Ein Hochzeitslied

Ein Hochzeitslied

1.
"Ein Täubchen seltnen Werths,
Von hoher Lieblichkeit!
Ach, warum wendet sie
Von mir sich ab so weit?
In meinem Herzen wär'
Für sie ein Zelt bereit."

2.
"Sie fing mein armes Herz
Durch ihres Zaubers Macht,
Sie blendet mir das Aug'
Durch ihrer Farben Pracht,
Nicht Gold begehr' ich, nur
Daß süß ihr Mund mir lacht.

3.
Die Wangen Rosen gleich,
D'ran pflücken meine Augen,
Die Lippen glühend heiß,
Möcht' doch an ihnen saugen,
Der Locken schwarze Schatten
Mit Morgenlicht sich gatten."

4.
So sprach mein Freund, noch nicht
Von Frauenhuld beglückt;
Sei Freundin ihm, er sei
Durch Deine Huld erquickt,
Daß nicht die Einsamkeit
Ihn ferner niederdrückt.

5.
Nun wohl, die Zeit ist da,
Von Liebeswonn' erfüllt,
Bald werdet ihr geeint,
Das Sehnen euch gestillt.
Ach, naht' auch meinem Volk
Erlösungszeit so mild!


Jehuda ha-Levi

Original von Jehuda ben Samuel ha-Levi (1074 – 1141), sephardischer Arzt und Philosoph, hebräischer Dichter

Übersetzer: Abraham Geiger (1810 – 1874), deutscher Rabbiner Historiker, Gründer des Reformjudentums, Übersetzer, Schriftsteller

Der gehaschte Schmetterling

Jüngst lag ich am Quellenrande

Der gehaschte Schmetterling
1796

Jüngst lag ich am Quellenrande
Unterm kühlen Pappelschatten.
Sorgenfrei war meine Seele,
heiter, wie des Baches Spiegel.
Um mich schwebten Schmetterlinge,
Wiegten sich auf Blumenkronen
Und beschauten sich im Bache.
Ich betrachte sie lächelnd,
Und mit ruhigem Vergnügen
Schaute bald mein Blick das leichte
Schweben, bald das Spiel der Farben
In den zarten Aetherflügeln.
Sieh da kam ein kleiner Knabe,
Blauer Wassernymphen jagend,
Welche scherzend vor ihm flohen,,
hinter mir aus dem Gesträuche.
keuchend stand er den mir stille,
Warf die blonden Ringellocken
Aus den vollen Gluthenwangen,
Und den süßen Schelmenaugen.
"Ach die schönen Schmetterling"
Rief er, "die dich hier umflattern!"
"Welche Luft, die Iris Gürtel,
"Und den Glanz der Perlenaugen
"Ihrer Fittig', in der Nähe
"Recht nach Muße zu berachten,
"Diese Flattrer fest zu halten!"
Er erregte meine Sehnsucht:
Ich erkohr mir mit den Augen
Den, der mich der schönste hauchte,
Und verließ mein sanftes Lager
Um den Flüchtigen zu fangen.
Aber immer lockend floh er
Vor mir her in kurzen Flügen,
Lockte mich vom Quell der Ruhe
Weit hinweg, in bange Wüsten.
Athemlos und müde folt' ich;
Endlich setzt auf einer Distel
Er sich fest; mit beiden Händen
Durch die Dornen nach ihn tappend,
hascht' ich ihn mit wunden Fingern.
Aber ach! nunmehr gewahrt' ich,
Daß sein ganzer Reiz nur Staub war,
Farbenstaub, den Zephnr abhaucht,
Den der Strahl der Sonne bleichet,
Der im Fangen sich verwischte.
Als ich nun die Täuschung wahrnahm,
kam die Weisheit mir zurücke,
Und ich gab den trügerischen
Buttervogel selbst den Winden,
Und mit ihm auch jede Sorge,
Jeden Wunsch und jede Sehnsucht.
Sucht wieder meinen Quell auf
Unterm kühlen Pappelschatten;
Und nun wird der lose Knabe,
Wolle er nochmals mich verführen,
Wenn er noch so schmeichelnd lockte,
Nimmermehr von ihm mich fernen.

Theone und Nina

Mariechen

Ich schaute ganz wie Du als Kindlein aus

Mariechen
 
Ich schaute ganz wie Du als Kindlein aus,
Nur etwas bleicher waren meine Wangen
Und wurden roth wie Deine, wenn im Haus
Wir polternd über Tisch und Stühle sprangen.
 
Die Augen waren auch so blau und rein,
Die Locken fielen d'rauf wie gold'ne Fädchen,
Doch liebte Niemand mich, als ich noch klein -
So innig wie ich Dich, Du kleines Mädchen!


Ada Christen

Christiana von Breden, geborene Friederik (1839 – 1901), österreichische Dichterin, Schriftstellerin. Bekannt auch als Ada Carla, Christine von Neupauer, Satanella

Das schlafende Kind

Wie reizend schlummert da der Engel

Das schlafende Kind.

Wie reizend schlummert da der Engel!
Ein Aermchen dort, das andre hier,
Scheints nicht, als wär' es ohne Mängel
Und ohne irdische Begier?

Kein Sorgenzug in seinen Mienen!
Wem dünkt es nicht, es müssen ihm
Die Unschuld und der Friede dienen?
Wo lauschet hier ein Ungestüm?

Die Seele schwebt im Stirnenlichte,
Schon, wie des Himmels Heiterkeit,
Und um das rosige Gesichte
Sind goldne Locken hergestreut.

Die holden Augen, die im Wachen
Mit ihrem Schimmer mich erfreun,
Man sieht sie noch im Schlafe lachen;
Wie könnten die doch schädlich seyn?

Wie reizend sind die zarten Glieder?
Ihr kleinstes Regen hat den Ton
Der geistesvollen Herzenslieder;
Ein Fingerchen bezaubert schon.

Jetzt wird's erwachen, wird nicht wissen,
Warum so lieblich es erwacht,
Warum ich's hundertmal muß küssen,
Warum es schön ist ohne Pracht?

Es wird an meinen Busen glühen,
Und eher noch, als seinen Thee,
Den Kuß der Mutter in sich ziehen,
Süß, wie den Bienen junger Klee.

Doch Stürme ruhen in dem Herzen,
Das jetzt noch keine Wünsche kennt,
Begierden schlummern noch und Schmerzen,
Worin oft eine Hölle brennt! —

O bliebe doch der Mutter Liebe
Dir stets, was heute sie dir ist!
Nicht Eine Wolke scheint dir trübe,
Wenn du in meinen Armen bist.

O möchte nie dein Herz dir lachen,
Beim Anschaun aller Erdenpracht!
Dir keine Leidenschaft erwachen,
Die dich nicht ewig glücklich macht

Caroline Louise von Klencke 

Caroline Louise von Klencke (1754 – 1802), deutsche Dichterin, Schriftstellerin