Ohne Liebe ist keine Freude Kan die Welt auch wohl bestehen ohn der Sonnen klahres Liecht? kan man in der Nacht auch sehen / wenn da Stern und Mond gebricht? kan ein Schiffman auch wohl lachen wenn sein Schiff begündt zu krachen? Eben wenig kan ich leben / wenn mir meine Dorile / nicht ihr klares Liecht wil geben; Eben wenig ich besteh / wenn sie nicht mein Schiff regieret / und durch ihre Freundschafft führet. Springt ein Rehbock bey der Mutter / mehr nicht / als er sonsten tuht? hat ein Pferd bey vollem Futter / auch nicht einen frischen Muht? Also kan ich besser leben / wenn ihr Liecht mir wird gegeben. Zweyen Herzen / die sich lieben / ist die allerhöchste Pein / und das grösseste Betrüben / wenn sie nicht zusammen sein / weil sie sonsten nichts gedencken / alß nur Arm in Arm zu schrenken. Wie die Ulmen üm den Reben gleichsam als verliebt sich drehn: Also wündsch ich auch / mein Leben / bey dir umgefast zu stehn / und dir etwas vor zusagen von den süssen Liebes=Plagen. Darüm wil ich mich bemühen auff mein Fretow hinzuziehn / und mein Leben selbst nicht fliehen / weil ich sonst erstorben bin / alß denn wird sie mich erfreuen / und mir meinen Geist verneuen. Darüm wil ich gerne lassen der Tollense Liebligkeit / wil mein Leben selbst nicht hassen / weil es nuhr erlaubt die Zeit; weg mit disen schlechten Auen / ich wil bald mein Fretow schauen. Sibylle Schwarz
Sibylla Schwartz (1621-1638), deutsche Dichterin
aus: „Sibylle Schwarzin Vohn Greiffswald aus Pommern Deutsche Poëtische Gedichte“ von Sibylle Schwarz, posthum 1650. Seite 60 – 61