An die Wolken

Es jagen die Stürme

An die Wolken

Es jagen die Stürme
Am herbstlichen Himmel
Die fliehenden Wolken;
Es wehen die Blätter
Des Haines hernieder,
Es hüllt sich in Nebel
Das ferne Gebirg. -

O jaget, Ihr Wolken,
In stürmender Eile.
Ihr ziehet nach Süden,
Wo freundlich die Sonne
Den wehenden Schleier
Euch liebevoll schmücket
Mit goldenem Saum.

Mich trieben die Stürme
Des Schicksals nach Norden
Dort mangelt mir ewig
Die Sonne der Freude,
Und nimmer verkläret
Ihr Lächeln die Wolken
Des düsteren Sinnes.

Und darum geleit’ ich
Mit Seufzern der Sehnsucht
Euch, luftige Bilder
Der wechselnden Laune
Des ewigen Himmels,
Und flüchtete gerne
Nach Süden mit Euch.

Natalie

Charlotte von Ahlfeld

Charlotte Elisabeth Luise Wilhelmine von Ahlefeld (1781 – 1849). Pseudonyme: Elisabeth Selbig, Natalia, Emetine, Frau Charlotte Seebach Felicitas, Elise Selbig, Marie Müller. Deutsche Schriftstellerin, Dichterin

Der Frühlingstag

Wenn über mir das reine Blau der Luft

Der Frühlingstag
(Sophiens Schattengewidmet)

Wenn über mir das reine Blau der Luft
Und rings um mich der Blüthenbäume Duft
Den Frühlingstag in mein Gedächtniss ruft,
Der unsre Herzen liebend einst verband,
Als ich zuerst Dein Innerstes verstand –
Dann blick’ ich, wie in meines Glücks Ruinen,
Hin auf Dein Grab, um das Cipressen grünen.

Und dann berührt das Bild vergangner Stunden
Auf’s neu in mir der ew’gen Trennung Wunden.
Dich zu verlieren hatt’ ich Dich gefunden! –
Und Thränen fliessen jenem Frühlingstag
Und Dir, die Du ihm lächelnd glichest, nach.
Doch ach, so heiss, so bitter sie auch rinnen –
Sie können nicht der Gruft Dich abgewinnen.

Natalie

Charlotte von Ahlfeld

Charlotte Elisabeth Luise Wilhelmine von Ahlefeld (1781 – 1849). Pseudonyme: Elisabeth Selbig, Natalia, Emetine, Frau Charlotte Seebach Felicitas, Elise Selbig, Marie Müller. Deutsche Schriftstellerin, Dichterin

Der Fremdling

Kommt der Schakal in das große Hotel.

Der Fremdling

Kommt der Schakal in das große Hotel.
Trägt seinen lausigsten Smoking.
»Haben Sie angefaultes Kamel?«
Auf sprang Miss Silverstone: »Shocking!«

»Führen Sie«, hat der Schakal dann gefragt, (Putzte dabei sich die Klauen)
»Beduinen, halb abgenagt?«
Zuckte der Ober die Brauen ...

Kratzt der Schakal sich verstimmt das Gesäß. Stöhnte die schöne Yvette:
»Insupportable! Quelle bete affreuse!«
(Und ging alleine zu Bette.)

»Gibt es bei Euch« fragte noch der Schakal ... »Grünliche Pagen«, sie rannten,
Führten ihn lächelnd durchs leere Lokal. (AUSGANG FÜR LIEFERANTEN.)

Fragte daheim den Schakal man sofort:
»Sie sind nicht länger geblieben?!«
»Jaaa«, sprach Schakal, »diiieses Tempo dort!
Es hat mich aufgerieben!« ...

Peter Hammerschlag

Peter Hermann Hammerschlag (1902 – 1942, KZ Ausschwitz), österreichischer Schriftsteller, Dichter, Graphiker, Kabarettist.

Wenn ich dein Lachen höre

dann scheint es mir: auf Erden

Wenn ich dein Lachen höre

Wenn ich dein Lachen höre
und deiner Stimme Ton
und seh in deinem Auge
den holden Blick erlohn -

dann scheint es mir: auf Erden
gibt's mehr kein Herzeleid,
keine Scheiden, keinen Treubruch,
kein Bangen, keinen Neid.

Allein wenn deine Braue
sich furcht und heimlich bebt
und über deiner Stirne
ein düstrer Schatten schwebt -

dann scheint es mir: das Leben
ist voller Not und Pein,
das Leben, das uns malmet
wie Korn der Mühlenstein.

O schenke mir ein Lächeln,
o rede mir ein Wort
und scheuch aus meinem Herzen
die Furcht des Lebens fort!

O laß dein Auge strahlen
den alten holden Blick,
damit ich wieder glaube
an dieser Erde Glück!

Isabella Arkadjewna Grinewskaja 

Isabella Arkadjewna Grinewskaja (1864 – 1944), russische Dichterin, Schriftstellerin. Pseudonym: Berta Beyle Friedberg

Leider sind die russischen Webseiten zur Zeit kaum zu erreichen und sehr unsicher. Sobald sich die Lage nicht ändert, kann ich nicht das Original auf russisch auf meine Webseite zeigen.

Lebensfreude

Ketten der Lust und der Rosen

Lebensfreude

Ketten der Lust und der Rosen
Und der grossen Taten
Lass uns ums Leben schlingen
Arm sind die Einen geboren
Und sterben arm: Im — Golde.
Und die andern erwachen
In eine satte Pfründe und verbringen
In ferner Todesfurcht ihre planlosen Tage,
Priester sprechen gegen Lohn ihre Klage
Über das Leben und seine Furchtbarkeit
Doch wir lachen!

— Wir, vom heissen Blut Der Götter und der SonnenWir wollen Ketten der Lust
Und der Rosen und grossen Taten
Ums Leben schlingen
Und alle Bronnen müssen getrunken sein !
— Alles muss Glutversunken sein !
Und kommt der Unerbittliche mit aller Pein,
Dann wird die Welt von uns
Schon leer gehoben sein. —
Denn Ewigkeit ist uns in jedem Augenblick:

— Weihe, weihe ihn und mach ihn gross ! —
Äonen sind dann Dein und ruhn
In einem Kuss — in einem Frauenschoss — !
In einer Tat, von Dir getan, erdacht,
In einem Lächeln, das dem Zagen
Den Traum der Güte in ein Grau gebracht.
Spät werden
Der fernsten Jahrhunderte Gebete
Nach uns zurückhallen
Und unsere Gräber sollen lichte Kränze überwehn
Dankes-Lieder werden unsern Staub umstammeln
Und dunkle Krähenpsalmodien überschallen . . .
Denn könnte einmal noch
Sich alles ins Gewesne sammeln
Wir würden selber lächelnd unter ihnen stehn.


Elsa Asenijeff

Elsa Maria Packeny (1867-1941), österreichische Dichterin, Schriftstellerin

Roter Mohn

Der Wald steht grün. Die Wiese ist mit Blüten

Roter Mohn

Der Wald steht grün. Die Wiese ist mit Blüten
so reich besät wie dort das Aehrenfeld
mit rotem Mohn – dem vollen, lichtdurchglühten.

Es strotzt im Frühlingsschmuck die ganze Welt;
rings um mich her ein üppig Blühen, Prangen,
voll von Begehrlichkeit und Lichtverlangen.

Hoch steht das Gras, geneigt vom Windesfächeln.
Ganz still-verträumt seh ich den Halmen zu,
um meine Lippen spielt ein mattes Lächeln.

Der Wind küßt meine Stirn – warum nicht Du? ..
O du, o du, daß jetzt in dieser Stunde
dein Arm mich nicht umschlungen hält im Mohn,
daß heiße Küsse nicht von deinem Munde
auf meinen sehnsuchtsoffnen Lippen lohn! ...

Else Galen-Gube

Elisabeth Galen-Gube, geborene Galen(1869-1922), deutsche Schriftstellerin, Dichterin. Pseudonym: Else Galen-Gube

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Das Lächeln ….

Es gibt ein Lächeln der Liebe

 Das Lächeln

Es gibt ein Lächeln der Liebe
Und es gibt ein Lächeln der Täuschung
Und es gibt ein Lächeln des Lächelns
In dem sich diese beiden Lächeln treffen

Und es gibt ein Stirnrunzeln des Hasses
Und es gibt ein Stirnrunzeln der Verachtung
Und es gibt ein Stirnrunzeln des Stirnrunzelns
Die du vergeblich zu vergessen versuchst

Denn es steckt im tiefen Kern des Herzens
Und es steckt im tiefen Rückgrat
Und kein Lächeln, das je mild war
Sondern nur ein Lächeln allein
Das zwischen Wiege und Grab
Es kann nur einmal sanft sein
Aber wenn es einmal sanft ist
Hat alles Elend ein Ende.

William Blake

William Blake (1757 – 1827), englischer Dichter, Maler, Naturmystiker, Grafiker