An …

Ich sorge nicht, daß mein Erdenlos

An …

Ich sorge nicht, daß mein Erdenlos
wenig von Erde trägt,
das Hass in Minute erbarmungslos
Jahre der Liebe schlägt.
Ich klage nicht, daß mehr an Glück
der Einsame hat denn ich –
doch daß Du sorgst um mein Geschick-
um diesen Wanderer – mich!

Edgar Allan Poe

Edgar Allan Poe (1809 – 1849) US-amerikanischer Schriftsteller, Dichter

aus: „Ausgewählte Gedichte“ von Edgar Allan Poe. Übertragung aus dem englischen ins deutsche von Hedwig Lachmann (1865 – 1918). Verlag: Bibliographisches Bureau, Berlin, 1891. Seite 54

Es gibt Düfte

Süß wie Oboen, grün wie junges Laub

Es gibt Düfte, frisch wie Kinderwagen
Süß wie Oboen, grün wie junges Laub
Verderbte Düfte, üppige, voll Prangen
Wie Weihrauch, Ambra, die zu uns im Staub
den Atemzug des Unbegrenzten bringen
Und unserer Seele höchste Wonne singen.

Charles Baudelaire

Charles Baudelaire (1821 – 1867), französischer Schriftsteller, Übersetzer, Herausgeber

Der Zufall liefert

mir, was ich brauche

Der Zufall liefert

Der Zufall liefert mir, was ich brauche, ich bin wie ein Mann, der vorwärts stolpert und mit dem Fuß gegen etwas stößt. Ich bücke mich und es ist genau das, was ich brauche.

James Joyce

James Joyce (1882 – 1941), irischer Schriftsteller, Autor, Lyriker, Erzähler, Lehrer, Dichter

Es ist

Es ist

Es ist nicht mehr Tag, der Schatten liegt auf der Erde. Es ist Zeit, daß zum Fluß ich gehe, den Kurg zu füllen.
Die Abenluft ist schwanger von dunkler Musik des Wasser - es ruft mich ins Zwielicht hinaus. In der einsamen Gasse geht Niemand vorüber, der Wind ist auf, die Wellen kräuselnd sich auf dem Flusse.
Ich weiß nicht, ob ich je heimwärts wiederkehre, ich weiß nicht, wen mir der Zufall entgegenführt. Dort bei der Furt in dem kleinen Boot spielt der Unbekannte auf seiner Flöte.

 Rabandranath Tagore

Rabindranath Tagare ( 1861 – 1841), bengalischer Dichter, Philosoph, Musiker, Komponist, Dramatiker, Universalgelehrter, Anhänger der hinduistischen Reformbewegung Brahmo Sanaj

Schaue immer in Richtung der Sonne

und alle Schatten werden hinter dich fallen

Schaue immer in Richtung

Schaue immer in Richtung der Sonne – und alle Schatten werden hinter dich fallen.

Walt Whitman

Walt Whitman (1819 – 1892) US-amerikanischer Schriftsteller, Dichter, Schriftsetzer, Lehrer, Essayist

aus: Versgesang aus: Walt Whitmans Werke, ‚Gesang von mir Selbst‘ . S. Fischer Verlag Berlin, 1919, 2. Band. Übertragung: Hans Reisiger (1884 – 1968)

‚Gesang mit mir selbst‘, übersetzt aus dem Amerikanischen ins Deutsche von Max Hayer. Verlag Leipzig und Wien. Wiener Graphische Werkstätte, 1902.

Niemals war mehr Anfang

als jetzt, nie mehr Jugend und Alter als jetzt

Niemals war mehr Anfang

Niemals war mehr Anfang, als jetzt, nie mehr Jugend und Alter als jetzt, nie mehr war mehr Vollkommenheit als jetzt, nie mehr Himmel und Hölle als jetzt,

Trieb und Trieb und Trieb, stets der zugehende Trieb der Welt.

Walt Whitman

Walt Whitman (1819 – 1892) US-amerikanischer Schriftsteller, Dichter, Schriftsetzer, Lehrer, Essayist

Über mich

Über mich ist die Liebe gekommen

Über mich

Über mich, über mich
ist die Liebe gekommen,
gab mir Glück, gab mir dich,
hat mir mich genommen.

Bin gekniet und bin klein,
muß mich hoch erheben.
All mein Leben ist dein,
du, mein Leben …

Alma Johanna Koenig

Alma Johanna Koenig (1887 – 1942 ermordert im Vernichtungslager Maly Trosthnec) österreichische Lyrikerin, Erzählerin, Romanautorin und Übersetzerin

Ich traure nicht

Ich sorge nicht, daß mein Erdenlos

Ich traure nicht

Ich traure nicht, dass schon am Ziel
mein irdisches Geschick,
dass lange Jahre Frucht zerfiel
in einem Augenblick.
Nicht, dass kein einziger wie ich
so einsam und umsät,
blass darauf, dass du weinst um mich,
der nur vorübergeht.

Edgar Allan Poe

Edgar Allan Poe (1809 – 1849) US-amerikanischer Schriftsteller, Dichter

Übertragung Hedwig Lachmann (1865 – 1918)

aus: ‚Ausgewählte Gedichte‘ von Edgar Allan Poe. Übertragung Hedwig Lachmann. Verlag des Bibliographischen Bureaus, 1891

Das kleine Kind schläft

ich lüpfe das Flortuch und schaue lange

Das kleine Kind schläft

Das kleine Kind schläft in seiner Wiege; ich lüpfe das Flortuch und schaue lange, und behutsam scheuch‘ ich die Fliegen mit meiner Hand. Der Knabe und das rotbäckige Mädchen werden sich die Flanke des behuschen Hügels hinauf, von seinem Gipfel aus nehm ich sie wahr.

Walt Whitman

Walt Whitman (1819 – 1892) US-amerikanischer Schriftsteller, Dichter, Schriftsetzer, Lehrer, Essayist

aus: ‚Gesang mit mir selbst‘, übersetzt aus dem Amerikanischen ins Deutsche von Max Hayer. Verlag Leipzig und Wien. Wiener Graphische Werkstätte, 1902.