Aus dem dunklen Meere wächst der Mond herauf,
in einem fernen, entfernten Land blüht er jetzt auch auf.
Die Liebe trauert ihren vergeblichen Traum, die Liebe trauert ihren Traum,
sie wartet, auf den entfernten Abend.
Klarer scheint jetzt der Mond in meinen Kummer.
Ich ziehe das Nachtgewand an, kühl ist der Reif.
Hände, meine Hände, wie leer seid ihr,
das alles auszusprechen! -
Du Schlaf, gib mir einen Traum, du Schlaf, einen Traum gib mir
über die Rückkehr nach Hause, über die Rückkehr heim, heim.
Schlaf, den Traum kannst du mir nicht geben --
weil meine Sehnsucht mich ununterbrochen weckt.
Chang Chiu-Ling
Mariechen
Ich schaute ganz wie Du als Kindlein aus,
Nur etwas bleicher waren meine Wangen
Und wurden roth wie Deine, wenn im Haus
Wir polternd über Tisch und Stühle sprangen.
Die Augen waren auch so blau und rein,
Die Locken fielen d'rauf wie gold'ne Fädchen,
Doch liebte Niemand mich, als ich noch klein -
So innig wie ich Dich, Du kleines Mädchen!
Ada Christen
Christiana von Breden, geborene Friederik (1839 – 1901), österreichische Dichterin, Schriftstellerin. Bekannt auch als Ada Carla, Christine von Neupauer, Satanella
aus: „Aus der Asche“. Neue Gedichte von Ada Christen. Verlag: Hamburg, Hoffmann & Campe, 1870. Sternenlos. Seite 38
Winternacht
(vom Liebchen)
Hu, wie in kalter Fluth
Rinnet das heiße Blut,
Nachtfrost durchschüttelt mich,
Winter ist fürchterlich.
Athem aus off'ner Gruft
Strömet die eis'ge Luft,
Schlägt an die Wange rauh,
Färbt mir die Locke grau.
Sieh' wie die Schatten zieh'n,
Lichtlein in Nacht verglüh'n,
Alles ist todt und weiß,
Bin wohl allein nur heiß?
Echo vom Abschieds-Gruß
Seufzt unter meinem Fuß,
Trägt mich von Lust durch Graus
Heim zu dem öden Haus.
Schnee in dem weißen Arm
Halt' mir die Knospen warm!
Liebchen an deiner Brust
Ließ ich des Lebens Lust.
Kalt auch das Stübchen?
Warm sind die Lieder -
Gute Nacht Liebchen!
Ich seh' dich wieder!
Karoline von Fidler
Karoline von Fidler (1801-1874), deutsche Dichterin. andere Namen: Karoline Winkler, Karoline Charlotte Schultz
aus: Gedichte“ von Karoline Fidler. 1844. Seite: 65 – 66
Briefe
Ein Wörtlein! Schaut so klein sich an,
Daß es mein Mund bedecken kann,
Mein heißer, roter Mund.
Und birgt doch eine Welt für mich!
O Gott! Er schreibt: „Ich liebe dich!"
Das macht mein Herz gesund.
Ein Wörtlein! Sieht so winzig aus!
Und wankt um mich doch rings das Haus
Bei jedem Federstrich!
Und fliegt und bebt mir doch die Hand,
Als hielt' ich einen Feuerbrand!
"Ach, du! Und ich ..! Und ich ..!"
Frieda Jung
Anna Friederike Jung, geschiedene Brauer (1865 – 1929), ostpreußische Schriftstellerin, Heimatdichterin, Erzählerin in Niederpreußisch
aus: „Neue Gedichte“ von Frieda Jung. Fünfte Auflage Mit dem Bildnis der Dichterin Königsberg i. Pr. Verlag von Gräfe & Unzer o. J. 1916, Seite 5
Frieda Jung 1925, Federzeichnung von Emil Stumpp (1886-1941, Haftanstalt Stuhm / Sztum, Polen)
Das öde Haus
Tiefab im Tobel liegt ein Haus,
Zerfallen nach des Försters Tode,
Dort ruh' ich manche Stunde aus,
Vergraben unter Rank' und Lode;
'S ist eine Wildniß, wo der Tag
Nur halb die schweren Wimpern lichtet;
Der Felsen tiefe Kluft verdichtet
Ergrauter Aeste Schattenhaag.
Ich horche träumend, wie im Spalt
Die schwarzen Fliegen taumelnd summen,
Wie Seufzer streifen durch den Wald,
Am Strauche irre Käfer brummen;
Wenn sich die Abendröte drängt
An sickernden Geschiefers Lauge,
Dann ist's als ob ein trübes Auge,
Ein rothgeweintes drüber hängt.
Wo an zerrißner Laube Joch
Die langen magern Schoßen streichen,
An wildverwachs'ner Hecke noch
Im Moose Nelkensprossen schleichen,
Dort hat vom tröpfelnden Gestein
Das dunkle Naß sich durchgesogen,
Kreucht um den Buchs in trägen Bogen,
Und sinkt am Fenchelstrauche ein.
Das Dach, von Moose überschwellt,
Läßt wirre Schober niederragen,
Und eine Spinne hat ihr Zelt
Im Fensterloche aufgeschlagen;
Da hängt, ein Blatt von zartem Flor,
Der schillernden Libelle Flügel,
Und ihres Panzers goldner Spiegel
Ragt kopflos am Gesims hervor.
Zuweilen hat ein Schmetterling
Sich gaukelnd in der Schlucht gefangen,
Und bleibt sekundenlang am Ring
Der kränkelnden Narzisse hangen;
Streicht eine Taube durch den Hain,
So schweigt am Tobelrand ihr Girren,
Man höret nur die Flügel schwirren
Und sieht den Schatten am Gestein.
Und auf dem Heerde, wo der Schnee
Seit Jahren durch den Schlot geflogen,
Liegt Aschenmoder feucht und zäh,
Von Pilzes Glocken überzogen;
Noch hängt am Mauerpflock ein Rest
Verwirrten Wergs, das Seil zu spinnen,
Wie halbvermorschtes Haar, und drinnen
Der Schwalbe überjährig Nest.
Und von des Balkens Haken nickt
Ein Schellenband an Schnall' und Riemen,
Mit grober Wolle ist gestickt
"Diana" auf dem Lederstriemen;
Ein Pfeifchen auch vergaß man hier,
Als man den Tannensarg geschlossen;
Den Mann begrub man, tot geschossen
Hat man das alte treue Thier.
Sitz ich so einsam am Gesträuch
Und hör' die Maus im Laube schrillen,
Das Eichhorn blafft von Zweig zu Zweig,
Am Sumpfe läuten Unk' und Grillen –
Wie Schauer überläuft's mich dann,
Als hör' ich klingeln noch die Schellen,
Im Walde die Diana bellen
Und pfeifen noch den toten Mann.
Annette von Droste
Anna Elisabeth Franzisca Adolphina Wilhelmina Ludovica Freiin von Droste zu Hülshoff (1797 – 1848), deutsche Schriftstellerin, Komponistin
aus: „Lyrische Gedichte“ von Annette von Droste-Hülshoff. Herausgegeben von Levin Schücking. Verlag: der Cotta’schen Buchhandlung, Stuttgart, 1879. Seite 126 – 128