Blumengruß
Bringt Veilchen mir, daß ich den Frühling schaue,
So lang des Maies zarte Kinder blühn -
Wie sind sie schöne im jungen Morgenthaue!
Bringt Veilchen mir, daß ich den Frühling schaue,
Bringt Blüten mir und junges Maiengrün!
Bringt Rosen mir, des Lenzes Haupt zu krönen,
Die Sanduhr rinnt, die Blüten sinken hin!
Bald wird des Sommers Scheidegruß ertönen!
Bringt Rosen mir, des Lenzes Haupt zu krönen,
Bringt Blumen mir, so lang die Blumen blühn!
Agnes Franz
Louise Antoinette Eleonore Konstanze Agnes Fransky (1794 – 1843)
aus: ‚Gedichte‘ Verfasser: Agnes Franz. Herausgeberin: Julie von Großmann. Verlag und Druck: Puukammer, Berlin, 1845
Der Frühlingstag
(Sophiens Schattengewidmet)
Wenn über mir das reine Blau der Luft
Und rings um mich der Blüthenbäume Duft
Den Frühlingstag in mein Gedächtniss ruft,
Der unsre Herzen liebend einst verband,
Als ich zuerst Dein Innerstes verstand –
Dann blick’ ich, wie in meines Glücks Ruinen,
Hin auf Dein Grab, um das Cipressen grünen.
Und dann berührt das Bild vergangner Stunden
Auf’s neu in mir der ew’gen Trennung Wunden.
Dich zu verlieren hatt’ ich Dich gefunden! –
Und Thränen fliessen jenem Frühlingstag
Und Dir, die Du ihm lächelnd glichest, nach.
Doch ach, so heiss, so bitter sie auch rinnen –
Sie können nicht der Gruft Dich abgewinnen.
Natalie
Charlotte von Ahlfeld
Charlotte Elisabeth Luise Wilhelmine von Ahlefeld (1781 – 1849). Pseudonyme: Elisabeth Selbig, Natalia, Emetine, Frau Charlotte Seebach Felicitas, Elise Selbig, Marie Müller. Deutsche Schriftstellerin, Dichterin
aus: „Gedichte von Natalie“ Charlotte von Ahlefeld. Verlag: Berlin, Johann Friedrich Unger, 1808. Seite 84
Zeichnung: Charlotte von Ahlefeld (1781 – 1849)
Bleistiftzeichung von Ferdinand von Blumenbach um 1800
Die Haarlocke
Kleinod, das als goldnes Wölkchen
Einst an meinem Himmel stand,
Einst ein Ring der Kron', mit welcher
Schönheit ihr das Haupt umwand;
Däuchst mir nun ein welkes Blättlein,
Im verflossnen Lenz gepflückt,
Das in bangen Winterstunden
Mir den Lenz vors Auge rückt.
Also wird ein Pilgerleben,
Was uns längst die Zeit entrafft,
Neu im Kleinen uns gegeben,
Fesselnd mit verjüngter Kraft;
So ein Blatt nur von dem Baume,
Der einst Liebende umwallt,
So ein Bild nur aus dem Traume,
Welcher der Geliebten galt!
Anastasius Grün
Count Anton Alexander von Auersperg (1806 – 1876), österreichischer Dichter, Schriftsteller, Politiker. Pseudonym: Anastasius Grün.
aus: „Blätter der Liebe“, Poesie-Album, 1871 von Anastasius Grün. Druck und Verlag von Gebrüder Franckh, Stuttgart, 1830. Erste Liebe. Seite 47
Bildnis: Anton Alexander von Auersperg (1806 – 186)
Gemälde: Porträt vom Maler Josef Kriehuber (1800 – 1876)
Der Frühling
Des Winters Hülle deckte
nicht mehr die öde Flur;
der Hauch des Lenzes weckte
die schlafende Natur.
Es wurden schon die Schatten,
es duftete der Pfad,
den Flora mit dem Gatten
jüngst, Hand in Hand, betrat.
Blauäugige Amoene,
ertönete mein Lied;
verändert ist die Szene,
der rauhe Winter flieht,
kein Nordwind drohet weiter
der zarten Haut Gefahr,
ein West, wie du so heiter,
spielt um dein blondes Haar.
Des Frühlings erste Blume,
komm, suche sie mit mir!
Zu Venus' Heiligtume
bring' ich sie dann mit dir,
dass sie das Denkmal kränze
des Dichters, dessen Lied
unsterblich, gleich dem Lenze,
dem er es weihte, blüht.
Dann schleichen wir zur Laube
bei meiner Flöte Schall;
dort girrt die Turteltaube,
dort ächzt die Nachtigall.
Dort wollen wir im Kühlen,
des Neides Aug' entrückt,
die Macht des Gottes fühlen,
der alles neu beglückt.
Sie teilte das Verlangen,
das meine Brust empfand;
es glüht' auf ihren Wangen,
es schlug in ihrer Hand.
Doch schnell benetzten Zähren
den unruhvollen Blick;
mit jungfräulichem Wehren
zog sie die Hand zurück.
Du weigerst dich, Amoene?
Ist's Misstrau'n? Ist es Scherz?
O trockne diese Träne,
du kennest Damons Herz!
Auch in verschwieg'nen Lauben
ist's, wie die Quelle, rein
und ohne Falsch, wie Tauben,
und ganz, Amoene, dein!
Friedrich Wilhelm Gotter
Friedrich Wilhelm Gotter (1746-1797)deutscher Schriftsteller, Dichter
aus: „Gedichte“ von Friedrich Wilhelm Gotter.Verlag: Carl Wilhelm Ettinger, Gotha, 1787. VII: Seite 26 – 29
Der Frühlingsmorgen
Der erste Frühlingsmorgen
Erwachet über mir,
Und findet mich in Sorgen,
Und sieht mich fern von dir.
Sonst fand er mich in Freuden
An deiner trauten Hand,
Mir waren Trennungsleiden
Und Gram noch unbekannt.
Nun treibt mich banges Sehnen
Auf Wiese, Feld und Au:
Dort mischen meine Thränen
Sich mit dem Morgenthau.
Obschon zu künft'gen Früchten
Die Erde Blüthen trägt,
Die Nachtigall Geschichten
Von treuer Liebe schlägt;
Die holde Frühlingssonne
Auf uns hernieder lacht,
Und jedes Herz zur Wonne
Und zum Gebeth erwacht:
Theil' ich doch nicht die Freuden,
Theil' ich die Andacht nicht,
Ich fühle nur die Leiden
Schwer drückendes Gewicht,
Nur, dass ich fern, o Trauter,
Von deinem süssen Kuss,
Der Erde Fest mit lauter
Wehklage feyern muss.
Gabriele Baumbeg
Frühlingsgedanken
Vögel singen, neues Leben,
Frisches Grün an Blatt und Baum:
Für die Vögel neue Lieder,
Für das Herz ein neuer Traum!
Doch das Leben wird veralten,
Hin zur Erde welkt das Grün;
Blumen senken ihre Häupter:
Wirst, mein Traum, auch du verblüh’n?
Ferdinande Brackel
Ferdinande Maria Theresia Freiin von Brackel (1835-1905), deutsche Schriftstellerin, Dichterin. Pseudonym: E. Rudorf
aus: „Gedichte“ von Ferdinande Brackel. Verlag: J. P. Bachem, Köln, 1880. Lyrisches. Seite 33
Es war ein Traum
Es war ein Traum -
Und ach, wie war er sonnig,
Wie freudenvoll und wie bezaubernd schön,
Wie eines Frühlings erster Morgen:
Doch ach, zu reizend auch, um zu besteh'n.
Es war ein Traum
So duftig wie die Rose,
Die eben erst der Knospe sich entwand,
So spiegelnd lockend wie der Regenbogen, -
Doch rasch, wie jener, der entschwand.
Es war ein Traum,
Der erste Traum des Herzens -
Es war des jungen Herzens erster Mai;
Es war das Glück, das sich ihm schimmernd zeigte:
Und wie die Seifenblase sprang's entzwei.
Es war ein Traum! -
Hart war es, zu erwachen,
Er hatte zu viel Seligkeit gebracht.
So folgt wohl auf den ersten Tag im Lenze
Die eisig kalte Winternacht.
Es war ein Traum!
Jetzt ist er längst vergessen.
Daß einst ich träumt', ich weiß es kaum;
Zuweilen nur zuckst's schmerzlich durch die Seele:
Dann sag' ich leis: "Es war ein Traum."
Ferdinande Brackel
Ferdinande Maria Theresia Freiin von Brackel (1835-1905), deutsche Schriftstellerin, Dichterin. Pseudonym: E. Rudorf
aus: „Gedichte“ von Ferdinande Brackel. Verlag: J. P. Bachem, Köln, 1880. Lyrisches. Seite 20 – 21
Das Vöglein in blauer Luft / Zugvögel
Vöglein in blauer Luft,
Hab' dich so gerne,
Schwebst über Meer und Kluft
Sanft wie die Sterne,
Hin, wo der Frühling blüht,
Trägst du dein schwellend Lied --
Grüß' mir die Ferne!
Wenn sich dein Flügel spannt
Seligem Triebe,
Fühlt sich das Herz verbannt,
Wo ich auch bliebe --
Vöglein vergiß mir nicht,
Was meine Sehnsucht spricht:
Grüß' mir die Liebe!
Fliegst in die Welt hinein,
Hörst nicht mein Flehen?
Willst nicht mein Bote sein?
Kannst nicht verstehen,
Ob ich gelacht, geweint?
Nun denn, Ade mein Freund,
Laß mich vergehen!
Und eine andre Schaar
Regt das Gefieder --
Ewig mir treu und wahr
Bleiben die Lieder!
Tragen den Gruß in's All,
Bringen des Himmels Schall
Göttlich mir wieder!
Karoline Fidler
Karoline von Fidler (1801-1874), deutsche Dichterin. andere Namen: Karoline Winkler, Karoline Charlotte Schultz
aus: Gedichte“ von Karoline Fidler. 1844. Als Handschrift erschienen.
Roter Mohn
Der Wald steht grün. Die Wiese ist mit Blüten
so reich besät wie dort das Aehrenfeld
mit rotem Mohn – dem vollen, lichtdurchglühten.
Es strotzt im Frühlingsschmuck die ganze Welt;
rings um mich her ein üppig Blühen, Prangen,
voll von Begehrlichkeit und Lichtverlangen.
Hoch steht das Gras, geneigt vom Windesfächeln.
Ganz still-verträumt seh ich den Halmen zu,
um meine Lippen spielt ein mattes Lächeln.
Der Wind küßt meine Stirn – warum nicht Du? ..
O du, o du, daß jetzt in dieser Stunde
dein Arm mich nicht umschlungen hält im Mohn,
daß heiße Küsse nicht von deinem Munde
auf meinen sehnsuchtsoffnen Lippen lohn! ...
Else Galen-Gube
Elisabeth Galen-Gube, geborene Galen(1869-1922), deutsche Schriftstellerin, Dichterin. Pseudonym: Else Galen-Gube
aus: „Aus dem Leben und den Träumen eines Weibes – Gedichte von Else Galen-Gube. Verlag von Hermann Seemann Nachfolger, Leipzig, 1903. Seite 23
Um Mitternacht blühen die Blumen
Um Mitternacht blühen die Blumen
Im Strahl des Vollmonds auf,
Da steigen aus ihren Kelchen
Die lieblichsten Elfen herauf.
Sie schweben und schwingen den Reigen
Und neigen und dreh'n sich im Chor,
Und selig erwachen die Vögel
Und schau'n aus den Zweigen hervor.
Ein Rauschen wie Frühlingsgeflüster
Geht leise von Baum zu Baum,
Und treue, liebende Herzen
Träumen den schönsten Traum.
Maria Stona
Maria Stona, geborene Maria Scholz (1861 – 1944), Dichter, Schriftstellerin, Sallonieré. Pseudonyme: Maria Stonawski, Maria Stona
aus: „Buch der Liebe“ von Maria Stona. Verlag von Carl Konegen, 1888. Seite 15
auch vertont und veröffentlicht in: „Drei Lieder“ aus dem Buch der Liebe Herausgeber P. E. Wagner, 1890