Die Raupe und der Schmetterling Eine kleine Raupe lag, In ihr Leichentuch gesponnen, Tot im Angesicht der Sonnen, Und es war der schönste Tag. Ein schöner Schmetterling Kam geflogen, setzte sich Neben sie, und sagte: dich Arme Raupe wird nun bald Die allmächtige Gewalt, Die dort oben strahlt, erheben; Und, in schönerer Gestalt Als du starbest, wirst du leben! Ach! Ich will doch Achtung geben, Wie du zu dem neuen Leben Wirst hervor gehn! Plötzlich warf Sie die Schaal' ab, ließ sie liegen, Und, der schöne Schmetterling Sah den neuen Engel fliegen, Wenn ich ihn so nennen darf. J. W. L. Gleim
Johann Wilhelm Ludwig Gleim (1719-1803) deutscher Dichter, Sekretär, Fabeldichter, Schriftsteller, Aufklärer
aus: „Lieder, Fabeln und Romanzen“ von Johann Wilhelm Ludwig Gleim. Verlag: Iversen, Leipzig, 1758. Achte Fabel, Seite 14