Legt in die Hand das Schicksal dir ein Glück

Mußt du ein andres wieder fallen lassen

Legt in die Hand das Schicksal dir ein Glück
Mußt du ein andres wieder fallen lassen;
Schmerz wie Gewinn erhältst du Stück um Stück,
Und Tiefersehntes wirst du bitter hassen.

Des Menschen Hand ist eine Kinderhand,
Sie greift nur zu, um achtlos zu zerstören;
Mit Trümmern überstreuet sie das Land,
Und was sie hält, wird ihr doch nie gehören.

Des Menschen Hand ist eine Kinderhand,
Sein Herz ein Kinderherz im heftgen Trachten.
Greif zu und halt!... Da liegt der bunte Tand;
Und klagen müssen nun, die eben lachten.

Legt in die Hand das Schicksal dir den Kranz,
So mußt die schönste Pracht du selbst zerpflücken;
Zerstören wirst du selbst des Lebens Glanz
Und weinen über den zerstreuten Stücken.

Wilhelm Raabe

Wilhelm Karl Raabe (1831 – 1910), deutscher Schriftsteller, Erzähler. Pseudonym: Jakob Corvinus

Gewohnheiten

Wir kreieren erst unsere Gewohnheiten

Wir kreieren erst unsere Gewohnheiten und dann kreieren unsere Gewohnheiten uns.

John Dryden

John Dryden (1631 – 1700), englischer Dichter, Schriftsteller, Literaturkritiker, Dramatiker, Librettist, Übersetzer

das Unvermeidliche vorurteilslos

wird das Herz sich leicht seinen Frieden bewahren

Wenn wir nur das Unvermeidliche vorurteilslos gegen jedermann verteidigen, wird das Herz sich leicht seinen Frieden bewahren oder ihn wiederfinden, wenn es ihn verloren hat.

Georges Bernanos

Georges Bernanos (1880 – 1948), französischer Schriftsteller

Der Traum meines Lebens

Nicht des Ruhms trügerischen Glanze

Der Traum meines Lebens
1796

Nicht des Ruhms trügerischen Glanze
Jagt' ich nach mit nimmersatter Gier;
Nicht in steter Freudenwirbeltanze
Dacht' ich meine Lebenstage mir.

Stilles Glück', vom Himmel mir beschieden,
hätte mir genügt, und ungenannt,
Mit der Welt und mit mir selbst zufrieden,
hätt' ich Gram und Sorge nie gekannt.

Ach da zeigt' ein Wonnetraum im Bilde
Nie gefühlter namenloser Luft,
Mir den Reiz einsicher Gefilde:
Schneller hob sich die beklemmte Brust.

Willig folgt' ich dem Sirenenliede,
Als der Täuschung Traumgesicht verschwand,
hingewelkt war meines Herzens Friede,
Und gelöst der Hoffnung Zauberband.

Theone und Nina

Herz

Das seltsame, törichte, fragende Herz

Herz

Das seltsame, törichte, fragende Herz,
Im Glücke so bang, so glückselig im Schmerz -
Was mag es nur ewig so klopfen?
Es klopft, ach!
nicht ewig; es bebet, es harrt,
Bis das Blut in den Sängen des Lebens erstarrt,
Allmählich, von Tropfen zu Tropfen.

Dann schweigt es; dann ruht es; Dämonen der Welt
Sie tragen's ins haus, das nicht Helios bellt,
Das die Schatten Persephone's schwärzen;
Doch die darin pochte, die selige Kraft,
(Die Hülse zerstiebte) - sie hat sich entrafft,
Und fliegt an das Herz aller Herzen.


Ernst von Feuchtersleben

Ernst Maria Johann Karl Freiherr von Feuchtersleben (1806 – 1849), österreichischer Dichter, Essayist, Arzt, Psychiater, Philossoph

Lorbeer

Dem allzu ungestümen Liebeswerbe

Lorbeer

Dem allzu ungestümen Liebeswerben
Entrang sich Daphne einst. An wildem Herzen
Verwandelt' sie sich jäh zum kühlen Lorbeer.

Dem allzu ungestümen Liebeswerben
Um Ruhm verwandelt jäh die Glückschimäre,
Das schöne, gleissend schöne, kalte Weib,
Noch heut', noch stündlich sich in spitzen Lorbeer;
Den drückt der Liebestolle an die Brust,
Den drückt die Welt ihm lächelnd auf das Haupt.
Da dringe?! ihm die spitzen, scharfen Blätter
In Herz und Hirn. So giebt der Mitwelt er,
Der Nachwelt, tropfenweis, sein ganzes Selbst,
Sein Herzblut, all' sein Leben, seine Seele.

Doch droben, üppig, schattenkühl und blühend,
Wölbt sich im Garten des Olymp der Hain
Scharf duftend spitzer, glatter Daphneblätter
Am Todesbaume allen Menschenglücks,
Der ewiggrüne Lorbeer!

Hermine von Preuschen

Hermione von Preuschen (1854 – 1918), deutsche Malerin, Dichterin

Wenn ich dein Lachen höre

dann scheint es mir: auf Erden

Wenn ich dein Lachen höre

Wenn ich dein Lachen höre
und deiner Stimme Ton
und seh in deinem Auge
den holden Blick erlohn -

dann scheint es mir: auf Erden
gibt's mehr kein Herzeleid,
keine Scheiden, keinen Treubruch,
kein Bangen, keinen Neid.

Allein wenn deine Braue
sich furcht und heimlich bebt
und über deiner Stirne
ein düstrer Schatten schwebt -

dann scheint es mir: das Leben
ist voller Not und Pein,
das Leben, das uns malmet
wie Korn der Mühlenstein.

O schenke mir ein Lächeln,
o rede mir ein Wort
und scheuch aus meinem Herzen
die Furcht des Lebens fort!

O laß dein Auge strahlen
den alten holden Blick,
damit ich wieder glaube
an dieser Erde Glück!

Isabella Arkadjewna Grinewskaja 

Isabella Arkadjewna Grinewskaja (1864 – 1944), russische Dichterin, Schriftstellerin. Pseudonym: Berta Beyle Friedberg

Leider sind die russischen Webseiten zur Zeit kaum zu erreichen und sehr unsicher. Sobald sich die Lage nicht ändert, kann ich nicht das Original auf russisch auf meine Webseite zeigen.

Liebe und Schönheit

Liebe und Schönheit

Prometheus hatte nun den Mensch vollendet,
Doch unbeweglich blieb der tote Stoff,
Bis er der Sonne Funken hat entwendet;
(Ein Tropfe, der der Schönheit Meer enttroff)
Doch dieser Funke, er entflammt im Bilde,
In das des Künstlers Weisheit ihn verhüllte.

Von Schönheit ist dies Leben ausgegangen,
Doch es vergisst den hohen Ursprung nicht;
Es strebt zu ihm, und Lieb ist dies Verlangen,
Die ewig ringet nach dem Sonnenlicht.
Denn Lieb ist Wunsch, Erinnerung des Schönen,
Die Schönheit schauen will der Liebe Sehnen.

Drum kann die Liebe nimmer sich genügen,
Denn sie ist nimmer reich in ihrem Reich;
Drum sucht sie Schönheit sich ihr anzufügen
Und bettelt ewig vor der Schönheit Reich.
Doch ach! unendlich ist das Reich des Schönen,
So auch unendlich unsrer Liebe Sehnen. 

Karoline von Günderrode

Karoline Friederike Louise Maximiliane von Günderrode (1780 – 1806), deutsche Dichterin, Schriftstellerin