Caldeonia

Laß Haine von Myrthen dem südlichen Strande

Caledonia

Laß Haine von Myrthen dem südlichen Strande,
O laß ihm der Düfte durchdringenden Hauch!
Mich labet das Thal mit Farren am Rande,
Des Bächleins und gelblichem Ginsterstrauch;
Mich freuet die Laube vom Quell umrauschet,
Wo Maßlieb, Glöckchen und Primel erblüh'n;
Denn dort hüpft über die Blumen und lauschet
Dem Hänflingsang meine liebliche Jean.

Nicht immer säuselnd in sonnigem Scheine
Bläs't Caledonia über die Flut:
Doch, stolze Paläste der würzigen Haine,
Wen bergt ihr? - Despoten und Sklavenbrut!
Für gold'ne Fontänen und Marmorsteine
Wird nimmer die Seele des Schotten erglüh'n:
Er trägt, frei wie die Luft seiner Haine,
Nur Liebesfesseln von seiner Jean.

Robert Burns

Robert Burns (1759 – 1796), schottischer Dichter, Schriftsteller.

aus: Robert Burns‘ Gedichte, übersetzt vom schottischen ins deutsche von. Wilhelm Gerhard. Mit des Dichters Leben und erläuternden Bemerkungen. Gedichte, Lieder und Balladen. Seite 1

Briefwechsel

Im Garten, heute Morgen

Briefwechsel

Im Garten, heute Morgen,
Als ich deinen Brief erbrach,
Fand ich drin verborgen
Ein Rosenblatt.
Ein Rosenblatt, deinen Locken entsunken.
Als ich es trunken
Mit den Lippen berührte,
Kam ein Windhauch und entführte
Den holden Gast.
Nun segelt es lustig zu dir zurück.
Gleich einer Krone trägt es mein Glück
Auf tiefrotem Samt

Detlev Liliecron

Friedrich Adolf Axel Freiherr von Liliencron (1844 – 1909), deutscher Lyriker, Prosa- und Bühnenautor

aus: „Ausgewählte Gedichte“ von Detlev Freiherr von Liliencron. Verlag: Schuster & Loeffler, Berlin und Leipzig, 1904. Seite 168

Die Geburt der Sterne

drin stille Engel unsichtbar goldener Blumen warten

Die Geburt der Sterne

Weißt du} mein Lieb, wann jedesmal am Firmament ein Licht,
ein Stern entsteht? Du töricht Kind, nicht wahr, das weißt du nicht?
Ich muß es dir erzählen, komm, und lege traulich sacht
dein Köpfchen mir ans warme Herz – andämmern laß die Nacht.

Siehst du: der dunkle Himmel dort ist ein unendlicher Garten,
drin stille Engel unsichtbar goldener Blumen warten.
Und jedesmal, wann drunten hier zwei Seelen sich entzünden,
sich, zueinander heiß gebannt, in Glück und Glut verbünden,
dann pflanzen eine Blume sie dem tiefen Grunde ein
und segnen jede junge Lust mit jungem Sternenschein. –

O sieh: schon ist die heilige Nacht gemach herangetreten,
die Blumen leuchten ungezählt her von den ewigen Beeten,
und alle künden und zeugen nur von irdischer Menschen Liebe –
o daß auch unseres Glückes Stern ewig uns leuchten bliebe!

 Otto Erich Hartleben

Otto Erich Hartleben (1864 – 1905), deutscher Schriftsteller, Dichter, Übersetzer, Dramatiker

Tag und Nacht

Und wieder klag die leise Stimme mir

Tag und Nacht

Es sprach der junge Tag in meinen Traum:

»Wach auf! Sieh! Meines Mantels goldner Saum
Ist über dunkle Dächer ausgegossen,
Und tausend Ströme sind geflossen
Und wurden Morgenlicht und heller Tag.
Nur Du noch ruhst im Traumeshag
Wo alle Wünsche wie lebendig scheinen
Und sich zu wechselbunten Spiele einen. –
Blick auf! Hörst Du aus fernen Dämmern
Den Rythmus der Arbeit mit ehernen Hämmern
Wach auf! – Aus allen Poren bricht das Weltgetriebe,
Kein Glied, das ohne Kraft und Schaffen bliebe
Und jedes schmiegt sich wieder sorgsam ein
In meiner Lande unbegrenzte Reihn
Und keiner ruht. – Nur Du allein!« –

Und tiefer kroch das Leuchten an der Wand.
Auf meinen Augen lag's, wie eine heiße Hand

Und schnell war Lid und Wimper offen
Von goldner Flut des frohen Lichts getroffen.

Und wieder klang die leise Stimme mir:

»Mit erlesenen Gaben komm ich zu Dir.
Mein Kleid ist weit. Doch seine tausend Falten
Vermöchten nicht der Gaben reiche Zahl enthalten,
Die meine Arme Dir entgegenbreiten.
Ich bringe Dir Ehre und Glück aus den Weiten
Ich habe Dir alle Wege geweitet,
Drauf purpurne Rosen und Blüten gebreitet,
Was Deine Gedanken nur betend erwähnt,
Was Deine Wünsche mir Thränen ersehnt,
Was kaum Du erhofft in schüchternem Denken,
Das will ich Dir heute, heute noch schenken.
Ich will Dir den ungeborenen Willen
In leuchtenden Farben zur Wahrheit erfüllen
Und für das Leid aus fernen, schweren Tagen
Werd' ich Dir wunderweiche Worte sagen,
Und Glück und Sorge, was Dich nur umflicht,
Dir wird es wesenlos und lebt nur im Gedicht. –
Ich mache Dir zaubergewaltig den Arm
Ich führe Dich weg von dem neidischen Schwarm,
Der jedes Streben sinnberauscht verlacht.
Ich nehm Dir alles, was Dich ihnen ähnlich macht.«

So sprach der Tag. Ich aber horchte fort
Und schlürfte gierig Wort für Wort.

»Doch geb' ich nicht die überreiche Spende
In schlummermüde, arbeitsträge Hände
Und werfe Dir nicht die Gaben dahin. –
Steh' auf und sieh sie im Leben erblühn!
Ich bin der Tag und bin dem Leben gleich
Erfüllung harrt für jeden Wunsch in meinem Reich,
Nicht wirst Du bittend meine Gunst erringen
Nein! Wie ein Weib mußt Du mich zwingen,
Das nicht für weiche Worte seine Gaben giebt
Und nur die Kraft, den starken Willen liebt,
Der sie mit seiner Wucht errungen.«

So sprach der Tag mit leisen, weisen Zungen
Und flammte heiß mit grellen, gelben Lichtern,
Und still ward da mein Herz und schüchtern
Bei dieser Worte wahrheitsschweren Klang
Allein der Tag fuhr fort und sang:

»Doch hat Dich das Schaffen dann müde gemacht,
Führ' ich Dich neu in die Arme der Nacht.
Durch des Abends blütenrote stille Weiten
Will ich Dich zum Traume heimgeleiten;
Diesem schenkst Du, was ich Dir errungen,
Glück und Glanz und echte, große Lieder
Und er giebt es tausendfach Dir wieder
Durch der Traumessänge seligsüße Weise.
Und so dreht sich Tag und Nacht im Kreise
Bist Du bei mir stark und stolz geworden,

Löst die Nacht mit ihres Lieds Accorden
Wieder Deine Einsamkeit und Eigensucht
Und des steten Wechsels reiche Frucht
Ist: Daß Du des Nachts die Seele sehnend weitest
Und des Tags zur That Dich froh bereitest.
Doch nun laß des Morgendämmerns bleiche
Traumesgärten! Auf! Zieh ein in meine Reiche.«

Und es wuchs in mir ein frohes, heißes Beben
Ich sprang auf, hinein ins volle Leben! 

Stefan Zweig

Stefan Zweig (1881 – 1942), österreichischer Schriftsteller, Übersetzer, Pazisfist

Träume nicht immer nur Schäume

Ich wünsche dir

Träume nicht immer nur Schäume. Ich wünsche dir , dass der Unterschied zwischen Traum und Wirklichkeit täglich kleiner wird.

Das Träumen ist der Sonntag des Denkens.

Henri-Frédéric Amiel

Henri-Frédéric Amiel (1821 – 1881) Schweizer Schriftsteller, Philosoph, Essayist und Lyriker

Das Glück

sondern sie alle siegreich und glorreich zu überwinden

Das Glück des Lebens besteht nicht sowohl darin, wenig oder keine Schwierigkeiten zu haben, sondern sie alle siegreich und glorreich zu überwinden.

Carl Hilty

Carl Andreas Hilty (1831 – 1909), Schweizer Staatsrechtler und Laientheologe

Fröhliche Menschen

Fröhliche Menschen sind nicht bloß glücklich

Fröhliche Menschen sind nicht bloß glückliche, sondern auch in der Regel gute, wohlwollende Menschen ohne Neid und Grämelei, ohne Klatscherei und Verleumdung, die recht gerne so weit möglich den Bösen aus dem Wege gehen.

Karl Julius Weber

Carl Julius Weber, 1767 – 1832, deutscher Schriftsteller, Satiriker, Philosoph.

goldene Mitte

Wer die goldene Mitte liebt

Wer die goldene Mitte liebt, der braucht nicht in schmutziger Hütte zu wohnen, noch in fürstlichem Prunkpalaste andern zum Neide.

Francesco Petrarca

Francesco Petrarca (1304 – 1374), italienischer Dichter, Geschichtsschreiber