Die Tage

Nur einer kam

Die Tage

Die Tage suchen einsam ihre Stühle
Und sitzen nieder ohne Blick noch Wort.
Der Abend weht. Sie schauern in der Kühle,
Verhüllen sich, stehn auf und schreiten fort.

Doch mancher war, der nicht gelassen blieb,
Der lachend, weinend durch die Stunden tollte,
Mich unbedacht in Gram und Jauchzen trieb
Und zuckend festhielt, als er wandern sollte.

Nur einer kam – im Kleid wie Gras und Sand –
Er trällerte ein rotes Liebeslied,
Nahm, da es Zeit war, lächelnd meine Hand
Und legt’ ein kleines Licht hinein und schied.

Gertrud Kolmar

Gertrud Käthe Cohdziesner (1894 -1943? ermordet in Ausschwitz), deutsche Schriftstellerin, Lyrikerin

um ca. 1915 geschrieben

Liebe

Ja, neige, neige dich, du Rosenrot,
Du kleine Ampel, Alabasterstern!
Dir will ich dienen, meinem Ruhm und Herrn,
Dir Opfer bieten, Wein und süßes Brot.

O nimm mich ein. Ich führe, sanftes Boot,
Mit deinem Wind in tiefen Abend gern;
Er wiegt dich sacht, und du bist doch schon fern
Und gleitest scheinend nieder in den Tod.

So ohne Flackern schwindest du, o Licht,
So sinkst du, Nachen, ohne Hilfeschrei.
Ich hör' dein Schweigen: hör' den Jammer nicht,

Ich seh' dich an: die Erde rollt vorbei.
Du bist gestorben, Sommertagsgesicht;
Ich lebe, daß ich trauern mag: verzeih.

Gertrud Kolmar

Gertrud Käthe Cohdziesner (1894 -1943? ermordet in Ausschwitz), deutsche Schriftstellerin, Lyrikerin

Morgens steh ich auf und frage

Kommt seins Liebchen heut?

Morgens steh ich auf und frage:
Kommt seins Liebchen heut?
Abends sink' ich hin und klage:
Ausblieb sie auch heut.

In der Nacht mit meinem Kummer
Lieg ich schlaflos wach;
Träumend, wie im halben Schlummer,
Wandle ich bei Tag.

Heinrich Heine

Heinrich Heine (1797 – 1856), Christian Johann Heinrich Heine (Harry Heine), deutscher Dichter und Romancier, ein Hauptvertreter des Jungen Deutschland, Begründer des modernen Feuilletons

Liebe

Die Rose, die Lilie, die Taube, die Sonne,
Die liebt' ich einst alle in Liebeswonne.
Ich lieb' sie nicht mehr, ich liebe alleine
Die Kleine, die Feine, die Reine, die Eine;
Sie selber, aller Liebe Bronne,
Ist Rose und Lilie und Taube und Sonne.

Heinrich Heine

Christian Johann Heinrich Heine (Harry Heine), (1797 – 1856), deutscher Dichter und Romancier, ein Hauptvertreter des Jungen Deutschland, Begründer des modernen Feuilletons

An meine Frau

An meine Frau

Wie wir gelebt, so lass uns weiter leben, und die wir in der ersten Nacht uns gaben, die trauten Namen, lass sie fest uns halten! Kein Tag erscheine, der uns ändern mag; ich sei für dich der Jüngling, du mein Mädchen!

Ausonius

Decimius Magnus Ausonius / Auson (310- 393), römischer Dichter, Lehrer der Rhetorik

aus: „Römerlyrik“. Verfasser: Decimius Magnus Ausonius. In deutsche Verse übertragen von Josef Maria Stowasser (1854 – 1910). Verlag: Carl Winter, Universitätsbuchhandlung, Heidelberg, 1909

„Ausonius“ with an english translation by Evelyn White. Verlag: William Heinemann, London. New York, G. P. Putnams Söhne

Liebe

Solange wir lieben

Solange wir lieben, dienen wir solange wir von anderen geliebt werden, sind wir, ich möchte fast sagen, unentbehrlich.

Robert Louis Stevenson

Robert Louis Stevenson (1850 – 1894), schottisch-britischer Schriftsteller

Liebe

Schlug ewig ihre Flügel

Die Liebe

Die Liebe kommet nichts;
Sie kennt nicht Tür noch Riegel
Und dringt durch alles sich;

Sie ist ohne Angebinn,

Schlug ewig ihre Flügel
Und schlägt sie ewiglich

Matthias Claudius

Matthias Claudius (1740 – 1815), deutscher Dichter, Redakteur, Erzähler und Herausgeber des Wandsbecker Boten, Pseudonym Asmus