Ein Hochzeitslied
1.
"Ein Täubchen seltnen Werths,
Von hoher Lieblichkeit!
Ach, warum wendet sie
Von mir sich ab so weit?
In meinem Herzen wär'
Für sie ein Zelt bereit."
2.
"Sie fing mein armes Herz
Durch ihres Zaubers Macht,
Sie blendet mir das Aug'
Durch ihrer Farben Pracht,
Nicht Gold begehr' ich, nur
Daß süß ihr Mund mir lacht.
3.
Die Wangen Rosen gleich,
D'ran pflücken meine Augen,
Die Lippen glühend heiß,
Möcht' doch an ihnen saugen,
Der Locken schwarze Schatten
Mit Morgenlicht sich gatten."
4.
So sprach mein Freund, noch nicht
Von Frauenhuld beglückt;
Sei Freundin ihm, er sei
Durch Deine Huld erquickt,
Daß nicht die Einsamkeit
Ihn ferner niederdrückt.
5.
Nun wohl, die Zeit ist da,
Von Liebeswonn' erfüllt,
Bald werdet ihr geeint,
Das Sehnen euch gestillt.
Ach, naht' auch meinem Volk
Erlösungszeit so mild!
Jehuda ha-Levi
Original von Jehuda ben Samuel ha-Levi (1074 – 1141), sephardischer Arzt und Philosoph, hebräischer Dichter
Übersetzer: Abraham Geiger (1810 – 1874), deutscher Rabbiner Historiker, Gründer des Reformjudentums, Übersetzer, Schriftsteller
aus: „Divan des Castiliers Abu’l-Hassan Juda ha-Levi)“. Verlag Lambert Schneider, Berlin. Zweite Ausgabe.“Divan des Castiliers Abu’l-Hassan Juda ha-Levi“. Übersetzt von Abraham Geiger. Verlag von Joh. Urban Kern, Breslau 1851. Lieder der Liebe und Epigramme. Hochzeitsgesänge. Seite 23
Statue von Jehuda ha-Levi (Jehuda ben Samuel ha-Levi) (1074 – 1141)
Das Nachthorn (übersetzt aus dem Mittelhochdeutschem ins Deutsche)
1.
Wünsch mir, allerliebste Freundin,
eine angenehme, unbeschwerte Nacht.
Wenn mein Herz an deine treue Liebe denkt,
erfüllt mich das mit großer Freude
und lässt mich durchhalten
in dieser Zeit, in der ich
unglücklich und einsam
fern von dir bin
und niemand mich zu
trösten vermag außer du.
Die Sehnsucht
lässt mich nicht schlafen,
da ich nachts sehr viel an dich denke.
Süße Träume wecken meine Begierde,
so dass ich mir wünsche,
ich hätte das Glück,
sorglos eine Liebesnacht
ohne Ende verbringen zu können.
2.
Meine Sehnsucht lässt dich nicht los.
Deshalb wünsche ich mir oft,
auch du würdest von mir träumen, davon,
dass ich ganz unbeschwert bei dir wäre,
so, wie du es magst,
ans Herz gedrückt
und immer wieder
von deinen weißen Armen zärtlich umarmt,
und lass du, Liebste, im Schlaf
deine herzallerliebsten Brüste streicheln
würdest, wie ich es mir wünsche und so,
als ob ich selbst da wäre.
Auf diese Weise würde ich gern erwachen,
und mein Herz wäre sofort vergnügt.
3.
Oft bin ich soweit,
dass ich geradewegs glaube,
dich zu sehen, liebste Freundin,
als ob du leibhaftig in deiner ganzen
Schönheit vor mir stehen würdest,
so dass ich meine, es sei wirklich so,
und außer mir vor Freude bin.
Sobald deine Gestalt
sich jedoch verflüchtigt,
bereitet das meinem armen Herzen
bitteren Schmerz.
Je unglücklicher ich bin,
desto mehr muss ich an
die schönste Zeit
mit dir denken.
Denn die Sehnsucht nach dir
hält mich gefangen,
bis du mich aus meiner Einsamkeit erlöst.
Mönch von Salzburg
Johannes von Salzburg (2, Hälfte des 14. Jahrhunderts), Liederdichter, Komponist des Spätmittelalters
Originaltext in Mittelhochdeutsch:
Das Nachthorn
1.
Zart libste frau in liber acht,
wünsch mir ain liblich, frölich nacht,
wann so mein hercz dein treü betracht,
das freüet all mein kraft und macht
auf stäten syn,
so ich nu pin
dahin,
ellend und ain,
und nymand main
zu trösten mich
wenn dich.
mit senen ich den slaf bekrenk,
daz ich dy nacht gar vil an dich gedenk;
süzz trëum dy machent mich so gail,
daz ich mir wünsch das hail,
daz ich slaffen
solt an straffen
in sölcher liber sach an end.
2.
Dich lät nicht ain meins herczen gir,
dar umb so wünsch ich me wenn zwit,
daz dir sol traumen auch von mir,
wy ich gar frölich sey bey dir
und doch in gut
nach deinem munt
behut,
und daz du, mynnikliche dirn,
in süzzen slaf dy herczen libsten pirn
umbvingest nach dem willen mein,
als ich da selb solt sein:
in den sachen
sold entwachen,
mein hercz, sold frölich sein behend.
3.
Enczuket wird ich oft so hart,
daz ich wën an der selben vart,
ich seh dich, libstez frëulin zart,
vor mir gepildet schon von art
gar weiblich stan,
daz ich denn han
den wan,
ym sey also,
und pin gar fro
in herczen grund:
zu stund,
so mir entwischet dein figur,
das wirdt dem armen herczen vil ze sur,
ez mant mich an dy libsten zeit,
y herter ez ym leit;
wann dein belangen
hat gevangen
mich, bis du tröstest mein ellend.
Das Taghorn (übersetzt aus dem Mittelhochdeutschem ins Deutsche)
1.
Wach ganz leise
und behutsam auf,
liebste Freundin!
Blinzle durch deine Wimpern
und sieh,
wie sich das dunkle Grau
zwischen den
Sternen hellblau färbt.
Nun wach auf süße,
angenehme Weise auf,
meine Liebste,
und begrüße dein Herz,
das bei mir ist,
seit ich auf deine Stimme
verzichten muss.
Mögest du mir in Gedanken
ohne jede Falschheit ganz still
einen angenehmen guten Tag wünschen,
wie du ihn mir in deiner
Güte heute noch mit vielen
liebevollen Blicken zärtlich wünschen wirst,
so dass mein Herz vor Freude zusammenzuckt
und voller Zuversicht ist, wie sie
mir deine Güte nach Frauenart schenkt,
bis mir endlich
dein Mund selbst einen guten Tag wünscht.
2.
Wach
voller Liebe auf!
Reck deine kleinen Arme,
streck deine kleinen Füße.
Ich wecke dich,
indem ich dir die Decke wegziehe.
Entblöße dein Herz
und deine schönen Brüste,
die mich Armen nachts um den Verstand bringen.
Heb den Kopf
und höre
die seltsame Musik,
mit der dein Freund
dich wecken will.
Liebste, ich denke
Tag und Nacht
an den Anfang
unserer Liebe und daran,
wie das zärtliche Liebesspiel
mein Herz gefangen nahm,
als wir voller Liebe unsere Herzen tauschten,
so dass mein Herz bei dir blieb.
Im Gegenzug erhielt ich
deines von dir, liebste Freundin,
und trage dich auf diese Weise
überall tief im Innersten bei mir.
3.
Ich wünsche dir
eine angenehme Zeit,
in der vollkommene Freude
und höchstes Glück
dich stets begleiten mögen.
Lass mich wissen, Liebste,
was du dir wünscht.
Das will ich täglich für dich tun,
denn ich habe nie etwas lieber getan.
Hätte ich das Glück,
dich täglich sehen zu können,
so gäbe es keinen Mann
auf der ganzen Welt,
der jemals größere Freude empfunden hätte.
Dich, liebste Freundin,
anzusehen genügt mir,
um glücklich zu sein.
Denn alles an dir ist
voller Anmut, mögen die
auch übermütig spotten,
denen dein Verhalten missfällt.
Lass mich gehen, Liebste,
denk an mich und mach dir keine Sorgen.
Schlaf glücklich wieder ein,
es ist noch früh.
Bleib mir immer in Liebe verbunden.
Mönch von Salzburg
Johannes von Salzburg (2, Hälfte des 14. Jahrhunderts), Liederdichter, Komponist des Spätmittelalters
Originaltext in Mittelhochdeutsch:
Das Taghorn
1.
Gar gar leis
in senfter weis
wach, libste fra!
plik durch dy pra
und scha,
wy tunkel gra
so gar fein pla
ist zwischen dem gestirn.
nu wach, mein mynnikliche dirn,
in liber süzz
und grüzz
dein aigenz hercz bey mir,
seind ich enpir
der stymm von dir,
daz mir gar still
dein rainer will
wünsch liben guten tag,
den mir hëut sag
tugentlichen,
mynniklichen
dein güt mit mangem liben plik,
so daz mein hercz in freüden schrik
zu trost der libsten zuversicht,
der mir dein weiblich güt verjicht,
bis das geschicht,
daz mir wünsch guten tag dein mund.
2.
Erwach
in liber sach!
dein ärmlin rek,
dein füzlin strek,
ich wek
dich auz der dek,
dein hercz enplek
und brüstlin wolgestalt,
dy dem armen tun dy nacht gewalt.
dein haup enpör
und hör
das wunderlich geschell,
wy dein gesell
dich weken well.
frau, ich betracht
all tag und nacht
den libsten anevang,
wy mich betwang
liblich scherczen
in dem herczen,
da ich den libsten wechsel traib,
so daz mein hercz pey dir belaib:
des wechsels ich her wider wart
von dir, mein libstez freülin zart,
und han all vart
dich pey mir in meins herczen grund.
3.
Lib zeit,
dy gancz frëud geit,
sey dein gelait
mit sälikait.
berait
mich, frau gemait,
wy dein will sait,
das wil ich täglich mern,
wann ich getet ny ding so gern.
wurd mir das hail
zu tail,
dich täglich sehen an,
auf erd ny man
sölch freüd gewan:
wenn so ich dich,
traut frau, an sich,
so han ich freüd genug;
wann du pist chlug
mit gelympfen,
frölich schympfen
zu tratz, den dein gepërd missvelt.
gib urlaub mir, frau auzerwelt:
gedenk an mich und hab dein ru
und slaf mie freüden wider zu,
ez ist noch fru.
tu dein genad mir all zeit kund