Blumengruss

Bringt Veilchen mir, daß ich den Frühling schaue

Blumengruß

Bringt Veilchen mir, daß ich den Frühling schaue,
So lang des Maies zarte Kinder blühn -
Wie sind sie schöne im jungen Morgenthaue!
Bringt Veilchen mir, daß ich den Frühling schaue,
Bringt Blüten mir und junges Maiengrün!

Bringt Rosen mir, des Lenzes Haupt zu krönen,
Die Sanduhr rinnt, die Blüten sinken hin!
Bald wird des Sommers Scheidegruß ertönen!
Bringt Rosen mir, des Lenzes Haupt zu krönen,
Bringt Blumen mir, so lang die Blumen blühn!

Agnes Franz

Louise Antoinette Eleonore Konstanze Agnes Fransky (1794 – 1843)

Fern ist der Mond der Heimat

Aus dem dunklen Meere wächst der Mond herauf

Aus dem dunklen Meere wächst der Mond herauf,
in einem fernen, entfernten Land blüht er jetzt auch auf.
Die Liebe trauert ihren vergeblichen Traum, die Liebe trauert ihren Traum,
sie wartet, auf den entfernten Abend.

Klarer scheint jetzt der Mond in meinen Kummer.
Ich ziehe das Nachtgewand an, kühl ist der Reif.
Hände, meine Hände, wie leer seid ihr, 
das alles auszusprechen! -

Du Schlaf, gib mir einen Traum, du Schlaf, einen Traum gib mir 
über die Rückkehr nach Hause, über die Rückkehr heim, heim.
Schlaf, den Traum kannst du mir nicht geben --
weil meine Sehnsucht mich ununterbrochen weckt.

Chang Chiu-Ling

Chang Chiu-Ling (673 – 740), chinesischer Dichter, Politiker. Auch Zhang Jiuling; Chang Tiou-Lin; Dschang Giu Ling; Tchan-Tiou-Lind.

Und der Regen rinnt

Und der Regen rinnt, und der Regen rinnt…

Und der Regen rinnt

Und der Regen rinnt, und der Regen rinnt...
Ich denk im Dunklen an dich, mein Kind.
Hoch sind die Berge und tief ist das Meer,
mein Herz ist müd und sehnsuchtsschwer.
Und der Regen rinnt, und der Regen rinnt...
Warum bist du so fern, mein Kind?
 
Und der Regen rinnt, und der Regen rinnt...
Gott selbst hat uns getrennt, mein Kind.
Du sollst nicht Leid und Elend sehn,
sollst nicht auf steinigen Gassen gehn.
Und der Regen rinnt, und den Regen rinnt...
Hast du mich nicht vergessen, Kind?


Ilse wweber

Ilse Weber, geborene Herlinger (1903 – 1942, KZ Ausschwitz-Birkenau)deutsch-tschechische Schriftstellerin, Dichterin, Kindermärchenschreiberin.

Maler und Tierfreund

Ich hatte eine Landschaft in Öl gemalt

Maler und Tierfreund

Ich hatte eine Landschaft in Öl gemalt,
Und sie gefiel mir sehr:
Ein blauer Himmel, aus dem die Sonne wie Wonne strahlt,
Und darunter weites, ruhiges, grünes Meer.

„Einsame Sehnsucht.“


Danach fuhr ich irgendwo hin,
Um einen kleinen Affen zu erwerben,
weil ich ein Tierfreund bin.
Aber was einem die Tiere nicht alles verderben.


Wieder zu Haus, stieß ich aus einen Schrei,

Denn mein Bild war verhext.
Erstens hatte mein Papagei
Etwas Groteskes ins Meer gekleckst
Und das geradezu künstlerisch kühn.

Aber das Wasser selber war abgeleckt

Von meinem Wolfshund. Der lag vom Schweinfurter Grün
Vergifet am Boden, verreckt.

In den Himmel hatte sich eine Fliege geklebt,
Und zwar mir dem Rücken.

Die strampelte, wie man, wenn man Großes erlebt,

Mit den Beinen strampelt vor lauter Entzücken.

Und offenbar nicht minder beglückt

In ihrer Nähe
Hing auch mein Laubfrosch ans Bild angedrückt

Und tat so, als ob er die Fliege nicht sähe.

Da wollte mein Affe mit lautem Geschrei – – –
Doch ich band ihn fest. Und lächelte dann.
Wie gut, daß man bei der Ölmalerei
Alles noch übermalen kann.


Mit Phantasie das Gegebne fixiert –

Genie und Farbe und Lichter dick aufgetragen –
Schwarz, Weiß, Rot, Ocker mutig darübergeschmiert – – –
Ein schönes Bild, muß ich selber sagen,
„Mein Selbstporträt.“ 

Joachim Ringelnatz

Hans Bötticher (1883 – 1934), deutscher Dichter, Schriftsteller, Maler. Pinko Meyer, Fritz Dörry und Gustav Hester, Gustav Dörrig, Fritz Bötticher

An die Liebe

Alle suchen sie dich

An die Liebe

Alle suchen sie dich
und überall lockst du.
Aus tausend Verhüllungen schimmert
dein unenträtselt Gesicht.
Aber wenigen nur
gewährst du Erfüllung,
selige Tage, reines Glück.
Zärtlich wehn dich die Blumen,
die scheuen Gräser,
der Schmetterlinge heiterer Flug,
wilder der Wind
und das ewig sich wandelnde Meer.
Wunderbar strahlst du
aus den Augen des Menschen,
der ein Geliebtes
in seinen Armen hält,
vom tönenden Sternenhimmel überwölbt.
In die zitternde Seele
schweben Schauer
von Leben und Tod. 

Francisca Stoecklin

Francisca Stoecklin (1894-1931), Schweizer Schriftstellerin, Dichterin, Malerin, Erzählerin

Dem Gesandten der hohen Pforte, Asmi Achmet Effendi

In Stambul, in Berlin, am schwarzen Meer, am Belt

Dem Gesandten der hohen Pforte,
Asmi Achmet Effendi,
zum Andenken gewidmet*

In Stambul, in Berlin, am schwarzen Meer, am Belt,
Scheint Eine Sonne nur am hohen Firmament,
Und herrscht Ein Schöpfer nur. Ob ihr ihn Allah nennt,
Wir Gott; ob ihr für göttlich jene Schrift erkennt,

Wir diese, gilt ihm gleich, wenn jeder die nur hält,

Die er uns selbst ins Herz geschrieben:
Die Menschen alle brüderlich zu lieben.

Susanne von Bandemer

Susanne von Bandemer, geborene Susanne von Frencklin (1751-1828), deutsche Schriftstellerin, Dichterin

* Der erste noch unverbesserte Entwurf dieses Gedichtes, ward von einem meiner verehrungswürdigsten Freunde ins Türkische übersetzt, und von mir so getreu nachgeschrieben, daß es der Herr Gesandte in seiner eigenen Sprache lesen konnte. Ich füge hier die türkische Übersetzung, die buchstäblich getreu ist, bey, nebst meinem ersten Entwurfe.

„In Stambul, und am Spreegestade
Scheint Eine Sonne nur am hohen Firmament,
Und herrscht Ein Schöpfer nur. Ob ihr ihn Allah nennt,
Wir Gott, gilt gleich. Der Weise kömmt auf gleichem Pfade

Vor seinen Thron. Er hält, was ihm ins Herz geschrieben.

Die Menschen alle brüderlich zu lieben.“

Zugvögel

Das Vöglein in blauer Luft / Zugvögel

Vöglein in blauer Luft,
Hab' dich so gerne,
Schwebst über Meer und Kluft
Sanft wie die Sterne,
Hin, wo der Frühling blüht,
Trägst du dein schwellend Lied --
Grüß' mir die Ferne!

Wenn sich dein Flügel spannt 
Seligem Triebe, 
Fühlt sich das Herz verbannt, 
Wo ich auch bliebe -- 
Vöglein vergiß mir nicht, 
Was meine Sehnsucht spricht: 
Grüß' mir die Liebe!

Fliegst in die Welt hinein, 
Hörst nicht mein Flehen? 
Willst nicht mein Bote sein? 
Kannst nicht verstehen, 
Ob ich gelacht, geweint? 
Nun denn, Ade mein Freund, 
Laß mich vergehen!

Und eine andre Schaar 
Regt das Gefieder -- 
Ewig mir treu und wahr 
Bleiben die Lieder! 
Tragen den Gruß in's All,
Bringen des Himmels Schall 
Göttlich mir wieder!

Karoline Fidler

Karoline von Fidler (1801-1874), deutsche Dichterin. andere Namen: Karoline Winkler, Karoline Charlotte Schultz


Widmung

Ist die welt eurer hand auch an durft reich

Widmung

Das meer gibt die muscheln der düne ·
Das land gibt die wasser dem meer –
Viele sinds · doch ich gebe kühne
Gesänge als erstlinge her ·
Der wind nehme grünblatt und weissblatt 

Ohne früchte geschleuderte schar ·
Nehme weinblatt und rosblatt und geissblatt
Losflatternd vom haar.

Die nacht weht sie um mich in herden ·
Der tag treibt wie träume sie her.
Die zeit streut wie schnee sie auf erden
Und jagt sie in endloses meer.
Bleiche blätter fruchtlos getötet
Von flüchtigen jahren bedeckt ·
Die mit wein die mit blut angerötet
Die von tränen befleckt –

Die im staub mancher jahre verwittert
Die dem kind auf die hand sich gesezt ·
In stillgrünen plätzen vergittert
Gepflückt unter menschen erst jezt –
Auf meeren voll wundern · in schluchten ·
An nördliche felsen gestreift ·
In inseln wo myrten nicht fruchten
Und liebe nicht reift.

Ihr töchter von träumen und märchen
Die das leben noch immer nicht bannt:
Faustina Dolores und Klärchen
Julia und Amaranth!
Werd ich ewig euch suchen müssen
Wenn der schlaf · sei er wahr · sei er schaum ·
Zu mir kommt euch vergeblich zu küssen –
Ihr töchter vom traum?

Sie entwichen wie schlaf · wie auf gräsern
Der tau alter dämmrungen weicht ·
So schwach wie ein schatten auf gläsern ·
Wie ein lied wie ein windzug so leicht.
Nach der ebbe wie seewärts die wogen
Erfüllt mit der finsternis fliehn:
So die singvögel · die mich umflogen
Dem blick sich entziehn.

Toter jahre gesänge die jagen
Auf vernehmlicher worte flug ·
Lose blätter vom strandwind verschlagen ·
Unbändiger vögel zug.
Schon zur schulzeit mir manche gefielen
Die leicht so in ton wie in schwung –
Die jüngsten sind brüder von spielen ·
Die spätsten sind jung.

Ist ein schutz während langsam es schwindet ·
Ist ein ohr für ein fliehendes lied
Wie ein mann es zum harfenklang findet ·
Wie knaben es pfeifen im ried?
Ist ein platz in der welt die ihr gründet ·
Ist ein raum in dem land eurer pracht ·
Wo nicht wechsel mit schmerz sich verbündet
Und tag nicht mit nacht?

Ob vom seewind ihr flügel auch zittert ·
Habt ihr nicht einen raum für sie hier
Von grünenden flüssen umgittert
In lieblicher lüfte revier?
In feldern in turmigen mauern
Schutz bei regen und glühendem schein
Schönen wünschen und mildem bedauern
Und liebe ganz rein?

Im lichtland von märchen und farben –
Die stunden drehn schattenlos um –
Wo das feld voller prächtiger garben
Und tönender blumen gesumm ·
Im wald wo der lenz halb verdüstert
Sein sehnend errötend gesicht ·
Beim quell der für liebende flüstert:
Empfangt ihr sie nicht?
Der sorge singvögel die gurren
Ihr lied wie zum feuer der dunst ·
Der wünsche sturmvögel die murren
Laut-flatternd im winde der brunst ·
In dem windlauf – legt sich sein wüten –
Zu der see fern vom lichte gebraust ·
Geschüttelt im dunkel wie blüten
Nacheinander zerzaust.

Ist die welt eurer hand auch an duft reich
Und lieblicher hehrer erfüllt ·
Süss durch kunst mit dem warm-weichen luft-reich
Ihrer schwebenden schwingen umhüllt:
Lasst sie ein · unbeschwingte · verblasste ·
Alter liebe zu lieb – altem tag
Und empfangt in dem bilder-palaste
Dies reime-gelag.

Ob die menschliche zeit voll verzichten
Die jahre der jugend auch leert ·
Widersteht doch ein ding dem vernichten:
Nie hat wechsel die treue versehrt.
Hoffnung stirbt und ihr tod lässt uns wissen ·
Ihr glück wie ihr leiden entschwand ·
Eh die zeit – allzerreissend – zerrissen
Um freunde das band.

Vergehn auch in ein licht die vielen:
Ist vom himmel zu hoffen erlaubt –
Wenn vor wolken die strahlen auch fielen ·
Ist die welt auch der sonne beraubt:
Sie hat mond und hat schlaf zum bescheide ·
Sinkt bräutlich und frisch – eine fee –
Mit sternen und seewind im kleide
Die nacht auf die see.


 Algermon Charles Swinburne

Algermon Charles Swinburne (1837 – 1909) englischer Dichter, Schriftsteller Dramatiker

Die Stadt im Meer

Aber siehe da, ein Aufsehen in der Luft

Die Stadt im Meer

Lo! Der Tod hat sich selbst einen Thron geerdet
In einer fremden Stadt liegend
Weit unten im trüben Westen,
Wo die Guten und die Schlechten und die Schlechtesten und die Besten
Sind sie in ihre ewige Ruhe gegangen.
Dort Schreine und Paläste und Türme
(Zeitfressende Türme und zittern nicht!)
Erähne nichts, was uns gehört.
Umherzuheben, indem man die Winde vergaß,
Unter dem Himmel ausgetreten
Das melancholische Wasser liegt.

Keine Strahlen vom heiligen Himmel kommen herab
In der langen Nacht dieser Stadt;
Aber Licht aus dem reißerischen Meer
Die Türme leise strömt
Gleams die Gipfel weit und frei
Up domes-up spires - up kingly halls
Up fanes - up Babylon-ähnliche Wände
Auf schattenhafte längst vergessenen Bowers
Von skulpturalen Efeu und Steinblumen
Viele und viele ein herrlicher Schrein
Deren gekleidete Frieszes intertwine
Die Brühe, das Veilchen und die Rebe.
Unter dem Himmel ausgetreten
Das melancholische Wasser liegt.
So mischen Sie die Türme und Schatten dort
Das alles scheint in der Luft steckend zu sein,
Aus einem stolzen Turm in der Stadt
Der Tod sieht gigantisch niedergeschlagen aus.

Es öffnen Sie Ventilatoren und klaffende Gräber
Gähne mit den leuchtenden Wellen;
Aber nicht der Reichtum, der da lügen
In jedem Idol diamant eye
Nicht der Täglich-Jewelled-Tod
Das Wasser aus dem Bett stoßen;
Für keine Wellenkräuselung, leider!
Entlang dieser Wildnis des Glases
Keine Schwellungen sagen, dass Winde sein können
Bei einem fernen, glücklicheren Meer
Kein Hebeweis deutet an, dass Winde waren
Auf den Meeren weniger scheußlich heiter.

Aber siehe da, ein Aufsehen in der Luft!
Die Welle – da ist eine Bewegung!
Als hätten die Türme beiseite gestoßen,
Im leicht sinkenden Blatt
Als ob ihre Tops schwach gegeben hätten
Eine Leere im filmischen Himmel.
Die Wellen haben jetzt ein röteres Glow
Die Stunden atmen schwach und niedrig
Und wenn in keinem lauen Stöhnen,
Unten, unten soll sich die Stadt also anlegen,
Die Hölle, die von tausend Thronen erhebt,
Soll es Ehrfurcht tun.

Edgar Allan Poe

Edgar Allan Poe (1809 – 1849) US-amerikanischer Schriftsteller, Dichter

The Glacier

The mountain have a peace which non disturb

The Glacier

The  mountains have a peace which none disturb ; The stars and clouds a course which none restrain;

The wild sea- waves rejoice without a curb, And rest without a passion ; but the chain

Of Death, upon this ghastly-cliff and chasm,
Is broken evermore, to bind again,
Nor lulls nor looses. Hark ! a voice of pain

Suddenly silenced ; a quick-passing spasm, That startles rest, but grants not liberty -
A shudder, or a struggle, or a cry -

And then sepulchral stillness. Look on us,
God ! who hast given these hills their place of

 pride,

If Death s captivity be sleepless thus, For those who sink to it unsanctified.

John Ruskin

John Ruskin (1818 – 1900) , englischer Maler, Philosoph Schriftsteller, Dichter, Sozialreformer, Kunsthistoriker, -kritiker