Der Hase und der Fuchs

Ein Hase und ein Fuchs reisten beide mit einander

Der Hase und der Fuchs
(mündlich in Thüringen)

Ein Hase und ein Fuchs reisten beide mit einander. Es war Winterszeit, grünte kein Kraut, und auf dem Felde kroch weder Maus noch Laus. "Das ist ein hungriges Wetter," sprach der Fuchs zum Hasen, "mir schnurren alle Gedärme zusammen." - "Ja wohl" antwortete der Hase. "Es ist überall Dürrhof, Und ich möchte meine eignen Löffel fressen, wenn ich damit ins Maul langen könnte."
So hungrig trabten sie mit einander fort. Da sahen sie von weitem ein Bauernmädchen kommen, das trug einen Handkorb, und aus dem Korb kam dem Fuchs und dem Hasen ein angenehmer Geruch entgegen, der Geruch von frischen Semmeln. "Weißt Du was!" sprach der Fuchs. "Lege Dich hin der Länge lang, und stelle Dich todt. Das Mädchen wird seinen Korb hinstellen und Dich aufheben wollen, um Deinen armen Balg zu gewinnen, denn Hasenbalge geben Handschuhe; derweilen erwische ich den Semmelkorb, uns zum Troste."
Der Hase that nach des Fuchsen Rath, fiel hin und stellte sich todt, und der Fuchs duckte sich hinter eine Windwehe von Schnee. Das Mädchen kam, sah den frischen Hasen, der alle Viere von sich streckte, stellte richtig ihren Korb hin und bückte sich nach dem Hasen. Jetzt wischte der Fuchs hervor, erschnappte den Korb und strich damit querfeldein, gleich war der Hase lebendig und folgte eilend seinem Begleiter. Dieser aber stand gar nicht still, und machte keine Miene, die Semmeln zu theilen, sondern ließ merken, daß er sie allein fressen wollte. Das vermerkte der Hase sehr übel. Als sie nun in die Nähe eines kleinen Weihers kamen, sprach der Hase zum Fuchs: "Wie wäre es, wenn wir uns eine Mahlzeit Fische verschafften? Wir haben dann Fische und Weißbrod, wie die großen Herren! Hänge Deinen Schwanz ein wenig ins Wasser, so werden die Fische, die jetzt auch nicht viel zu beißen haben, sich daran hängen. Eile aber, ehe der Weiher zufriert."
Das leuchtete dem Fuchs ein, er ging hin an den Weiher, der eben zufrieren wollte, und hing seinen Schwanz hinein, und eine kleine Weile, so war der Schwanz des Fuchses fest angefroren. Da nahm der Hase den Semmelkorb, fraß die Semmeln vor des Fuchses Augen ganz gemächlich, eine nach der andern, und sagte zum Fuchs: "Warte nur, bis es aufthaut, warte nur bis ins Frühjahr, warte nur bis es auftaut!" und lief davon, und der Fuchs bellte ihm nach, wie ein böser Hund an der Kette.

Ludwig Bechstein (1801 – 1860), deutscher Schriftsteller, Archivar, Apotheker, Bibliothekar, Märchensammler.

Die Fabel von dem Fuchs und dem Sperling

Die Fabel von dem Fuchs und dem Sperling sagt von einem, der anderen raten k onnte, aber sich selbst nicht.

Und das war so:

Es hatte eine Taube ihr Nest auf einer hohen Palme, und immer, wenn sie ihre Jungen ausgebrütet hatte mit großer Arbeit, kam ein Fuchs zu dem Baum und ängstigte sie mit Drohworten so, daß sie ihrer Jungen selbst herunterwarf, um vor ihm sicher zu sein. Einst saß nun die Taube wieder auf ihrem Nest und brütete, da flog ein Sperling auf einen Ast der Palme, und weil er die Taube so traurig sah, sprach er zu ihr: "Nachbarin, was läßt dich trauern, da doch bald deine Jungen ausschlüpfen?" Die Taube aber antwortete ihm "Was freuen mich meine Jungen. Sobald ich sie ausgebrütet habe, kommt der Fuchs und droht mir und bringt mich so in Furcht, daß ich ihm meine Jungen geben, um sicher vor ihm zu sein." Darauf sprach der Sperling: "Rennst du nicht den Trügner, den Fuchs? Folge meinem Rat, und er wird dir ferner nicht mehr schaden." Die Taube antwortete: "Rede, ich folge dir." Und der Sperling sprach: "Wenn der Fuchs kommt und dich schrecken will, so sage ihm: Tue, was du willst, und wenn du lernst, auf diesen Baum zu steigen, so tage ich meine Jungen auf einen andern, aber ich gebe sie dir nicht." Nach einiger Zeit kam der Fuchs, da er dachte, daß die Taube nun ihre Jungen ausgebrütet hatte, und drohte ihr wie immer. Aber die Taube antwortete ihm, was der Sperling sie gelehrt hatte. Da sprach der Fuchs: "Sage mir, wer dir diese Worte gewiesen hat, dann sollst du und deine Jungen sicher sein." Die Taube antwortete darauf: "Das hat der Sperling getan, der am Wasser wohnt." Darauf ging der Fuchs zu dem Sperling, grüßte ihn höflich und sprach: "Lieber Nachbar, wie magst du dich vor Wind und Regen schützen?" Der Sperling gab Antwort und sagte: "Wenn der Wind von der rechten Seite weht, wende ich das Haupt zur linken, und wenn er von der linken Seite weht, kehr ich das Haupt zur rechten und bin so sicher." Darauf fragte der Fuchs: "Wenn aber ein Wetter kommt, daß von allen Seiten Wind bringt, wie birgst du dich dann?" Der Sperling antwortete ihm, dann stecke ich mein Hupt unter die Fittiche. Da sprach der Fuchs: "Selig seid ihr Vögel, von Gott mehr als alle anderen Geschöpfe begabt. Ihr fliegt zwischen Himmel und Erde so schnell, wie kein Mensch und kein Tier laufen kann, und kommt überall hin, wo sonst niemand hingelangen kann. Dazu sollt ihr noch die Gnade haben, euer Haupt unter den Flügeln zu bergen, daß euch kein Ungewitter schaden kann. Das mag ich nicht glauben, ehe du mir es nicht zeigst." Und der Sperling wollte seine Kunst weisen vor dem Fuchs und steckte seinen Kopf unter die Flügel. Da sprang der Fuchs zu, ergriff ihn und sprach: "Du bist dir selbst ein Feind. Der Taube konntest du guten Rat geben, aber dir selbst kannst du nicht raten. Und dann fraß er ihn.

Der Fuchs und die Trauben

Der Fuchs und die Trauben

Ein Fuchs, der auf die Beute ging,
Traf einen Weinstock an, der, a voll von falben Trauben,
Um einen hohen Ulmbaum hing,
Sie schienen gut genug, die Kunst war abzuklauben.
Er schlich sich hin und her, den Zugang auszuspähn;
Umsonst, es war zu hoch, kein Sprung war abzusehn.
Der Schalk dacht in sich selbst: ich muß mich nicht beschämen;
Er sprach, und macht dabei ein hämisches Gesicht:
"Was soll ich mir viel Mühe nehmen,
Sie sind ja saur und taugen nicht!"

So geht’s der Wissenschaft: Verachtung geht für Müh,
Wer sie nicht hat, der tadelt sie.


Albrecht von Haller 1732

Albrecht Viktor Haller (1708 – 1777), Schweizer Mediziner, Anantom, Naturforscher, Enzyklopädist, Dichter, Bibliograf

Der Fuchs und die Gans

Es fing einmal ein Fuchs eine Gans

Der Fuchs und die Gans

Es fing einmal ein Fuchs eine Gans und wollte sie eben verzehren. Da hat sie, daß er ihr doch gestatten möchte vor ihrem Ende noch einmal zu tanzen. Der Fuchs dachte: „Das kann ich ihr wohl gewähren, sie soll mir nachher um so besser schmecken, wenn ich ihr dabei zugesehen habe.“

Als nun die Gans die Erlaubnis hatte, hob sie sich mit den Füßen mehrmals ein wenig vom Boden auf, machte dabei auch die Flügel auseinander und begann vor dem Fuchs recht artig zu tanzen, wie die Gänse thun bevor sie anfangen zu fliegen. Nachdem sie aber so eine Weile zum großen Vergnügen des Fuchses getanzt hatte, flog sie davon. Da hatte der Fuchs nichts als das Nachsehen und weil dies bei einem Gänsebraten, wie Du weißt, nicht viel sagen will, so sprach er: „Wie diesmal soll es mir gewiß nicht wieder ergehen; vor dem Essen ißt kein Tanzen wieder.“

Heinrich Pröhle

Heinrich Pröhle (1822 – 1895) deutscher Schriftsteller, Lehrer und Märchensammler

Heinrich Pröhle (1822 – 1895)