Der Brombeerzweig

Trag‘ ich tief im Herzen

Der Brombeerzweig

Sieh', da will ein dorn'ger Zweig
Uns den Pfad verwehren -
Sieh' die Beeren überreich,
Die ihn sanft beschweren.

Beeren, schwarz und rot und grün -
Wie sie mählich reifen
Bei der Strahlen heißem Glüh'n,
Die im Wald sie streifen.

So viel Wünsche sonder Zahl
Trag' ich tief im Herzen,
Das dir schlägt in holder Qual
Und geliebten Schmerzen.

Mancher, schon verblutend, mag,
Daß er ward, bereuen -
Doch es reift ein jeder Tag
Seilig einen neuen!

Ferdinand von Saar

Ferdinand von Saar (1833 – 1906), österreichischer Schriftsteller, Lyriker und Dramatiker.

Herbstlied 1

Hohler Ton, Violenton, Bang im Herbste,

Herbst

Hohler Ton,
Violenton,
Bang im Herbste,
Stöhnte mit ein-
Töniger Pein
Lang im Herzen.

Ganz verstummt,
Wenn Turm summt.
Stunden schlagen,
Bleich und wach
Wein ich nach
Früheren Tagen.

Und ich geh
Im Wehn und Weh
Hingetrieben,
Da, dort,
Wo verdorrt
Blätter stieben.

Paul Verlaine

Paul Verlaine (1844 – 1896) französischer Lyriker, Dichter, Schriftsteller

Herbstlied 2

Der Herbst durchzieht, das Sehnsuchtslied

Herbst

Den Herbst durchzieht
das Sehnsuchtslied.
Der Geiger
Und zwingt mein Herz
In langem Schmerz
Zu zweigen.

Bleich und voll Leid,
Das die letzte Zeit
Erscheine,
Gedenk‘ ich zurück An fernes Glück,
Und ich weine.

Und so muss ich gehn.
Im Herbstenwehn.
Und Wetter, Bald hier, bald dort,
Verweht und verdorrt
Wie Blätter.

Paul Verlaine

Paul Verlaine (1844 – 1896) französischer Lyriker, Dichter, Schriftsteller

aus ‚ Chanson d’automne‘

‚Ausgewählte Gedichte‘ , übertragen von Graf Wolf von Kalckreuth, Verlag Pöschel & Trepte, 1906. Original im Lemerre-Verlag Paris 1866

Märztag

Wolkenschatten fliegen über Felder

Märztag

Wolkenschatten fliegen über Felder, Blau umdunstet stehen ferne Wälder.

Kraniche, die hoch die Luft durchpflügen, kommen schreiend an in Wanderzügen.

Lerchen steigen schon in lauten Schwärmen, überall ein erstes Frühlingslärmen

Lustig flattern, Mädchen deine Bänder, kurzes Glück schwamm mit den Wolkenmassen, wollt‘ es halten, mußt‘ es schwimmen lassen.

Detlev von Liliencron

Friedrich Adolf Axel Freiherr von Liliencron (1844 – 1909), deutscher Lyriker, Prosa- und Bühnenautor

Gedicht aus dem Gedichtband: ‚Bunte Beute‘. 1903, Verleger Schuster & Loeffler, Berlin und Leipzig

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Landregen

Der Regen rauscht schon seit Tagen immerzu

Landregen

Der Regen rauscht.
Der Regen rauscht schon seit Tagen immerzu

Und Käferchen ertrinken
im Schlammrinn an den Wegen.- –
Der Wald hat Ruh,
gelabte Blätter blinken.

Im Regenrauschen schweigen
alle Vögel und zeigen
sich nicht.

Es rauscht und ewige Musik.

und dennoch sucht mein Blick
ein Streifchen helles Licht.
Fast schäm‘ ich mich, zu sagen:
Ich sehne mich nach etwas Staub.

Ich kann das schwere, kalte Laub
nicht länger mehr ertragen.

Joachim Ringelnatz

Hans Bötticher (1883 – 1934), deutscher Dichter, Schriftsteller, Maler. Pinko Meyer, Fritz Dörry und Gustav Hester, Gustav Dörrig, Fritz Bötticher

aus: „Gedichte, Gedichte von Einsmals und Heute“ Verlag: Ernst Rowohlt,, Berlin, 1934.

Der Gedichtsband enthält 101 Gedichte. Davon sind 38 Gedichte Erstveröffentlichungen.

Der Band erschien 1934 nach seinem Tod.