Wir lieben das Leben

Es ist immer etwas Wahnsinn in der LIebe

Es ist wahr: Wir leiben das Leben, nicht, weil wir ans Leben, sondern ans Lieben gewöhnt sind. Es ist immer etwas Wahnsinn in der Liebe. Es ist aber auch immer etwas Verstand im Wahnsinn.

Friedrich Nietzsche

Friedrich Wilhelm Nietzsche (1844 – 1900), deutscher Philosoph, Essayist, Lyriker und Schriftsteller

Also sprach Zarathustra. Ein Buch für Alle und Keinen, 1883 – 1885. (!. vollständige Ausgabe aller Teile 1892). Erster Teil. Reden Zarathustras, 1883. Vom Lesen und Schreiben

An das Leben

Im Herbst von dunklem Grün umlaubt

An das Leben

Wenn mir dereinst von dieser Seuche
Genesung wird im kühlen Grab,
Dann sei, daß Jung und Alt entfleuche,
Mein Denkmal eine Vogelscheuche:
Mein Hut auf meinem Wanderstab.

Der Hut war schwarz und breitgerändert,
Im Herbst von dunklem Grün umlaubt.
Wie hat der Winter ihn verändert!
Jetzt deckt er schmutzig, schlapp, entbändert
Mein müdes frühgebeugtes Haupt.

Den Stecken hielt ich friedlich nieder,
Bis ich der Unschuld heil'gen Schlaf
Gefährdet sah von gift'ger Hyder.
Ich schlug, daß ich die eignen Glieder
Mit grauenvollstem Fluche traf.

Zur Seuche, dran ich elend sieche,
Ward mir des Ungeheuers Gift:
Der gräßlichste der Erdenflüche.
Ich taumle hin, ich wanke, krieche,
Bis mich im Tod Erlösung trifft.

Frank Wedekind

Benjamin Franklin Wedekind (1864 – 1918), deutscher Dichter, Dramatiker, Schauspieler

A

Menschenglück

Wollen wir Menschenglück verbreiten

Wollen wir Menschenglück verbreiten, dann müssen wir mehr des Lebens Erscheinungen als dessen Regel besprechen.

Ludwig Börne

Ludwig Börne (1786 – 1827), deutscher Journalist, Literatur- und Theaterkritiker, Schriftsteller und Publizist

aus: „Ankündigung der Zeitschwingen“. Verfasser: Ludwig Börne. 1819

Es ist gesünder

Es ist gesünder, nichts zu hoffen

Es ist gesünder, nichts zu hoffen und das Mögliche zu schaffen, als zu schwärmen und nichts zu tun.

Gottfried Keller

Gottfried Keller (1819 – 1890), Schweizer Dichter, Politiker, Schriftsteller, Dramatiker

aus: Briefe. 19. An den Verlagsbuchhändler Eduard Bieweg. Berlin, 26. April 1850. ab Seite 57

Dort wollt‘ ich wohnen

In goldenem Zelt

Dort wollt' ich wohnen

Dort wollt' ich wohnen
In goldenem Zelt
Mit ihm, dem Meinen,
Einzig gesellt!
Über der Erde
Altem Gedenken,
Über der Menschen
Dauernden Kränken -
Über dem Wandel,
Über der Welt!

Christian Friedrich Hebbel

Christian Friedrich Hebbel (1813 – 1863), deutscher Dichter, Dramatiker, Lyriker

Der Sonne schau‘ am Morgen, schau‘ am Abend!

Belohnt durch leben

Der Sonne schau' am Morgen, schau' am Abend!

Zur Sonne schau' am Morgen, schau' am Abend!
Die Sonne kennt dich nicht, sie sieht dich nicht.
Und tut dir doch so wohl und will dir wohltun.
Sie wirft mir ungeheuer Kraft hinaus
Ins Blaue! Tut sie Gutes nur ins Blaue?
Sie trifft! Sie wächst in Menschen und in Blumen
Und Blüten bis in tiefsten Meeresgrund,
Und nicht ein Strahl geht irgendwo verloren!
Und mußt du kennen, wem du wohltun sollst?
Den Fremden, Fernen weigerst du die Liebe?
Den spätern Menschen und den spätern Blumen?
Und kennst du wirklich auch den Menschen so,
Der vor dir steht? Und wär' er kein Geheimnis,
Er würd' es dir. Denn bist du ganz erfüllt
Für ihn von Lie' und Güte, glaube nur,
Dann siehst du ihn nicht, wie die Sonne dich nicht,
Vor himmelischwarmer Glut und reinem Licht,
Bedarfst du sein nur freudig: daß er sei!
Die Rose ist für ihren Duft schön herrlich
Belohnet durch ihren Düften; und die Sonne
Für ihr Erleuchten durch das Licht! Der Mensch
Ist für das Lieben durch die Liebe reich
Belohnt, der Mensch ist für das Leben voll
Belohnt durch leben. Lerne das am Himmel!
Und lerne das auf Erden, selbst vom tun!
Darum unterscheide keinen, der da lebt!
Nicht den, der deinen Feind sich nennt, noch Freund;
Drum unterscheide nichts, was lebt; die Frucht nicht
Vom Baume, noch den Hirten von der Herde,
Das Lamm vom Grafe nicht, das Gras vom Tau,
Den Tau von seinem Glanz und Schein. Steh' mitten
Im All der Liebe! lebe, liebe nur!

Der Sonne schau' am Morgen, schau' am Abend!

Christian Friedrich Hebbel

Christian Friedrich Hebbel (1813 – 1863), deutscher Dichter, Dramatiker, Lyriker

Das Mädchen

Uns sie soll in ihrer Wiege

Das Mädchen

Mutter, Mutter! meine Puppe
Hab' ich in den Schlaf gewiegt,
Gute Mutter, komm und siehe,
Wie so englisch sie da liegt.

Vater wies mich ab und sagte:
Geh', du bist ein dummes Kind!
Du nur, Mutter, kannst begreifen,
Welche meine Freuden sind.

Wie du mit den kleinen Kindern,
Will ich Alles mit ihr thun,
Und sie soll in ihrer Wiege
Neben meinem Bette ruh'n.

Schläft sie, werd' ich von ihr träumen,
Schreit sie auf, erwach' ich gleich, –
Meine himmlisch gute Mutter,
O wie bin ich doch so reich!

Adelbert von Chamisso (1830)

Louis Charles Adélaïde de Chamissot de Boncourt (1781 – 1838), deutscher Dichter und Naturforscher

Der Knabe

Gehört vom Lindwurm habt ihr oft

Der Knabe

Gehört vom Lindwurm habt ihr oft,
Ihr meine Spielgesellen,
Nun wird es wahr, was ich gehofft,
Den Drachen werd' ich fällen.
Er liegt gekrümmt am dunklen Ort
Im kleinen Schrank am Spiegel dort,
Da hat er seine Höhle.

Ihr seid die beiden Doggen traut,
Die ich zum Kampfe brauche,
Ich treib' euch an, ihr heulet laut
Und packt ihn unterm Bauche.
Ich geh' mit Schwert und Schild voran,
Mit Helm und Panzer angethan,
Und schrei' ihn aus dem Schlafe.

Hervor! hervor! du Höllenbrut!
Da, seht den grimmen Drachen!
Hu! wie er Feuer speit und Blut
Aus weit gesperrtem Rachen!
Wir kamen unbedachtsam nicht
Zu diesem Strauß, thut eure Pflicht,
Ihr meine guten Doggen.

Und schnappt er gierig erst nach mir,
Ich werd' ihn listig fassen,
Die aufgehäuften Bücher hier
Sind schwere Felsenmassen,
In seinen Rachen werf' ich sie,
Du Untier, erst verschlucke die,
Bevor du mich kannst beißen.

Die Schlacht beginnt, wohl aufgepaßt!
Wir wollen Gutes hoffen;
Er denkt: er hält mich schon gefaßt,
Sein weites Maul ist offen, –
Der dicke Scheller fliegt hinein,
Die andern folgen, groß und klein,
Der Bröder und der Buttmann.

O Buttmann! o was thust du mir,
Du dummer, zum Verderben?!
Du triffst den Spiegel, nicht das Tier,
Da liegen, ach, die Scherben!
Der dumme Spiegel nur ist schuld,
Und tragen soll ich in Geduld
Deshalb noch viele Schläge.

Das Glück hat feindlich sich erprobt,
Getrost, ihr Spielgesellen;
Ich werde, wenn der Meister tobt,
Mich selbst für alle stellen.
Er schlage mich nach Herzenslust,
Daß er es kann, ist mir bewußt,
Doch wird es so nicht dauern.

Ich bin auf immer nicht ein Kind,
Es wird das Blatt sich wenden.
Die durch die Rute mächtig sind,
Die Ruten werden enden.
Ich hab' als Kind den Schwur gethan,
Und bin ich erst erwachs'ner Mann,
Dann weh' den Rutenführern!

Adelbert von Chamisso (1830)

Louis Charles Adélaïde de Chamissot de Boncourt (1781 – 1838), deutscher Dichter und Naturforscher

Küssen will ich, ich will küssen

Gibst du einen Kuss mir nur

Freund, noch einen Kuss mir gib,
Einen Kuss von deinem Munde,
Ach! ich habe dich so lieb!
Freund, noch einen Kuss mir gib.
Werden möcht ich sonst zum Dieb,
Wärst du karg in dieser Stunde;
Freund, noch einen Kuss mir gib,
Einen Kuss von deinem Munde.

Küssen ist ein süßes Spiel,
Meinst du nicht, mein süßes Leben?
Nimmer ward es noch zu viel,
Küssen ist ein süßes Spiel.
Küsse, sonder Zahl und Ziel,
Geben, nehmen, wiedergeben,
Küssen ist ein süßes Spiel,
Meinst du nicht, mein süßes Leben?

Gibst du einen Kuss mir nur,
Tausend geb ich dir für einen.
Ach wie schnelle läuft die Uhr,
Gibst du einen Kuss mir nur.
Ich verlange keinen Schwur,
Wenn es treu die Lippen meinen,
Gibst du einen Kuss mir nur,
Tausend geb ich dir für einen.

Flüchtig, eilig wie der Wind,
Ist die Zeit, wann wir uns küssen.
Stunden, wo wir selig sind,
Flüchtig, eilig wie der Wind!
Scheiden schon, ach so geschwind!
Oh, wie werd ich weinen müssen!
Flüchtig, eilig wie der Wind,
Ist die Zeit, wann wir uns küssen.

Muss es denn geschieden sein,
Noch nur einen Kuss zum Scheiden!
Scheiden, meiden, welche Pein!
Muss es denn geschieden sein?
Lebe wohl, und denke mein,
Mein in Freuden und in Leiden,
Muss es denn geschieden sein,
Noch nur einen Kuss zum Scheiden!

Adelbert von Chamisso (1829)

Louis Charles Adélaïde de Chamissot de Boncourt (1781 – 1838), deutscher Dichter und Naturforscher