An den Bach Was rauschst du vor mir dahin, Du kühle, klare Fluth, Von dieser Silberpappeln Grün Beschirmt vor Sonnengluth? Du eilst in jenes stille Thal, Wo die drey Erlen stehn - Ach dorthin, wo zum letzten Mahl Ich Wilhelm jünst gesehn! Es war ein schöner Frühlingstag, So schön wird keiner mehr; Im reinsten goldnen Licht lag Die Gegend um uns her. Die Sonne sank, ihr letzter Schein hüllt' in ein Veilchenblau Des Berges bewachten Gipfel ein, Und schimmert' an der Au. Da standen wir, du lieber Bach, An deinem grünen Bord, Und sahn dem Spiel der Wellen nach, Und wagten nicht ein Wort. Der Schmerz der nahen Trennung goß MIr Schauer druch das Blut, Und manch entschlürpftes Thränchen floß Still in die kalte Fluth. Da both er eine Rose mir, Die er vom Strauche brach, Ach, unbeschreiblich ist, was hier Sein blaues Auge sprach! Nun ist er fort, die Rosenzeit Ich bin, die Blüthe leer - Doch jenen Blick voll Zärtlichkeit Vergess' ich nimmermehr! Caroline Pichler
Caroline Pichler, geborene Greiner (1769 – 1843), österreichische Schriftstellerin, Lyrikerin, Salonniére, Kritikerin
aus: Gedichte“ von Caroline Pichler. Neue verbesserte Auflage. Verlag: gedruckt und im Verlage bey Anton Pichler, Wien, 1822. Seite 5 – 6
Bildnis: Caroline Pichler (1769 – 1843)
Zeichnung vom Maler Maler: Josef Nikolaus Kriehuber (1800 – 1876)