Freund, leb wohl
Freund, leb wohl. Mein Freund, auf Wiedersehen.
Unverlorner, ich vergesse nichts.
Vorbestimmt, so wars, du weißt, dies Gehen.
Da's so war: ein Wiedersehn versprichts.
Hand und Wort? Nein, laß - wozu noch reden?
Gräm dich nicht und werd mir nicht so fahl.
Sterben -, nun, ich weiß, das hat es schon gegeben;
doch: auch Leben gabs ja schon einmal.
Sergei Alexandrowitsch Jessenin
Sergei Alexandrowitsch Jessenin (1859 – 1925), russischer Dichter
Übersetzt von Paul Celan
Leider sind die russischen Webseiten zur Zeit kaum zu erreichen und sehr unsicher. Sobald sich die Lage nicht ändert, kann ich nicht das Original auf russisch auf meine Webseite zeigen.
original auf russisch
До свиданья
До свиданья, друг до свиданъя
Милъій тъі у меня груди.
Ііредназначенное расставанье
Обещает встречу впереди.
До свиданья, друг мой, без руки и слова,
не грусти и не печаль бровей,-
в зтой жизни умирать не ново,
но и жить, конечно, не новей.
Bild: Sergei Alexandrowitsch Jessenin (1859 – 1925)
Übersetzer: Paul Celan (1920 – 1970)
Frieden und Freiheit. Schießt mit Blumen und Liebe.
Ein Hochzeitslied
1.
"Ein Täubchen seltnen Werths,
Von hoher Lieblichkeit!
Ach, warum wendet sie
Von mir sich ab so weit?
In meinem Herzen wär'
Für sie ein Zelt bereit."
2.
"Sie fing mein armes Herz
Durch ihres Zaubers Macht,
Sie blendet mir das Aug'
Durch ihrer Farben Pracht,
Nicht Gold begehr' ich, nur
Daß süß ihr Mund mir lacht.
3.
Die Wangen Rosen gleich,
D'ran pflücken meine Augen,
Die Lippen glühend heiß,
Möcht' doch an ihnen saugen,
Der Locken schwarze Schatten
Mit Morgenlicht sich gatten."
4.
So sprach mein Freund, noch nicht
Von Frauenhuld beglückt;
Sei Freundin ihm, er sei
Durch Deine Huld erquickt,
Daß nicht die Einsamkeit
Ihn ferner niederdrückt.
5.
Nun wohl, die Zeit ist da,
Von Liebeswonn' erfüllt,
Bald werdet ihr geeint,
Das Sehnen euch gestillt.
Ach, naht' auch meinem Volk
Erlösungszeit so mild!
Jehuda ha-Levi
Original von Jehuda ben Samuel ha-Levi (1074 – 1141), sephardischer Arzt und Philosoph, hebräischer Dichter
Übersetzer: Abraham Geiger (1810 – 1874), deutscher Rabbiner Historiker, Gründer des Reformjudentums, Übersetzer, Schriftsteller
aus: „Divan des Castiliers Abu’l-Hassan Juda ha-Levi)“. Verlag Lambert Schneider, Berlin. Zweite Ausgabe.“Divan des Castiliers Abu’l-Hassan Juda ha-Levi“. Übersetzt von Abraham Geiger. Verlag von Joh. Urban Kern, Breslau 1851. Lieder der Liebe und Epigramme. Hochzeitsgesänge. Seite 23
Statue von Jehuda ha-Levi (Jehuda ben Samuel ha-Levi) (1074 – 1141)
Ein Vöglein nistet tief in meiner Brust,
An ihm hat meine Seele ihre Lust.
Ach, lebte sie nicht , möcht' auch ich nicht leben,
Der Tod allein wär' dann mein eifrig Streben.
Doch hat den Fuß der Fallstrick mir umwunden,
Wie Vieh, geführt zur Schlachtbank, wird gebunden.
Im Mühsalstiegel werd' ich nun geläutert,
Die Seele auf der Wandrung Bahn geschleudert.
Weh mir, so muß in Edom ich verweilen!
Doch möge Gott die Wunde nie mir heilen,
Sollt' Deine Huld aus meinem Mund je weichen,
Die Liebe ich aus meinem Herzen streichen.
Der Klage macht das Auge mir so trübe,
So finster schwarz, daß ich mein weiß Gewand
Mit meinem Auge habe schwarz gebrannt.
Doch fesseln jetzt mich des Geschickes Ketten,
Vielleicht wird Gott - noch harr' ich - mich erretten,
Das Leid in meiner Tränen Flut versenken,
Dem schon Verschiednen neues Leben schenken
Jehuda ha-Levi
Original von Jehuda ben Samuel ha-Levi (1074 – 1141), sephardischer Arzt und Philosoph, hebräischer Dichter
Übersetzer: Abraham Geiger (1810 – 1874), deutscher Rabbiner Historiker, Gründer des Reformjudentums, Übersetzer, Schriftsteller
aus: „Divan des Castiliers Abu’l-Hassan Juda ha-Levi)“. Verlag Lambert Schneider, Berlin. Zweite Ausgabe.“Divan des Castiliers Abu’l-Hassan Juda ha-Levi“. Übersetzt von Abraham Geiger. Verlag von Joh. Urban Kern, Breslau 1851. IV. Der Freund. Seite 31 – 32
Statue von Jehuda ha-Levi (Jehuda ben Samuel ha-Levi) (1074 – 1141)
Abendstern
Bist du noch fern,
Dämmernder Stern,
Wie vereinsamt irrt dann mein Blick!
Gänzest nun du,
heilige Ruh',
Auf des Freundes Geschicke:
Wie befriedigt ist er da!
Denn er fühlt sich Liebe nah;
Fühlt in der Brust
Wehmut und Luft,
Fühlt ein reines Glück!
Ernst von Feuchtersleben
Ernst Maria Johann Karl Freiherr von Feuchtersleben (1806 – 1849), österreichischer Dichter, Essayist, Arzt, Psychiater, Philossoph
aus: Gedichte“ von Ernst von Feuchtersleben. Verlag: Stuttgart und Tübingen in der Coatta’schen Buchhandlung, 1836. Seite 10
Hefe
Das feuer losch · die wärme ward zu rauch –
So endet jeder sang den einer singt.
Die hefe bleibt · (erschöpft der goldne wein!)
Wie wermut bitter und so scharf wie pein.
Mit kraft und hoffen ging die liebe auch
Wo trüb vergessen tote dinge schlingt ·
Und bis ans end ein zug von geistern schleicht:
Dies war die liebste · dies ein freund vielleicht.
So sitzen wir und warten wunschlos · fahl –
Bald fällt der vorhang · bald schliesst das portal ·
So endet jeder sang den einer singt.
Ernest Dowson Dichter
Ernest Dowson Dichter (1867 – 1900), Schriftsteller
aus: „Zeitgenössische Dichter, Erster Teil: Rossetti, Swinburne, Dowson, Jacobsen, Kloss, Verwey, Verhaeren“ Gesamtausgabe der Werke, Band 15. von Stefan George. Übertragung von Stefan George. Berlin, 1929. England. Lieder und Balladen. Seite 49
Das Taghorn (übersetzt aus dem Mittelhochdeutschem ins Deutsche)
1.
Wach ganz leise
und behutsam auf,
liebste Freundin!
Blinzle durch deine Wimpern
und sieh,
wie sich das dunkle Grau
zwischen den
Sternen hellblau färbt.
Nun wach auf süße,
angenehme Weise auf,
meine Liebste,
und begrüße dein Herz,
das bei mir ist,
seit ich auf deine Stimme
verzichten muss.
Mögest du mir in Gedanken
ohne jede Falschheit ganz still
einen angenehmen guten Tag wünschen,
wie du ihn mir in deiner
Güte heute noch mit vielen
liebevollen Blicken zärtlich wünschen wirst,
so dass mein Herz vor Freude zusammenzuckt
und voller Zuversicht ist, wie sie
mir deine Güte nach Frauenart schenkt,
bis mir endlich
dein Mund selbst einen guten Tag wünscht.
2.
Wach
voller Liebe auf!
Reck deine kleinen Arme,
streck deine kleinen Füße.
Ich wecke dich,
indem ich dir die Decke wegziehe.
Entblöße dein Herz
und deine schönen Brüste,
die mich Armen nachts um den Verstand bringen.
Heb den Kopf
und höre
die seltsame Musik,
mit der dein Freund
dich wecken will.
Liebste, ich denke
Tag und Nacht
an den Anfang
unserer Liebe und daran,
wie das zärtliche Liebesspiel
mein Herz gefangen nahm,
als wir voller Liebe unsere Herzen tauschten,
so dass mein Herz bei dir blieb.
Im Gegenzug erhielt ich
deines von dir, liebste Freundin,
und trage dich auf diese Weise
überall tief im Innersten bei mir.
3.
Ich wünsche dir
eine angenehme Zeit,
in der vollkommene Freude
und höchstes Glück
dich stets begleiten mögen.
Lass mich wissen, Liebste,
was du dir wünscht.
Das will ich täglich für dich tun,
denn ich habe nie etwas lieber getan.
Hätte ich das Glück,
dich täglich sehen zu können,
so gäbe es keinen Mann
auf der ganzen Welt,
der jemals größere Freude empfunden hätte.
Dich, liebste Freundin,
anzusehen genügt mir,
um glücklich zu sein.
Denn alles an dir ist
voller Anmut, mögen die
auch übermütig spotten,
denen dein Verhalten missfällt.
Lass mich gehen, Liebste,
denk an mich und mach dir keine Sorgen.
Schlaf glücklich wieder ein,
es ist noch früh.
Bleib mir immer in Liebe verbunden.
Mönch von Salzburg
Johannes von Salzburg (2, Hälfte des 14. Jahrhunderts), Liederdichter, Komponist des Spätmittelalters
Originaltext in Mittelhochdeutsch:
Das Taghorn
1.
Gar gar leis
in senfter weis
wach, libste fra!
plik durch dy pra
und scha,
wy tunkel gra
so gar fein pla
ist zwischen dem gestirn.
nu wach, mein mynnikliche dirn,
in liber süzz
und grüzz
dein aigenz hercz bey mir,
seind ich enpir
der stymm von dir,
daz mir gar still
dein rainer will
wünsch liben guten tag,
den mir hëut sag
tugentlichen,
mynniklichen
dein güt mit mangem liben plik,
so daz mein hercz in freüden schrik
zu trost der libsten zuversicht,
der mir dein weiblich güt verjicht,
bis das geschicht,
daz mir wünsch guten tag dein mund.
2.
Erwach
in liber sach!
dein ärmlin rek,
dein füzlin strek,
ich wek
dich auz der dek,
dein hercz enplek
und brüstlin wolgestalt,
dy dem armen tun dy nacht gewalt.
dein haup enpör
und hör
das wunderlich geschell,
wy dein gesell
dich weken well.
frau, ich betracht
all tag und nacht
den libsten anevang,
wy mich betwang
liblich scherczen
in dem herczen,
da ich den libsten wechsel traib,
so daz mein hercz pey dir belaib:
des wechsels ich her wider wart
von dir, mein libstez freülin zart,
und han all vart
dich pey mir in meins herczen grund.
3.
Lib zeit,
dy gancz frëud geit,
sey dein gelait
mit sälikait.
berait
mich, frau gemait,
wy dein will sait,
das wil ich täglich mern,
wann ich getet ny ding so gern.
wurd mir das hail
zu tail,
dich täglich sehen an,
auf erd ny man
sölch freüd gewan:
wenn so ich dich,
traut frau, an sich,
so han ich freüd genug;
wann du pist chlug
mit gelympfen,
frölich schympfen
zu tratz, den dein gepërd missvelt.
gib urlaub mir, frau auzerwelt:
gedenk an mich und hab dein ru
und slaf mie freüden wider zu,
ez ist noch fru.
tu dein genad mir all zeit kund
Der Sonne schau' am Morgen, schau' am Abend!
Zur Sonne schau' am Morgen, schau' am Abend!
Die Sonne kennt dich nicht, sie sieht dich nicht.
Und tut dir doch so wohl und will dir wohltun.
Sie wirft mir ungeheuer Kraft hinaus
Ins Blaue! Tut sie Gutes nur ins Blaue?
Sie trifft! Sie wächst in Menschen und in Blumen
Und Blüten bis in tiefsten Meeresgrund,
Und nicht ein Strahl geht irgendwo verloren!
Und mußt du kennen, wem du wohltun sollst?
Den Fremden, Fernen weigerst du die Liebe?
Den spätern Menschen und den spätern Blumen?
Und kennst du wirklich auch den Menschen so,
Der vor dir steht? Und wär' er kein Geheimnis,
Er würd' es dir. Denn bist du ganz erfüllt
Für ihn von Lie' und Güte, glaube nur,
Dann siehst du ihn nicht, wie die Sonne dich nicht,
Vor himmelischwarmer Glut und reinem Licht,
Bedarfst du sein nur freudig: daß er sei!
Die Rose ist für ihren Duft schön herrlich
Belohnet durch ihren Düften; und die Sonne
Für ihr Erleuchten durch das Licht! Der Mensch
Ist für das Lieben durch die Liebe reich
Belohnt, der Mensch ist für das Leben voll
Belohnt durch leben. Lerne das am Himmel!
Und lerne das auf Erden, selbst vom tun!
Darum unterscheide keinen, der da lebt!
Nicht den, der deinen Feind sich nennt, noch Freund;
Drum unterscheide nichts, was lebt; die Frucht nicht
Vom Baume, noch den Hirten von der Herde,
Das Lamm vom Grafe nicht, das Gras vom Tau,
Den Tau von seinem Glanz und Schein. Steh' mitten
Im All der Liebe! lebe, liebe nur!
Der Sonne schau' am Morgen, schau' am Abend!
Christian Friedrich Hebbel
Christian Friedrich Hebbel (1813 – 1863), deutscher Dichter, Dramatiker, Lyriker
aus: „Laienbrevier“ von Leopold Schefer. Verlag: Veit und Comp., Berlin, 1837. Juli. XV. Seite 28 – 29