Die Harmonie der Liebe Einst, vom Schlummer überwältigt, Lag ich auf der weichen Matte, Und im Traume nahte Phöbos, In der Hand die Leier haltend. Golden wiegten sich die Locken Auf der hohen Götterstirne, Und den Feuerblick des Auges Seiner Sonne zugewendet, Griff er mutig in die Saiten. Da umrauschten Harmonien Himmlisch meine trunknen Sinne, Und das Lied des Götterjünglings Strömte feurig durch die Glieder. Plötzlich aber schwang der Sänger Auf sich von der stolzen Erde, Und den goldnen Sternen näher Schwand das hohe Lied des Gottes, Immer leiser, immer leiser, Bis das Element des Einklangs Sich in süßes Wehn verwandelt. - Da erwacht' ich, und Apollo's Liebe noch begierig lauschend, Griff ich hastig nach der Leier. Um den Nachhall meines Herzens Auszuatmen in der Saiten Süß berauschendem Getöne. Doch ich suchte nur vergebens Nach der Harmonie des Gottes, Und der Saiten stimmte keine Mit dem himmlisch reinen Liebe, Das mir tief im Herzen wogte, Finster starrt' ich in die Lüfte, Und verwünschte meine Leier. - Plötzlich aber weckten Küsse Mich aus meinen düstern Träumen: Leis' war Chloris hergeschlichen Und verscheuchte schnell den Unmut Durch das süße Spiel der Liebe. - Ach, und jetzt in ihren Armen, Ihr am liebewarmen Busen, Strömte mir ein neues Leben, Neue Kraft durch alle Glieder, Und der Liebe süßster Einklang Wogte mir im trunknen Herzen, Schöner, heiliger und reiner, Als das Lied des Götterjünglings
Carl Theodor Körner
Carl Theodor Körner (1791-1813) deutscher Freiheitskämpfer, Schriftsteller, Burgtheaterdichter in Wien, Verfasser patriotischer Lieder
aus: „Theodor Körner’s sämtliche Werke“, Philadelphia, Weick und WIeck, 1853. Seite 89 – 90