Du bist zum Genuss geschaffen

wodurch du nichts anderes als Freude gewinnen kannst

Du bist zum Genuss geschaffen, und die Welt ist voller Dinge, die du genießen wirst, sofern du nicht zu stolz bist, dich an ihnen zu erfreuen, und zu gierig, dich um etwas zu kümmern, wodurch du nichts anderes als Freude gewinnen kannst. Denke daran, daß die schönsten Dinge in der Welt die nutzlosesten sind: Pfauen und Lilien.


John Ruskin

John Ruskin (1818 – 1900) , englischer Maler, Philosoph Schriftsteller, Dichter, Sozialreformer, Kunsthistoriker, -kritiker

Unter Myrtenzweigen

Du blickst dein Verlangen

Unter Myrtenzweigen
Beim Rieseln der Quelle
Und der Nachtigall Lied,
Auf sanftem Rasen
Durchwirkt mit Blumen,
Im duftenden Hain,
Gebogen die Äste
Von goldener Frucht
Und silberner Blüte,
Wo ewig blau der Himmel,
Ewig lau die Lüfte
Dich umwehen –

Das Mädchen im leichten Gewand
Tanzet den bunten Reihen,
Bricht die labende Frucht,
Schöpfet vom Quell.
Am Felsen ein Hüttchen
Mit weniger Habe,
Dort ruht es die Glieder
Auf reinlichem Lager.

Du blickst dein Verlangen
Ihr tief in das Herz,
Sie hat dich verstanden,
Und teilet die Glut.
Nichts wehrt dir die Küsse
Auf Lippen und Wangen;
Lilien und Rosen,
Blüten und Knospen,
 Alles ist dein.

Leicht wie der Westwind,
Scherzend wie er,
Berührst du die Blumen,
Und fliehest vorüber,
Schonend der zarten.
Wer fürchtet da Neid?
Wen lockt der Ruhm?
Zürnet die Mutter?
Das Lächeln kann sie
Doch nicht verbergen;
Denn eigne süße Schuld
Ruft die Tochter
Zurück ihr ins Herz.

Dorothea Schlegel

Dorothea Friederike Schlegel (1764 – 1839), deutsche Schriftstellerin, Literaturkritikerin

Liebe

Die Rose, die Lilie, die Taube, die Sonne,
Die liebt' ich einst alle in Liebeswonne.
Ich lieb' sie nicht mehr, ich liebe alleine
Die Kleine, die Feine, die Reine, die Eine;
Sie selber, aller Liebe Bronne,
Ist Rose und Lilie und Taube und Sonne.

Heinrich Heine

Christian Johann Heinrich Heine (Harry Heine), (1797 – 1856), deutscher Dichter und Romancier, ein Hauptvertreter des Jungen Deutschland, Begründer des modernen Feuilletons