Hymne für die Erde

Ich scheide wie die Luft; ich schüttle meine weißen Locken

Ich scheide wie die Luft; ich schüttle meine weißen Locken gegen die enteilende Sonne hin; Ich ergieße mein Fleisch in Wirbeln und lasse es hintreiben in fadigen Streifen.

Ich vermache mich dem Schmutz, um aus dem Grasse, das ich liebe, emporzutreiben; Wenn du mich wieder brauchst, so suche mich unter deinen Stiefelsohlen.

Kaum wirst du wissen, wo ich bin, oder was ich meine; Trotz allem aber werde ich dir gut bekommen, Und klären und kräftigen dein Blut.

Wenn du mich nicht sogleich verstehst, bleibe dennoch guten Mutes. Findest du mich nicht an einer Stelle, so such mich an einer anderen. Irgendwo halte ich mich auf und warte auf dich.

Walt Whitman

Walt Whitman (1819 – 1892), US-amerikanischer Schriftsteller, Dichter, Schriftsetzer, Lehrer, Essayist

Olympiahymne

Zu dem ‚Wettbewerb für Olympische Spiele 1935‘ reichte Joachim Ringelnatz unter den Namen Erwin Christian Stolze folgendes ein

Die Olympiahymne

Jauchzen steigt die Olympiade,
Olympiade unser Zeit!
Alles wartet der Parade.
Chöre harren klangbreit.

In Begeisterung sich heben
Muß beim Anmarsch solcher Macht
Rechts und links das Volk – es beben
Ihre Herzen weiterwacht.

Nur mit Geist kann Leib gedeihen.
Geist erstarkt an Mut und Kraft.
Einen beide sich, dann weihen
Leben sie, das Leben schafft.

Nicht der Zorn soll Muskeln schwellen,
Aber jugendheißes Spiel.
Tretet an, ihr Kampfgesellen!
Zieht mit Gott zum edlen Ziel!

Joachim Ringelnatz

Hans Bötticher (1883 – 1934), deutscher Dichter, Schriftsteller, Maler. Pinko Meyer, Fritz Dörry und Gustav Hester, Gustav Dörrig, Fritz Bötticher

Es ist ein memoriam an Joachim Ringelnatz.

Verlag: Ernst Rowohlt Verlag Berlin 1936. Mit 1 Portät und 20 Tafeln. 196 Seiten. Herausgegeben von Hans Siemensen und Muschelkalk Ringelnatz (Leonarda Gescher).