Ich werde auf dieser Welt nur einmal wandern. Wenn ich etwas Gutes tun oder einem menschlichen Wesen oder stummen Tier etwas Liebes erweisen kann, soll es daher gleich geschehen.
John Galsworthy
John Galsworthy (1867 – 1933), englischer Schriftsteller, Romanautor, Dramatiker. Nobelpreis für Literatur 1932.
Deine Liebe hat mich beschlichen
Deine Liebe hat mich beschlichen,
Wie der Frühling die Erde,
Wann der Winter nun ist entwichen,
Kaum merkt sie, daß warm es werde.
Aber der Sonne heimliche Kraft
Hat schon das Herz ihr gerühret,
In der Wurzel regt sich der Saft,
Noch ehe der Zweig es spüret.
Der Schnee zerschmilzt, die Wolken zergehn,
Die erste Blüt' ist entglommen,
Dann sieht sie in voller Glut sich stehn
Und weiß nicht, wie es gekommen.
Friedrich Rückert
Freimund Raimar (1788 – 1866),, deutscher Dichter, Lyriker und Übersetzer arabischer, hebräischer, indischer, persischer und chinesischer Dichtung
aus: „Liebesfrühling“ von Friedrich Rückert. Verlag: J. D. Sauerländer’s Veralg, 1880. Erster Strauß, Erwacht. Viii.. Seite 10
Du meine Seele, du mein Herz
Du meine Seele, du mein Herz,
Du meine Wonn', O du mein Schmerz,
Du meine Welt, in der ich lebe,
Mein Himmel du, darein ich schwebe,
O du mein Grab, in das hinab
Ich ewig meinen Kummer gab!
Du bist die Ruh', du bist der Frieden,
Du bist der Himmel mir beschieden.
Daß du mich liebst, macht mich mir wert,
Dein Blick hat mich vor mir verklärt,
Du hebst mich liebend über mich,
Mein guter Geist, mein bess'res Ich!
Friedrich Rückert
Freimund Raimar (1788 – 1866),, deutscher Dichter, Lyriker und Übersetzer arabischer, hebräischer, indischer, persischer und chinesischer Dichtung
aus: „Liebesfrühling“ von Friedrich Rückert. Verlag: J. D. Sauerländer’s Veralg, 1880. Erster Strauß, Erwacht. III. Seite 6
CANTATA
ARIA.
Hoffe nur, geplagtes Herze!
Daß der Himmel nach dem Schmerze
Dich auch einst erfreuen kan.
Weg mit ängstlichen Geberden!
Hoffe nur und stelle dir
Gottes treue Sorgfalt für,
Diese wird ja wohl an mir
Nicht erst zum Tyrannen werden.
Wen heut das Glück verfolgt, den lacht es morgen an. Da Capo.
Die Hoffnung hält mich nur, sonst läg ich wirklich schon,
Ihr angenehmer Thon
Verstopft mein Ohr von jener ungereimten Melodie,
Mit der die schwermendlauten Grillen
Bey der verdrüßlichen Melancholie
So Kopf als Herze füllen.
Gesetzt mein Glücke wankt, gesetzt auch, daß es fällt,
Die Hoffnung, die mich stets mit starken Armen hält,
Entreist mich der Gefahr,
Von der ich ohne sie unmöglich zu befreyen war.
Ach! Hoffnung! ach! du läßt mich sicher stehen,
Wenn andre neben mir in der Verzweiflung untergehen.
ARIA.
Nehmt die Messer statt des Bogens,
Fiedelt euch selber die Kählen entzwey!
Der Satan giebt den Tackt, wenn die Verzweiflung musiciret,
Die nebst der Melodie das Leben rächelnde verliehret.
Ach! geigt so schön ihr wollt! ich tret euch niemahls bey,
Nehmt die Messer statt des Bogens,
Fiedelt euch selbst die Kählen entzwey!
Die Hoffnung spielt auf einem andern Thone,
Drum kriegt sie auch den Segen ganz gewiß zum Lohne.
Denn wer nur warten kan,
Trifft endlich sein Vergnügen an.
Die Ungeduld meynt zwar das Glücke zeitig zu ereilen,
Allein sie pfleget es nur desto länger zu verweilen.
ARIA.
Das Glücke kommt selten per posta, zu Pferde,
Es geht zu Fusse Schritt vor Schritt.
Sein Eigensinn ist nicht zu zwingen,Man mag auch noch so sehr nach seiner Ankunft ringen,
Es ändert darum nicht den langsamfortgesetzten Tritt.
Das Glücke kommt selten per posta, zu Pferde,
Es geht zu Fusse Schritt vor Schritt.
Was will ich mich vergebens grämen?
Gibt mir der Himmel nichts, so kan ich ihm nichts nehmen.
Verhängniß! ach! ich schreibe dir
Nichts für.
Vergnüge mich, wie, wenn und wo es dir gefällt!
Mein Wohlseyn bleibt in deine freye Wahl gestellt.
ARIA.
Mein Glücke nimmt sich Zeit. Ich laß es mir gefallen.
Es kommt nun wenn es kommt, so nehm ichs freudig an.
Kommt es nicht heute, so kommt es doch morgen.
Der Himmel wird mich doch versorgen,
Er weiß schon, daß ich warten kan.
Mein Glücke nimmt sich Zeit. Ich laß es mir gefallen.
Es kommt nun wenn es kommt, so nehm ichs freudig an.
Daniel Stopp
Daniel Stoppe (1697-1747), deutscher Schullehrer, Dichter, Schriftsteller
„Der Parnaß im Sättler, Oder Scherz- und Ernsthafte Gedichte“ des Herrn Daniel Stoppens, aus Hirschberg in Schlesien. Mitgliedes der Deutschen Gesellschaft in Leipzig. Frankfurt und Leipzig, Verleges Gottlieb Siegert, Buchhandlung in Hirschberg, 1735. Glückwünschungs-Gedichte. Cantata, Aria: Seite 84 – 86
Dein Vergnügen trifft auch mich,
Mein an dich verbundnes Herze
Nimmt auch Teil an deinem Scherze.
Bist du doch mein andres ich
Die Zufriedenheit der Liebe,
Teilet sich in dich und du,
Denn die Stärke gleicher Triebe
Ist der Pfeiler unsrer Ruh.
Daniel Stopp
Daniel Stoppe (1697-1747), deutscher Schullehrer, Dichter, Schriftsteller
„Der Parnaß im Sättler, Oder Scherz- und Ernsthafte Gedichte“ des Herrn Daniel Stoppens, aus Hirschberg in Schlesien. Mitgliedes der Deutschen Gesellschaft in Leipzig. Frankfurt und Leipzig, Verleges Gottlieb Siegert, Buchhandlung in Hirschberg, 1735. Auf den Namenstag seiner Liebsten, Seite 38
Wos d'Liab oll's is
D' Liab is a Rauba,
Möcht in Herzerle sein;
Und won ma nit aufmocht,
So brichts oan holt ein.
D'Liab is a Vögerl,
In Mai fliagts daher;
Thuas songa, schau, späta,
Do kimts neamamehr.
Und 's Vögerl is hoamisch,
Mei Herz is sei Haus;
Hiazt, won ih ah aufmoch,
Fliagts neamamehr aus.
A hellklingends Glöckl
In Herzn is d'Liab;
Gib ocht, daß 's koan Sprung kriagt,
Sist keits nocha trüab!
D'Liab is a Wasserl,
Rint unta die Bruck,
Und mei Herz is a Schifferl,
Kimt neamamehr zruck.
D'Liab is a Flamerl,
S'entzündt sich so gern,
Und wons d' damit spielst,
Konst an Obrandla wern.
D'Liab is a Bleamerl,
Recht guat muaßt es pflegn;
Schau, d'Liab braucht a Busserl,
Wia 's Bleamerl an Regn.
Peter Rosegger
Gedicht auf obersteirischer Mundart
Peter Rosegger (1843 – 1918), österreichischer Volkschriftsteller, Dichter. Pseudonym: P. K. Petri Kettenfeier
aus: „Zither und Hackbrett – Gedichte in obersteirischer Mundart“ von Peter Rosegger. Verlag: Lenkam, Graz, 1895. Seite 7