Nachtlied
Müde sank der Tag
in den Arm der Nacht.
Sterne kommen zag
gnadenreich bewacht.
In den Bäumen ruhn
Vögel stumm und tief.
Sinnlos scheint das Tun.
Nur ein Käuzchen rief.
Mondbestrahlt und weiß
Schläft ein Engelskind.
Rosen duften heiß
in den kühlen Wind.
Laß auch uns erblühn,
innig sein und weit.
Nach des Tages Mühn
fühlen – Ewigkeit.
Francisca Stoecklin
Francisca Stoecklin (1894-1931), Schweizer Schriftstellerin, Dichterin, Malerin, Erzählerin
Ode an die Freiheitskämpfer
Auf! auf! auf!
Blut dampft von der Erde, die Brot euch versagt.
Um die Todten, die sanken zuhauf,
Sei aus strömenden Wunden ein Grablied geklagt.
Keine andere Trauer sei ihnen gebracht!
Sohn, Bruder und Gattin sind niedergemacht;
Wer sagt, daß sie fielen in ehrlicher Schlacht?
Erwacht! erwacht! erwacht!
Seit je befeinden Tyrann sich und Knecht.
Werft nieder die Ketten mit Macht
In den Staub, daß den Tod ihr der Brüder rächt!
Im Grabe wird regen sich ihr Gebein,
Wenn die Stimmen der Lieben im blutigen Schein
Des heiligen Kampfes um Rache schrein.
Hoch laßt das Banner wehn,
Wenn die Freiheit ladet zu Sieg und Tod,
Ob als Sklaven auch um sie stehn
Hunger und Elend und seufzende Noth.
Und ihr, die geschaart um ihr herrlich Gefährt,
Zückt nicht zuerst das mordende Schwert,
Doch die Mutter zu schützen, seidmannlichbewehrt!
Heil, Heil, Heil
Denen, die litten und Großes vollbracht!
Keinem wurde zu Theil
Größerer Ruhm, als der euch umlacht.
Den Feind nur haben Erobrer bekriegt,
Dessen Stolz nun gebändigt zu Boden liegt: –
Ihr habt, siegreicher, euch selbst besiegt.
Kränzt, kränzt eure Stirn
Mit Veilchen, Epheu und Tannengrün;
Bedeckt das blutige Hirn
Mit Farben, wie göttlich im Lenz sie glühn:
Grüne Kraft, blaue Hoffnung und Ewigkeit,
Doch Vergißmeinnichtblümchen verbannet weit,
Bewahrt das Gedenken an euer Leid!
Percy Bysshe Shelley