Hefe

Das feuer losch die wärme ward zu rauch

Hefe

Das feuer losch · die wärme ward zu rauch –
So endet jeder sang den einer singt.
Die hefe bleibt · (erschöpft der goldne wein!)
Wie wermut bitter und so scharf wie pein.
Mit kraft und hoffen ging die liebe auch
Wo trüb vergessen tote dinge schlingt ·
Und bis ans end ein zug von geistern schleicht:
Dies war die liebste · dies ein freund vielleicht.
So sitzen wir und warten wunschlos · fahl –
Bald fällt der vorhang · bald schliesst das portal ·
So endet jeder sang den einer singt.

Ernest Dowson Dichter

Ernest Dowson Dichter (1867 – 1900), Schriftsteller

Der Kuss

Die hochzeitskleider die sie heute trug

Der Kuss

Welch qualmend leid in tödlichem verzug
Und welches tückevollen wechsels bann
Dem leib den ruhm · der seele rauben kann
Die hochzeitskleider die sie heute trug!

Denn sieh! ihr mund in dieser stunden flug
Mit meinem solch mittönend spiel begann
Wie Orpheus sehnt · als er sie halb gewann ·
Der darbenden die lezte laute schlug.

Ich war ein kind in ihrer hand · ein mann
Wenn brust an brust wir schmiegten · wir zu zweit
Geist wenn ihr geist durchdringend mich befreit

Gott wenn vorm ganzen lebensatem rann
Das lebensblut · an brunst wetteifernd dann
In feuer feuer · gier in göttlichkeit.

Dante Gabriel Rossetti

Dante Gabriel Rossetti (1828 – 1882), englischer Maler, Übersetzer, Illustrator, Dichter

Der Liebe Erlösung

O welches glück mir deine huld verleiht

Der Liebe Erlösung

Du flössest meinem munde allzeit ein
Der in der liebe stunde fromm entbrennt
Der liebe fleisch und blut im sakrament ·
Ich fühle dir genaht: der odem dei
Muss ihres domes tiefster weihrauch sein ·
Du hast sie stumm empfangen und dir nennt
Sie ihren wunsch dass nichts von dir mich trennt
Und überm kelche sprachst du: denke mein!

O welches glück mir deine huld verleiht
Und welchen ruhm der liebe! trittst du vor
Den steilen weg zu dem verlassnen tor

Zum seufzersee zum ort der traurigkeit
Und bist erlöser dort und steigt befreit
Mein geist aus banden wenn du winkst empor.

Dante Gabriel Rossetti 

Dante Gabriel Rossetti (1828 – 1882), englischer Maler, Übersetzer, Illustrator, Dichter

Lied

Und freude kam mit dem tag

Lied

Liebe legt ihr schlaflos gesicht
Auf dornige rosige schicht ·
Ihre augen von tränen waren rot ·
Ihre lippen waren bleich und tot.

Und angst mit hohn und gram
An ihr bett zu wachen kam ·
Bis die nacht überwältigt entfloh
Und die welt wieder morgen-froh.

Und freude kam mit dem tag
Und küsst' ihren mund der da lag ·
Und der wächter gespenstische schar
Vom kissen entwichen war.

Mit dem frührot ward hell ihr gesicht ·
Ihre lippen wurden rosig und licht.
Herrscht der gram auch durch eine nacht:
Am tag hat die lust wieder macht.


Algermon Charles Swinburne

Algermon Charles Swinburne (1837 – 1909) englischer Dichter, Schriftsteller Dramatiker

Dämmerung

An laufender Ferne ruhendem Rund

Dämmerung

Dämmerung mit den milde, grauen Augen
Schreitet über die Erde.
Kühl weht ihr Atem,
Weich und kühl,
Milde wie ruhiger Atemzug
Eines schlummergeküßten,
Backenroten Kindes.
An laufender Ferne ruhendem Rund
Ein goldenes Glänzen, matt verscheidend,
Zerrinnend in zarten, grauen Duft ...
Ob Ruhe! Ruhe! Gabe der Seligkeit,
Die du auf Flügeln der Dämmerung linde
Vom Himmel niederschwebst, gelinde
Das Herz mit warmem Hauche,
Sorgenscheuchend, rührst;
Ob Ruhe, Frieden, Fülle des Seins!
Heut aus grauen Dämmeraugen
Blickst du mich liebreich an und verbeißend,
Und mein Dank schwillt auf im Herzen,
Wie im Auge der seligen Braut
Warme, lachende Tränenflut -
Aber mein Herz muß an verklungene
Tage höheren Glückes denken,
Du ihm friedevolle Liebe
Gütig fromm entgegenleuchtete
Aus zwei braunen Mädchenaugen,
Sonnen der Liebe.

Otto Julius Bierbaum

Otto Julius Bierbaum (1865 – 1910), deutscher Schriftsteller, Dichtre, Journalist, Redakteur. Pseudonym: Martin Möbius.

Das Lächeln ….

Es gibt ein Lächeln der Liebe

 Das Lächeln

Es gibt ein Lächeln der Liebe
Und es gibt ein Lächeln der Täuschung
Und es gibt ein Lächeln des Lächelns
In dem sich diese beiden Lächeln treffen

Und es gibt ein Stirnrunzeln des Hasses
Und es gibt ein Stirnrunzeln der Verachtung
Und es gibt ein Stirnrunzeln des Stirnrunzelns
Die du vergeblich zu vergessen versuchst

Denn es steckt im tiefen Kern des Herzens
Und es steckt im tiefen Rückgrat
Und kein Lächeln, das je mild war
Sondern nur ein Lächeln allein
Das zwischen Wiege und Grab
Es kann nur einmal sanft sein
Aber wenn es einmal sanft ist
Hat alles Elend ein Ende.

William Blake

William Blake (1757 – 1827), englischer Dichter, Maler, Naturmystiker, Grafiker

Kom Liebste

Das Haar, der Mund und diese Wangen

Kom Liebste

Kom Liebste, laß uns Rosen brechen,
Weil sie noch voll und farbig sind!
Laß andre, was sie wollen, sprechen.
Die Flucht schleicht sich den Jahren ein.

Wir müssen unverwendet schauen,
wie uns dis alles folgen muß.
Die Jugend trägt sich durch die Auen
geschwind mit unvermerckten Fuß.

Das Haar, der Mund und diese Wangen
Vergehen oft in kurzer Zeit.
Der Augenlichter goldne Spangen
Sein für dem Tode nicht befreyt.

Die ädle Schönheit der Geberden
Die meiner Liebe Mutter ist.
Kann durch den Wind verwehet werden.
Komm, Liebste, weil du jung noch bist!

Wer sucht den Maien unser Tage,
Ist er bereit einmal vorbei?
Häuft sich des Windes Leid und Plage,
So sind wir aller liebe frey.

Wie sich ein Regenstrom behende
von Bergen in die Thäler geust:
So reissen wir uns selbst zum Ende
Das uns itzund schon eylen heist.

Sind wir in dürren Sand geleget
So werden wir und bleiben bleich.
Ein Stock der keine Zweige träget
Ist keiner frischen Myrte gleicht.

Drum laß uns lieben, wie es gehet,
Eh noch der Abendstern anbricht.
Wer in der Liebe nichts verstehet,
Der braucht der edlen Jugend nicht.

David Schirmer

David Schirmer (1623 – 1688), deutscher Dichter, Bibliothekar. Pseudonyme: Der Bestimmende, DiSander

Die Geburt der Sterne

drin stille Engel unsichtbar goldener Blumen warten

Die Geburt der Sterne

Weißt du} mein Lieb, wann jedesmal am Firmament ein Licht,
ein Stern entsteht? Du töricht Kind, nicht wahr, das weißt du nicht?
Ich muß es dir erzählen, komm, und lege traulich sacht
dein Köpfchen mir ans warme Herz – andämmern laß die Nacht.

Siehst du: der dunkle Himmel dort ist ein unendlicher Garten,
drin stille Engel unsichtbar goldener Blumen warten.
Und jedesmal, wann drunten hier zwei Seelen sich entzünden,
sich, zueinander heiß gebannt, in Glück und Glut verbünden,
dann pflanzen eine Blume sie dem tiefen Grunde ein
und segnen jede junge Lust mit jungem Sternenschein. –

O sieh: schon ist die heilige Nacht gemach herangetreten,
die Blumen leuchten ungezählt her von den ewigen Beeten,
und alle künden und zeugen nur von irdischer Menschen Liebe –
o daß auch unseres Glückes Stern ewig uns leuchten bliebe!

 Otto Erich Hartleben

Otto Erich Hartleben (1864 – 1905), deutscher Schriftsteller, Dichter, Übersetzer, Dramatiker

Das Kind

Unserer Liebe starke Wonnen

Das Kind

Süßer Schwindel schlägt hinüber,

Heiße Blicke gehen über,

Und ein neues Leben rinnt.

Unserer Liebe starke Wonnen

Sammelt ein als starke Sonnen

In die Himmel seiner Augen

Unser Kind.

Peter Hille

Peter Hille (1854 – 1904), deutscher Schriftsteller

Philosophie der Liebe

Quelle eint sich mit dem Strome

Philosophie der Liebe

Quelle eint sich mit dem Strome,
Daß der Strom ins Meer vertauche;
Wind und Wind am blauen Dome
Mischen sich mit sanftem Hauche.
Nichts auf weiter Welt ist einsam,
Jedes folgt und weiht sich hier
Einem Andern allgemeinsam -
Warum denn nicht wir?

Sieh den Berg gen Himmel streben,
Well' in Welle sieh zerfließen;
Keiner Blume wird vergeben,
Wollte sie den Kelch verschließen.
Und der Himmel küßt die Erd',
Und das Mondenlicht den Fluß -
Was sind all' die Küsse werth,
Weigerst du den Kuß? 

Percy Bysshe Shelley

Percy Bysshe Shelley (1792 – 1822), britischer Schriftsteller, Dichter