Im Herbste

Seid gegrüßt mit Frühlingswonne

Im Hebste

Seid gegrüßt mit Frühlingswonne,
Blauer Himmel, goldne Sonne!
Drüben auch aus Gartenhallen
Hör' ich frohe Saiten schallen.

Ahnest du, o Seele, wieder,
Sanfte, sühe Frühlingslieder?
Sieh umher die falben Bäume!
Ach! es waren holde Träume.

Ludwig Uhland

Ludwig Uhland (1787 – 1862), deutscher Dichter, Literaturwisenschaftler, Jurist, Politiker

Die Rosen

Mit Grazien tanzt

Die Rosen

Der Rosen pflanz' ich immer mehr und mehr!
Weil Amor sich mit Rosenkränzen
Am liebst schmückt, wenn er
Mit den Grazien tanzt;
So werden in allen Herbsten und Lenzen
Rosen gepflanzt!

Mit Rosen schmück' ich mir mein braunes Haar,
Mit Rosen schmück' ich Amores Köcher,
Die ganze Musenschaar
Ist mit Rosen geschmückt,
Wenn Bachus in die geräumigen Becher
Rebensaft drückt!


J. W. L. Gleim

Johann Wilhelm Ludwig Gleim (1719-1803) deutscher Dichter, Sekretär, Fabeldichter, Schriftsteller, Aufklärer

Herbstbild

Die schönsten Früchte ab von jedem Baum

Herbstbild

Dies ist ein Herbsttag, wie ich keinen sah!
Die Luft ist still, als atmete man kaum,
Und dennoch fallen raschelnd, fern und nah,
Die schönsten Früchte ab von jedem Baum.

O stört sie nicht, die Feier der Natur!
Dies ist die Lese, die sie selber hält,
Denn heute löst sich von den Zweigen nur,
Was von dem milden Strahl der Sonne fällt

Christian Friedrich Hebbel (1813 – 1863), deutscher Dichter, Dramatiker, Lyriker

Ein Herbstblatt, das nicht fallen will

Wird’s der Frühling blütenvoll

Ein Herbstblatt, das nicht fallen will

Ausgeweht hat milder West,
Herbstblatt bringt trübe Wetter,
Schüttle, Baum den welken Rest
Deiner letzten Blätter.

Offen ist einmal das Grab,
Alles geht zur Neige,
Streif' auch du dies Blättchen ab
Vom erstorb'nen Zweige!

Gehe hin, was sterben soll!
Aus des Winters Decken
Wird's der Frühling blüthenvoll
Um so früher wecken!

Karl Ferdinand Gutzkow

Karl Ferdinand Gutzkow (1811 – 1878), deutscher Schriftsteller, Journalist und Dramatiker

Herbst

Wo verdorrt, Blätter stieben

Herbst

Hohler Ton,
Violenton,
Bang im Herbste,
Stöhnte mit ein-
Töniger Pein
Lang im Herzen.

Ganz verstummt,
Wenn Turm summt.
Stunden schlagen,
Bleich und wach
Wein ich nach
Früheren Tagen.

Und ich geh
Im Wehn und Weh
Hingetrieben,
Da, dort,
Wo verdorrt
Blätter stieben.

Paul Verlaine

Chanson d’automne

Les sanglots longs
des violons
de l’automne
blessent mon cœur
d’une langueur
monotone.

Tout suffocant
et blême, quand
sonne l’heure,
je me souviens
des jours anciens
et je pleure.

Et je m’en vais
au vent mauvais
qui m’emporte
deçà, delà,
pareil à la
feuille morte.

Paul Verlaine

Paul Verlaine (1844 – 1896) französischer Lyriker, Dichter, Schriftsteller

aus ‚ Chanson d’automne‘

‚Ausgewählte Gedichte‘ , übertragen von Graf Wolf von Kalckreuth, Verlag Pöschel & Trepte, 1906. Original im Lemerre-Verlag Paris 1866

Herbsttag

Der Sommer war sehr groß

Herbsttag

Herr: es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß.
Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren,
und auf den Fluren laß die Winde los.

Befiehl den letzten Früchten voll zu sein;
gieb ihnen noch zwei südlichere Tage,
dränge sie zur Vollendung hin und jage
die letzte Süße in den schweren Wein.

Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr.
Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben,
wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben
und wird in den Alleen hin und her
unruhig wandern, wenn die Blätter treiben. 

Rainer Maria Rilke 

Rainer Maria Rilke (1875 – 1926) österreichischer Lyriker deutscher und französischer Sprache

Herbst

Tausend Becher machen die Menge heiter und froh, Du allein bist im Herzen betrübt.

Nacht fiel,
Reif tötete deine Bäume,
Die dürren Blätter warten nicht,
bis sie gelb sind,
Unruhig fallen sie hin.
Bang hielten in dir schlimme Stimmen,
Es fängt dir die Enge;
Dein Fuß zertritt tote Blätter,
Die im Wind sich krümmen.
Im Westen trinken sie Wein bei ihren Festen.
Gesang und Glocken locken in zwölf Straßen,
Tausend Becher machen die Mengen heiter und froh.
Du allen bis im Herzen betrübt.
Der helle Tag über dem Haupt flieht,
Der rote Anblick im Spiegel verfällt,
Das Leben ist eine sich wandelnde Wolke,
Das grüne Herz wird grau, grau, tote Asche.

Bay Juyi

Bay Juyi (772 – 846), chinesischer Dichter, Musiker und Politiker

Herbstgrillen

Es schwirrt und schwirrt so dumpf am Fenster unten

Herbstgrillen

Es schwirrt und schwirrt so dumpf am Fenster unten

Es summt und summt so tief im Bambus drinnen;

Herbst der Natur Sehnsucht dem Wolken ins Herz

Regen der Nacht Wehmut dem Manne im Ohr

Bai Juyi

Bai Juyi (772 – 846), chinesischer Dichter

Der Brombeerzweig

Trag‘ ich tief im Herzen

Der Brombeerzweig

Sieh', da will ein dorn'ger Zweig
Uns den Pfad verwehren -
Sieh' die Beeren überreich,
Die ihn sanft beschweren.

Beeren, schwarz und rot und grün -
Wie sie mählich reifen
Bei der Strahlen heißem Glüh'n,
Die im Wald sie streifen.

So viel Wünsche sonder Zahl
Trag' ich tief im Herzen,
Das dir schlägt in holder Qual
Und geliebten Schmerzen.

Mancher, schon verblutend, mag,
Daß er ward, bereuen -
Doch es reift ein jeder Tag
Seilig einen neuen!

Ferdinand von Saar

Ferdinand von Saar (1833 – 1906), österreichischer Schriftsteller, Lyriker und Dramatiker.

Herbstlied 1

Hohler Ton, Violenton, Bang im Herbste,

Herbst

Hohler Ton,
Violenton,
Bang im Herbste,
Stöhnte mit ein-
Töniger Pein
Lang im Herzen.

Ganz verstummt,
Wenn Turm summt.
Stunden schlagen,
Bleich und wach
Wein ich nach
Früheren Tagen.

Und ich geh
Im Wehn und Weh
Hingetrieben,
Da, dort,
Wo verdorrt
Blätter stieben.

Paul Verlaine

Paul Verlaine (1844 – 1896) französischer Lyriker, Dichter, Schriftsteller