spiegelt sich der bleiche
Mond in meinem alten Frack;
Ach die Wirkung bleibt die gleiche,
Wie das Kind auch heißen mag.

Wilhelmine, Karoline,
's ist gesprungen wie gehupft,
Nur daß hier die Unschuldsmiene,
Dort dich die Routine rupft.

Frank Wedekind

Benjamin Franklin Wedekind (1864 – 1918), deutscher Dichter, Dramatiker, Schauspieler

Denk, all‘ Dein Hoffen

Der Freude Garten böte DIr so viel

Denk, all‘ Dein Hoffen fände auch ein Ziel,
Der Freude Garten böte Dir so viel,
Daß du in seinem Grün, dich selig dünkst-
Doch wenn der Morgen, graut, ist aus das Spiel!

Omar Chayyām

Omar Chayyām (1048 – 1131), persischer Dichter, Astrologe, Astronom, Mathematiker, Philosoph, Kalenderreformer