Wenn du nicht geschickt genug bist, einen Mann, der aus dem Fenster springt, in der Zeit zu skizzieren, die er braucht, um aus dem vierten Stock auf den Boden zu fallen, wirst du nie in der Lage sein, große Werke zu schaffen.
Eugène Delacroix
Ferdinand Victor Eugène Delacroix (1798 – 1863), französischer Maler
An ***
bey der Übersendung einer Haarlocke
Die stolze Majestät des Löwen zu bezwingen,
Muss keine Kette ihn umschlingen;
Verachtend sprengt er sie. – Ein Faden fesselt ihn,
Und willig wird er Amors Wagen ziehn, -
Der Liebe süssgepries'ne Bande
Sind, leider! zu Cytherens Schande,
Nicht immer süss – und Blumenketten rar.
Doch ich, mein Trauter, fess'le gar
Den Mann der Liebe an ein – Haar -!
Susanne von Bandemer, geborene Susanne von Frencklin (1751-1828), deutsche Schriftstellerin, Dichterin
aus: „Neue vermischte Gedichter“ von Susanne von Bandemer. Berlin, 1802. Ihrer Majestät der Königinn von Preussen Luise erfurchtsvoll gewidmet. Seite 40
Waldhexe
»Du, meine Sinne sind wild nach dir –
nichts fühl ich, als das tolle Verlangen,
daß du nur einmal am Halse mir
selig-gekreuzigt möchtest hangen!«
»Dann will ich dich küssen im taumelnden Rausch,
glühend – bis deine Lippen bluten,
bis im glückseligen Wonnetausch
auflodern all die verhaltenen Gluten!«
*
Das Hexenweib lag am Felsenschacht
und blickte hinauf zu den Höhn;
sie seufzte so wild in die herbstliche Nacht
und klagte ihr Sehnen dem Föhn.
Und der Föhn, der trug es weit fort ins Land
und erzählte von ihrer Qual
dem wogenumbrandeten Meeresstrand
und den murmelnden Quellen im Tal.
Der erzählte: Da unten im Zauberwald
haust eine verwunschene Fei,
allnächtlich vernehm ich der Huldgestalt
wahnsinnigen Sehnsuchtsschrei.
Ich höre die Worte, die sie spricht,
in atemverhaltendem Lauschen,
seh, wie sie wankend zusammenbricht,
wenn im Dickicht die Zweige rauschen.
Und ich seh eine nordische Reckengestalt
im Mondlicht, dem totenblassen,
die sie an sich preßt mit Titanengewalt
im tollen selgen Umfassen.
Dann wird es lebendig im stillen Grund,
dann weichen die Nebelschleier,
dann saugt sich die Teuflin ihm fest an den Mund,
dämonisch mit Höllenfeuer –
Und sie schluchzt: »Was weißt du von meinem Begehr,
und daß ich nach dir fast verschmachtet,
daß ich deiner geharrt, mein Pfühl blieb leer –
Komm, teil ihn mit mir, wenn es nachtet ...
Teil alles mit mir, was ich geben kann,
was mein in der Hölle, auf Erden –
Du sollst noch heut der glückseligste Mann
in meinem Zauberwald werden!
Meinen schimmernden Perlenschmuck wirst du mir
in die wallenden Locken binden,
und Seide vom Indusstrand wollen wir
um die schlanken Glieder uns winden.
Laß meiner Zähne aufleuchtendes Weiß
in die nackte Brust sich dir graben,
laß dich küssen, – küssen so glühend heiß,
ich muß, ich will dich ja haben! ...
Mit lechzenden Lippen will ich heut Nacht
deine schäumende Jugendkraft trinken,
bis goldig im Osten das Frührot erwacht,
und taumelnd zu Füßen dir sinken.
Und du lösest mit wollustbebender Hand
meine Haare, die goldig-roten,
die wallen hernieder auf mein Gewand,
als wenn feurige Schlangen lohten.
Und ich werfe mich über mein Lager hin,
bebend vor tollem Begehren ...
So sehnsuchtsdurchglüht war noch nie mein Sinn,
du, – heut will ich nichts dir verwehren!«
*
»Dein eigen bin ich im Liebesrausch
so ganz, bis die Sinne dir schwinden –
du sollst im wahnsinngen Wonnetausch
die Seligkeit bei mir finden ...
Komm, laß mich endlich an deiner Brust,
einschlummern, wenn es nachtet,
ich hab, wie kein Weib sonst, nach dir in Lust
heimlich – glühend geschmachtet!«
*
»Jetzt hab ich dich endlich, jetzt bist du mein,
doch bald deckt Frührot die Halde –
und ich weiß es: Beim dämmernden Morgenschein
mußt du fort von mir und läßt mich allein,
verwunschen im Zauberwalde!«
Else Galen-Gube
Elisabeth Galen-Gube, geborene Galen(1869-1922), deutsche Schriftstellerin, Dichterin. Pseudonym: Else Galen-Gube
aus: „Aus dem Leben und den Träumen eines Weibes – Gedichte von Else Galen-Gube. Verlag von Hermann Seemann Nachfolger, Leipzig, 1903. Die Hexen und andere Balladen. Waldhexe
Widmung
Das meer gibt die muscheln der düne ·
Das land gibt die wasser dem meer –
Viele sinds · doch ich gebe kühne
Gesänge als erstlinge her ·
Der wind nehme grünblatt und weissblatt
Ohne früchte geschleuderte schar ·
Nehme weinblatt und rosblatt und geissblatt
Losflatternd vom haar.
Die nacht weht sie um mich in herden ·
Der tag treibt wie träume sie her.
Die zeit streut wie schnee sie auf erden
Und jagt sie in endloses meer.
Bleiche blätter fruchtlos getötet
Von flüchtigen jahren bedeckt ·
Die mit wein die mit blut angerötet
Die von tränen befleckt –
Die im staub mancher jahre verwittert
Die dem kind auf die hand sich gesezt ·
In stillgrünen plätzen vergittert
Gepflückt unter menschen erst jezt –
Auf meeren voll wundern · in schluchten ·
An nördliche felsen gestreift ·
In inseln wo myrten nicht fruchten
Und liebe nicht reift.
Ihr töchter von träumen und märchen
Die das leben noch immer nicht bannt:
Faustina Dolores und Klärchen
Julia und Amaranth!
Werd ich ewig euch suchen müssen
Wenn der schlaf · sei er wahr · sei er schaum ·
Zu mir kommt euch vergeblich zu küssen –
Ihr töchter vom traum?
Sie entwichen wie schlaf · wie auf gräsern
Der tau alter dämmrungen weicht ·
So schwach wie ein schatten auf gläsern ·
Wie ein lied wie ein windzug so leicht.
Nach der ebbe wie seewärts die wogen
Erfüllt mit der finsternis fliehn:
So die singvögel · die mich umflogen
Dem blick sich entziehn.
Toter jahre gesänge die jagen
Auf vernehmlicher worte flug ·
Lose blätter vom strandwind verschlagen ·
Unbändiger vögel zug.
Schon zur schulzeit mir manche gefielen
Die leicht so in ton wie in schwung –
Die jüngsten sind brüder von spielen ·
Die spätsten sind jung.
Ist ein schutz während langsam es schwindet ·
Ist ein ohr für ein fliehendes lied
Wie ein mann es zum harfenklang findet ·
Wie knaben es pfeifen im ried?
Ist ein platz in der welt die ihr gründet ·
Ist ein raum in dem land eurer pracht ·
Wo nicht wechsel mit schmerz sich verbündet
Und tag nicht mit nacht?
Ob vom seewind ihr flügel auch zittert ·
Habt ihr nicht einen raum für sie hier
Von grünenden flüssen umgittert
In lieblicher lüfte revier?
In feldern in turmigen mauern
Schutz bei regen und glühendem schein
Schönen wünschen und mildem bedauern
Und liebe ganz rein?
Im lichtland von märchen und farben –
Die stunden drehn schattenlos um –
Wo das feld voller prächtiger garben
Und tönender blumen gesumm ·
Im wald wo der lenz halb verdüstert
Sein sehnend errötend gesicht ·
Beim quell der für liebende flüstert:
Empfangt ihr sie nicht?
Der sorge singvögel die gurren
Ihr lied wie zum feuer der dunst ·
Der wünsche sturmvögel die murren
Laut-flatternd im winde der brunst ·
In dem windlauf – legt sich sein wüten –
Zu der see fern vom lichte gebraust ·
Geschüttelt im dunkel wie blüten
Nacheinander zerzaust.
Ist die welt eurer hand auch an duft reich
Und lieblicher hehrer erfüllt ·
Süss durch kunst mit dem warm-weichen luft-reich
Ihrer schwebenden schwingen umhüllt:
Lasst sie ein · unbeschwingte · verblasste ·
Alter liebe zu lieb – altem tag
Und empfangt in dem bilder-palaste
Dies reime-gelag.
Ob die menschliche zeit voll verzichten
Die jahre der jugend auch leert ·
Widersteht doch ein ding dem vernichten:
Nie hat wechsel die treue versehrt.
Hoffnung stirbt und ihr tod lässt uns wissen ·
Ihr glück wie ihr leiden entschwand ·
Eh die zeit – allzerreissend – zerrissen
Um freunde das band.
Vergehn auch in ein licht die vielen:
Ist vom himmel zu hoffen erlaubt –
Wenn vor wolken die strahlen auch fielen ·
Ist die welt auch der sonne beraubt:
Sie hat mond und hat schlaf zum bescheide ·
Sinkt bräutlich und frisch – eine fee –
Mit sternen und seewind im kleide
Die nacht auf die see.
Algermon Charles Swinburne
Algermon Charles Swinburne (1837 – 1909) englischer Dichter, Schriftsteller Dramatiker
aus: „Zeitgenössische Dichter, Erster Teil: Rossetti, Swinburne, Dowson, Jacobsen, Kloss, Verwey, Verhaeren“ Gesamtausgabe der Werke, Band 15. von Stefan George. Übertragung von Stefan George. Berlin, 1929. England. Lieder und Balladen. Seite 27 – 31
Häxridt
Två häxor flyga fram med hast.
Håll fast, håll fast,
du unga lärling, vid din kvast!
Din gudmor rider, trygg och tjock,
framför dig på sin timmerbock.
I väster står en sotröd rand,
som facklors brand
vid portarna till ondskans land.
Det är en natt med traneskri,
förbi, förbi
far vindens rappa melodi.
Den unga suckar, kvävd och trängd
i djupet av sin sjuka själ:
»Nu, hem och sol och Gud, farväl!«
Den gamla tar sitt smörjehorn
och ger sin häst förnyad kraft
av dunkla blomsters saft.
»Sträck ut, sträck ut, tag noga korn
på klockans glugg i kyrkans torn!«
En stormil tar dem i sin krets,
men högt i skyn på tornets spets
står korset, tindrande i frid,
och bådas klädnad rör därvid.
Då far den gamla med ett skrik
till marken som ett kolnat lik,
ett urtömt skal, en usel rest
av skam och smuts och pest.
Den unga drivs som av en stöt
mot morgonens betäckta sköt.
Till jorden under hennes fot
det sjunker som ett moln av sot;
det är den svåra synd hon tänkt.
Men stjärnbeblänkt
hon styr sin ban
mot månens gula påsktulpan,
och kärven mellan hennes knän
slår ut som blom på videträn.
Som på en sky av stråligt ris
hon seglar friskt för vårlig bris
till paradis.
Tranbrev
Mästaren stod på stranden,
höll ett brev i handen,
tänkte med djup, gudomlig håg
på Betanias stilla by.
Vem ibland drängar alla
skulle som bud han kalla?
Då såg han upp och vinkade ner
en susande fågel ur sky.
»Trana, hör vad jag säger!
Vingar och ben du äger,
löp över träsk och flyg över berg
med min himmelska tankes ord.«
Tranan, stolt och förveten,
stöter se'n dess i trumpeten,
far med ståt i sin purpurhatt
som kurir mellan himmel och jord.
Se, nu kommer tranan,
tranan kommer från Kanan,
söker sig hit till sin nord igen,
sitt kärr, sina frostiga bär.
Hör du tranan skria,
öppna ditt fönster, Maria,
lyssna och tänk en bebådelsenatt
på den som dig rätt har kär.
Rent som med sol på driva
ville min längtan jag skriva,
sända den bort till din fjärran trakt
med det ädlast betrodda bud.
Hör du hornet i blåsten
tänk: Nu kommer posten.
Vänta, du grå postiljon, och bär
tillbaka min hälsning med Gud!
Erik Axel Karlfeldt
Erik Axel Karlfeldt (1864 – 1931), schwedischer Lyriker, Nobelpreisträger
aus: „Flora och Bellona: dikter“ (Erik Axel Karlfeldt Blumen und Bellonna, Gedichte) von Erik Axel Kaerlfeldt. Vderlag: Stockholm, Wahlström & Widstrand, 1918. PÅSKLEGENDER. Seite 77 – 79
XXI.
An die schöne Blume Susanna
1.
Keine Lilie scheint so weiß/
Du hast noch viel schönern Preiß/
Meine Lilie/ deine Zier/
Geht den schönsten Blumen für.
2.
Weiß ist deine Stirn/ dein Hals/
Deine Zähnlein gleiches falls/
Weiß und roth die Wängelein/
Schöner als die Rosen seyn.
3.
Rosenfarbicht ist der Mund/
Lilienweiß das schöne Rund/
Das sich in zwey Berglein gibt/
Das man für zwo Welt beliebt/
4.
Jedes Rund hat mitten inn
Einen köstlichen Rubin/
Der von Milch und Honig fliesst/
Und den Nectar selbst versüsst.
5.
Lilienweiß sind Arm und Hand/
Mehrers ist mir nicht bekandt/
Da fällt gantz kein Zweiffel ein/
Es werd auch der Rest so seyn.
6.
Wo die Berge blumicht stehn/
Kan der Thal nicht minders sehn/
Dann je näher nach dem Fluß/
Je geblühmter ist der Fuß.
7.
O was Lust hat so ein Mann/
Der ihm also betten kan/
Daß sein Liebermattes Blut/
Nur auff Ros- und Lilgen ruht.
8.
Blühet immer Tag und Nacht/
O ihr Ros- und Lilgen Pracht/
Gehet immer mit der Zier/
Allen Ros- und Lilgen für.
9.
Was ich mier davon begehr/
Ist mier viel/ doch dir nicht schwer/
Lasse mich doch nur allein/
Einer Rosen fähig seyn.
10.
Fragestu/ O meine Zier/
Welche Rose dienet dir?
O mein Lieb was fragstu viel/
Weistu nicht was Liebe wil?
Georg Greiflinger
Georg Greiflinger (1620 – 1677), deutscher Dichter, Zeitchronist, Zeitungsredakteur. Pseudonym Celadon, Seladon
aus: „Georg Greifflingers Poetische Rosen und Dörner / Hülsen und Körner,“ Hamburg gedruckt im Jahr 1655. XXI., Seite 44 -45
Das Lied im Herzen
In meinem Herzen wohnt ein Lied,
Das brächt ich gern heraus;
Es neckt und nagt und drückt und zieht,
Und wähnt zu sein ein freies Lied,
Und bleibt doch stets zu Hauf'!
Und lausch' ich ihm, so kommt mir's vor,
Als säng's mit leisem Ton
Den Grazien, den Musenchor,
Und dem Apollo selbst in's Ohr,
Der holden Liebe hohn.
Die holde Liebe leckte mich
In ihrem Myrrthenhain,
Und lie´darin den Mann, - der sich
In ihr geheimstes Läubchen schlich,
Und mich, - nicht glücklich sehn!
J. W. L. Gleim
Johann Wilhelm Ludwig Gleim (1719-1803) deutscher Dichter, Sekretär, Fabeldichter, Schriftsteller, Aufklärer
aus: „Johann Wilhelm Ludwig Gleim – “ von Johann Wilhelm Ludwig Gleim. Herausgegeben durch Wilhelm Körte (1776 – 1846). Zweites Band. Verlag: im Büreau für Literatur und Kunst, Halberstadt, 1811. Lieder, Seite 18
Geschichte des arabischen Sprichworts:
Wir können nur geben, was wir empfangen haben
Es war ein Mann, der wollte
Von seinem Weibe Knaben;
Zu seinem Ärger sollte
Er lauter Mädchen haben.
als sie das erste brachte,
Ertrug er's noch geduldig;
Als sie's nicht besser machte,
Zeigt' er sich schon ungeduldig.
Und als sie's tat zum dritten,
Wollt' er nicht länger leiden,
Was er so lang gelitten,
Und drohte, sich zu scheiden.
Da sprach sie: Für mein Leben
Gäb' ich dir gerne Knaben;
Wir können doch nur geben,
Was wir empfangen haben.
Friedrich Rückert
Freimund Raimar (1788 – 1866),, deutscher Dichter, Lyriker und Übersetzer arabischer, hebräischer, indischer, persischer und chinesischer Dichtung
aus: „Erbauliches und Beschauliches aus dem Morgenlande“ von Friedrich Rückert. Verlag von Gustav Bethke, Berlin , 1837 Seite 71 – 72