Wenn der Jasmin vor meinem Fenster blüht

wenn Stille herrscht, blutrot der Vollmond glüht

Wenn der Jasmin ...

Wenn der Jasmin ……

Wenn der Jasmin vor meinem Fenster blüht,
wenn Stille herrscht, blutrot der Vollmond glüht,
dann kommt die Sehnsucht mit der Mitternacht,
wo alles schläft – nur mein Verlangen wacht,
es bläst mit Feueratem zu mir her
und fordert Liebe! … Liebe? Noch viel mehr!
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Die Nacht vergeht mit müdem, schweren Schritt.
O nähm sie mich ins ewge Dunkel mit!
Der Morgen naht in fahlem Nebelgrau,
einsam, verzweifelt lieg ich arme Frau
und späh mit heißen Blicken rings umher
nach Liebe – doch mein Pfühl bleibt liebeleer.

 Else Galen-Gube

Elisabeth Galen-Gube, geborene Galen(1869-1922), deutsche Schriftstellerin, Dichterin. Pseudonym: Else Galen-Gube

Um Mitternacht blühen die Blumen

Sie schweben und schwingen den Reigen

Um Mitternacht blühen die Blumen

Um Mitternacht blühen die Blumen
Im Strahl des Vollmonds auf,
Da steigen aus ihren Kelchen
Die lieblichsten Elfen herauf. 

Sie schweben und schwingen den Reigen 
Und neigen und dreh'n sich im Chor,
Und selig erwachen die Vögel 
Und schau'n aus den Zweigen hervor.

Ein Rauschen wie Frühlingsgeflüster
Geht leise von Baum zu Baum,
Und treue, liebende Herzen 
Träumen den schönsten Traum.

Maria Stona

Maria Stona, geborene Maria Scholz (1861 – 1944), Dichter, Schriftstellerin, Sallonieré. Pseudonyme: Maria Stonawski, Maria Stona

Das Ungewitter

Er kommt, der Sturmwind heult ihn anzusagen

Das Ungewitter
(in der Nacht vom 31ten August 1761)

Er kommt, der Sturmwind heult ihn anzusagen,
Verhüllt in dicker Mitternacht,
Und auf dreytausend Feuerwagen
Zu uns herabgebracht!

Izt ist er da; der Herr des Weltgebäudes!
Hört ihn! sein Donner rollet schwer;
Der Umfang seines Wolkenkleides
Blizt Schrecken auf uns her.

Welch ein Geprassel! kommen seine Krieger
Mit ihm dahergefahren, so,
Wie zu der Schlacht, da vor dem Sieger
Das Höllenheer entfloh?

Izt stürzen ganze Ströme Kugeln nieder;
Gott schlägt den Weinstock, schlägt die Frucht
Des Baums, der wankend seine Glieder,
Zerrißne Aeste, sucht.

Der Hagel rauscht und weckt die Trunkenbolde,
Sie fahren auf, und stammeln: Gott!
Der Wuchrer zittert auf dem Golde;
Dem Freygeist wird sein Spott.

Von fürchterlichen Rednern wiedersprochen;
Gott sagt im Donner, wer er sey!
Und fährt an Sündern, ungerochen,
Im Brausen stark vorbey!

Gieb acht, Berlin! sein Zorn sezt, dir zu drohen,
Ein Dorf mit Blitzen in den Brand!
Glut warf er nieder; nackend flohen,
Ihr Leben in der Hand
.
Behaltend, aus den Hütten die Bewohner;
Ihr Kleid, ihr Brod wird aufgezehrt:
Und dich, dich findet der Verschoner
Noch seiner Nachsicht werth.

O! unter den von Stroh geflochtnen Dächern,
Wohnt minder Bosheit, als in dir!
Sagts, ihr Palläste! den Verbrechern:
Gott war im Wetter hier!

Da bebten unsre Wände; unsre Riegel,
Von Erz gegossen, sprangen loß;
Sag es, erschrockne Spree, und ihr, ihr Hügel!
Auf die er Feuer goß.

Sagts, ihr vom Sturm zerrißne hohe Fichten!
Ihr Eichen! sagts der Königs Stadt;
Daß, seinen Willen auszurichten,
Der Blitz Befehle hat.

Gott zieht die Hand voll Keile schnell zurücke;
Ihm muß der Sturm gehorchend stehn;
Er heißt den Krieg mit einem Blicke
Fort, wie das Wetter gehn!

Anna Luise Karsch

Anna Luise Karsch, geborene Dürbach (1722 – 1791), deutsche Dichterin, Schriftstellerin

Um Mitternacht

Um kecker rauschen die Quellen hervor

Um Mitternacht


Gelassen stieg die Nacht ans Land,
Lehnt träumend an der Berge Wand,
Ihr Auge sieht die goldne Waage nun
Der Zeit in gleichen Schalen stille ruhn;
Und kecker rauschen die Quellen hervor,
Sie singen der Mutter, der Nacht, ins Ohr
Vom Tage,
Vom heute gewesenen Tage.

Das uralt alte Schlummerlied,
Sie achtet's nicht, sie ist es müd;
Ihr klingt des Himmels Bläue süßer noch,
Der flücht'gen Stunden gleichgeschwungnes Joch.
Doch immer behalten die Quellen das Wort,
Es singen die Wasser im Schlafe noch fort
Vom Tage,
Vom heute gewesenen Tage.

Eduard Friedrich Mörike

Eduard Friedrich Mörike (1804 – 1875) deutscher Lyriker, Autor von Prosatexten, Pfarrer

aus: „Gedichte“ von Eduard Mörike. Verlag der J. G. Cotta’schen Buchhandlung, Stuttgart, 1867. Seite 184