Wie ein Traum

Ich wandre mit der Freundin meiner Träume

Wie ein Traum

Mittsommernacht, da alle Lippen scherzen,
da alle Lungen keuchen,
alle Herzen flattern beim Tanz im wildern Flammenring –
wie eine Wachtel einsam flieht zu Halm und Klee,
mit einem Herzen, von Erinnerung weh,
wandre ich Wege, die mit dir ich ging.

Ich seh‘ dich kommen wie ein Traum.
Im Haar trägst du noch feucht ein Hagebuttenpaar
und frühe Jugend strahlt aus deinem Sinn.
Du bist wie einst mein lieber Kamerad,
das Kind, die Frau auf meinem Lebenspfad,
und ich bin dein mit allem, was ich bin.

Jetzt gehst du neben mir, mein Herze bebt,
stumm seh‘ ich, wie die Abenddämmerung schwebt
um deine Stirne, glorienhaft gesponnen.
Nicht nur in weichen, schwachen Dichterstunden
hab‘ ich dies Heiligenwunderbild gefunden
und dann geglaubt, es sei mir schon entronnen.

Es weht durch den Johannisschlaf der Bäume –
Ich wandre mit der Freundin meiner Träume
und Wort auf Wort hat über uns Gewalt.
Nicht Küsse noch Umarmung uns entflammen,
nur Seel‘ an Seele füget sich zusammen
in dieser Sehnsuchtsbrautnacht tief im Wald.

Erik Axel Karlfeldt

Erik Axel Karlfeldt (1864 – 1931), schwedischer Lyriker, Nobelpreisträger

An …

Ich sorge nicht, daß mein Erdenlos

An …

Ich sorge nicht, daß mein Erdenlos
wenig von Erde trägt,
das Hass in Minute erbarmungslos
Jahre der Liebe schlägt.
Ich klage nicht, daß mehr an Glück
der Einsame hat denn ich –
doch daß Du sorgst um mein Geschick-
um diesen Wanderer – mich!

Edgar Allan Poe

Edgar Allan Poe (1809 – 1849) US-amerikanischer Schriftsteller, Dichter

aus: „Ausgewählte Gedichte“ von Edgar Allan Poe. Übertragung aus dem englischen ins deutsche von Hedwig Lachmann (1865 – 1918). Verlag: Bibliographisches Bureau, Berlin, 1891. Seite 54

Sternschnuppen

Die Himmelsähren bleiben droben stehn

Sternschnuppen

Es war an einem Abend, einem stillen,
Und aufzugehn begann die Himmelsaat.
Eh ich in meiner Liebsten Pförtlein trat,
Hob ich die Hände, wie um sie zu füllen -
Oder sprachest du mir nicht von Liebe?

Kein einzig Korn fiel golden zu mir nieder;
Die Himmelsähren bleiben droben stehn,
Indes wir Armen unten hungernd gehn,
Und Wolken breiten dunkeles Gefieder -
Oder sprachest du mir nicht von Liebe?

Luise Deusch

Klara Luise Wilhelmine Deusch (1871 – 1925) deutsche Schriftstellerin und Dichterin

kurze Biografie

Komm, ich atme Seelendüfte

Rosenbeet, vor jenen Wangen

Komm, ich atme Seelendüfte

Komm, ich atme Seelendüfte,
die sich jener Wang' entschwangen,
Und dem Herzen ward ein Zeichen
eingedrückt von jenen Wangen.

Ist die Deutung auch geblieben
von der Huris heil'gem Prangen!
Kommentare sind geschrieben,
lest sie ab von jenen Wangen!

Zedern wurden krumm wie Weiden,
als wir jenen Wuchs besangen,
Du errötetest bescheiden,
Rosenbeet, vor jenen Wangen.

Von der Weiße deiner Glieder
sind Jasmine schambefangen,
Und in Blut getaucht der Flieder
durch den Purpur jener Wangen.

Düfte hat die Moschusblase
nur aus jenem Haar empfangen.
Rosenwasser prunkt im Glase
mit Geruch von jenen Wangen.

Weil sie dich geliebt, den Stolzen,
ist die Sonn' in Schweiß zergangen,
Und der Neumond ist geschmolzen
in der Höh' vor jenen Wangen.

Muhammad Schams ad-din

Muhammad Schams ad-din (Hafiz) (1315 / 1325 – 1390). persischer Dichter und Mystiker.

Gedicht übersetzt von August Graf von Platen-Hallermünde

Eifersucht

Viele Sonnenstäubchen fliegen

Eifersucht

Alle Steine möcht' ich fragen, ob du hier vorbeigegangen, all die hundert Fensteraugen, ob sie nicht an dir gehangen?

Viele Sonnenstäubchen fliegen, deinen Locken wohl entfallen, deiner lieben Stimme denkend wähn` ich ferne Glocken hallen.

Bei den Birken auf der Höhe, an der schlanksten will ich lehnen, eine täuschende Sekunde mich an deinem Herzen wähnen.

Als ein Waldbach wollt ich eilen, daß du oft an mir dich labest- und ich all die Küsse zählte, die du einer andern gabest"

Risse dich in wildem Zürnen aus den ungetreuen Träumen, um vereint mit dir im Sturze zu zerschellen, zu zerschäumern.

Luise Deusch

Klara Luise Wilhelmine Deusch (1871 – 1925) deutsche Schriftstellerin und Dichterin

kurze Biografie

Ich bin so wild auf deinem wilden Erdbeermund

im tiefen Erdbeertal, im schwarzen Haar

Eine verliebte Ballade für Yssabeau d’Außigny


Ich bin so wild nach deinem Erdbeermund,
ich schrie mir schon die Lungen wund
nach deinem weißen Leib, du Weib.
Im Klee, da hat der Mai ein Bett gemacht,
da blüht ein schöner Zeitvertreib
mit deinem Leib die lange Nacht.
Da will ich sein im tiefen Tal
dein Nachtgebet und auch dein Sterngemahl.

Im tiefen Erdbeertal, im schwarzen Haar,
da schlief ich manches Sommerjahr
bei dir, und schlief doch nie zuviel.
Ich habe jetzt ein rotes Tier im Blut,
das macht mir wieder frohen Mut.
Komm her, ich weiß ein schönes Spiel
im dunklen Tal, im Muschelgrund...
Ich bin so wild nach deinem Erdbeermund!

Die graue Welt macht keine Freude mehr,
ich gab den schönsten Sommer her,
und dir hats auch kein Glück gebracht;
hast nur den roten Mund noch aufgespart
für mich so tief im Haar verwahrt...
Ich such ihn schon die lange Nacht
im Wintertal, im Aschengrund...
Ich bin so wild nach deinem Erdbeermund.

Im Wintertal, im schwarzen Erdbeerkraut,
da hat der Schnee sein Nest gebaut
und fragt nicht, wo die Liebe sei.
Und habe doch das rote Tier so tief
erfahren, als ich bei dir schlief.
Wär nur der Winter erst vorbei
und wieder grün der Wiesengrund!
... ich bin so wild nach deinem Erdbeermund!

Paul Zech

Paul Zech

Paul Zech deutscher Schriftsteller, Dichter, Dramatiker, Lyriker, Erzähler und Übersetzer.

aus: „Die lasterhaften Lieder und Balladen des François Villon“. Verlag Erich Lichtenstein, Weimar, 1931.

Das Gedicht ‚Eine verliebte Ballade für Yssabeau d’Außigny‘ auf den Seiten 78 – 79)

François Villon ( 1431 – 1474)

O wär‘ ich ein See

O wär‘ ich ein See, so spiegelhell

O wär‘ ich ein See

O wär‘ ich ein See, so spiegelhell,
Und du die Sonne, die ihm blickte!
O wär‘ ich ein klarer Wiesenquell,
Und du die Blume, die ihm nickte!

O wär‘ ich ein grüner Rosendorn,
Und du die Rose, die ihn schmückte!
O wär‘ ich ein süßer, süßer Korn,
Und du der Vogel, der es pickte.

Georg Friedrich Daumer

Georg Friedrich Daumer (1800 – 1875), deutscher Lyriker, Religionsphilosoph

aus: ‚Hafiz – Eine Sammlung persischer Gedichte‘ nebst poetischer Zugabe aus verschiedenen Völkern und Ländern. 1. Auflage 1856, Hoffmann & Campe Verlag

Hafis. Eine Sammlung persischer Gedichte. Nebst poetischen Zugaben aus verschiedenen Völkern und Ländern. Hoffmann & Campe, Hamburg 1846

Späte Sonnen

Ein spätes Flimmern recht auf Laub und Hag

Späte Sonne

Der Puls des Lebens ist der Nachmittag,
Wann sich die Sommerlichter seltsam färben
Und wie betäubt in gelber Glut erstreben
Im schweren Gold, dem unser Herz erlag.

Ein spätes Flimmern recht auf Laub und Hag,
Die langsam uns verzehren und verderben.
Und wie ein edler Wein aus dunklen Scherben
Rennt unser Blut,
das nichts mehr hemmen mag.

O laß den Schlummer nicht die Lider schließen,
Daß nicht der trunknen Klarheit stummes Fließen.
Dein Herz durchdringt, das freme Wunder schaut!

Die Strahlen brennen und ihr Gift ist tödlich:
O harre aus, bis dämmerhaft und rötlich
Der Abend auf die blassen Bäume taut.

Wolf von Kalckreuth

Wolf von Kalckreuth (1887 – 1906), deutscher Dichter, Übersetzer

aus ‚Holländische Landschaften, Acht Sonneten, Verlag Daphnis-Presse 1920

Es gab nur 40 Ausgaben davon.

‚Gedichte‘, Insel-Verlag zu Leipzig, 1908

‚Nicht gleicht der Süße deiner Worte‘ und weitere aus dem Band