An gewisse Leute
Ihr Unempfindlichen macht mir es zum Verbrechen,
Das ich dem Monde nur mein Leiden eingesteh',
Und das ich stundenlag mit Blumen weiß zu sprechen,
Und nicht zu euch mich Rat erholen geh'?
Nein! Lieber sei mein Zufluchtsort ein Garten!
Hier klag' ich Florens Kindern meine Not:
Und hab' ich gleich nicht Trost von ihnen zu erwarten,
So lohnen wenigstens mich keins davon - mit Spott.
Gabriele Baumberg
Der Frühlingsmorgen
Der erste Frühlingsmorgen
Erwachet über mir,
Und findet mich in Sorgen,
Und sieht mich fern von dir.
Sonst fand er mich in Freuden
An deiner trauten Hand,
Mir waren Trennungsleiden
Und Gram noch unbekannt.
Nun treibt mich banges Sehnen
Auf Wiese, Feld und Au:
Dort mischen meine Thränen
Sich mit dem Morgenthau.
Obschon zu künft'gen Früchten
Die Erde Blüthen trägt,
Die Nachtigall Geschichten
Von treuer Liebe schlägt;
Die holde Frühlingssonne
Auf uns hernieder lacht,
Und jedes Herz zur Wonne
Und zum Gebeth erwacht:
Theil' ich doch nicht die Freuden,
Theil' ich die Andacht nicht,
Ich fühle nur die Leiden
Schwer drückendes Gewicht,
Nur, dass ich fern, o Trauter,
Von deinem süssen Kuss,
Der Erde Fest mit lauter
Wehklage feyern muss.
Gabriele Baumbeg
Der Unzufriednde
Horat. Deformis aegrimonia
"Schicksaal! unglücksvolle Leiden,
Heißt du Sterblichen die Freuden,
Die die steile Laufbahn hat,
Grausam rauben. Bange Tränen,
Die sich nach der Bahre sehnen,
Zu erzwingen, ist dein Rat.
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Friedrich Hölderlin
Friedrich Hölderlin (1770 – 1843), Johann Christian Friedrich Hölderlin, deutscher evangelischer Theologe, Dramatiker und Lyriker
„Sämtliche Werke und Briefe“ Friedrich Hölderlin. Ausgabe von Franz Zinkernagel. Verlag: Insel-Verlag, Leipzig, 1914. Fragmentarishe Gedichte. Bruchstücke. I. Seite 107
Freund, noch einen Kuss mir gib,
Einen Kuss von deinem Munde,
Ach! ich habe dich so lieb!
Freund, noch einen Kuss mir gib.
Werden möcht ich sonst zum Dieb,
Wärst du karg in dieser Stunde;
Freund, noch einen Kuss mir gib,
Einen Kuss von deinem Munde.
Küssen ist ein süßes Spiel,
Meinst du nicht, mein süßes Leben?
Nimmer ward es noch zu viel,
Küssen ist ein süßes Spiel.
Küsse, sonder Zahl und Ziel,
Geben, nehmen, wiedergeben,
Küssen ist ein süßes Spiel,
Meinst du nicht, mein süßes Leben?
Gibst du einen Kuss mir nur,
Tausend geb ich dir für einen.
Ach wie schnelle läuft die Uhr,
Gibst du einen Kuss mir nur.
Ich verlange keinen Schwur,
Wenn es treu die Lippen meinen,
Gibst du einen Kuss mir nur,
Tausend geb ich dir für einen.
Flüchtig, eilig wie der Wind,
Ist die Zeit, wann wir uns küssen.
Stunden, wo wir selig sind,
Flüchtig, eilig wie der Wind!
Scheiden schon, ach so geschwind!
Oh, wie werd ich weinen müssen!
Flüchtig, eilig wie der Wind,
Ist die Zeit, wann wir uns küssen.
Muss es denn geschieden sein,
Noch nur einen Kuss zum Scheiden!
Scheiden, meiden, welche Pein!
Muss es denn geschieden sein?
Lebe wohl, und denke mein,
Mein in Freuden und in Leiden,
Muss es denn geschieden sein,
Noch nur einen Kuss zum Scheiden!
Adelbert von Chamisso (1829)
Louis Charles Adélaïde de Chamissot de Boncourt (1781 – 1838), deutscher Dichter und Naturforscher
aus: „Gedichte“ von Adelbert von Chamisso.2. Auflage. Verlag: Weidmann’sche Buchhandlung, 1834, Lieder und lyrische-epische Gedichte. Fraunenliebe und Leben. Gedicht 1, Seite 18 – 19