Waldhexe »Du, meine Sinne sind wild nach dir – nichts fühl ich, als das tolle Verlangen, daß du nur einmal am Halse mir selig-gekreuzigt möchtest hangen!« »Dann will ich dich küssen im taumelnden Rausch, glühend – bis deine Lippen bluten, bis im glückseligen Wonnetausch auflodern all die verhaltenen Gluten!« * Das Hexenweib lag am Felsenschacht und blickte hinauf zu den Höhn; sie seufzte so wild in die herbstliche Nacht und klagte ihr Sehnen dem Föhn. Und der Föhn, der trug es weit fort ins Land und erzählte von ihrer Qual dem wogenumbrandeten Meeresstrand und den murmelnden Quellen im Tal. Der erzählte: Da unten im Zauberwald haust eine verwunschene Fei, allnächtlich vernehm ich der Huldgestalt wahnsinnigen Sehnsuchtsschrei. Ich höre die Worte, die sie spricht, in atemverhaltendem Lauschen, seh, wie sie wankend zusammenbricht, wenn im Dickicht die Zweige rauschen. Und ich seh eine nordische Reckengestalt im Mondlicht, dem totenblassen, die sie an sich preßt mit Titanengewalt im tollen selgen Umfassen. Dann wird es lebendig im stillen Grund, dann weichen die Nebelschleier, dann saugt sich die Teuflin ihm fest an den Mund, dämonisch mit Höllenfeuer – Und sie schluchzt: »Was weißt du von meinem Begehr, und daß ich nach dir fast verschmachtet, daß ich deiner geharrt, mein Pfühl blieb leer – Komm, teil ihn mit mir, wenn es nachtet ... Teil alles mit mir, was ich geben kann, was mein in der Hölle, auf Erden – Du sollst noch heut der glückseligste Mann in meinem Zauberwald werden! Meinen schimmernden Perlenschmuck wirst du mir in die wallenden Locken binden, und Seide vom Indusstrand wollen wir um die schlanken Glieder uns winden. Laß meiner Zähne aufleuchtendes Weiß in die nackte Brust sich dir graben, laß dich küssen, – küssen so glühend heiß, ich muß, ich will dich ja haben! ... Mit lechzenden Lippen will ich heut Nacht deine schäumende Jugendkraft trinken, bis goldig im Osten das Frührot erwacht, und taumelnd zu Füßen dir sinken. Und du lösest mit wollustbebender Hand meine Haare, die goldig-roten, die wallen hernieder auf mein Gewand, als wenn feurige Schlangen lohten. Und ich werfe mich über mein Lager hin, bebend vor tollem Begehren ... So sehnsuchtsdurchglüht war noch nie mein Sinn, du, – heut will ich nichts dir verwehren!« * »Dein eigen bin ich im Liebesrausch so ganz, bis die Sinne dir schwinden – du sollst im wahnsinngen Wonnetausch die Seligkeit bei mir finden ... Komm, laß mich endlich an deiner Brust, einschlummern, wenn es nachtet, ich hab, wie kein Weib sonst, nach dir in Lust heimlich – glühend geschmachtet!« * »Jetzt hab ich dich endlich, jetzt bist du mein, doch bald deckt Frührot die Halde – und ich weiß es: Beim dämmernden Morgenschein mußt du fort von mir und läßt mich allein, verwunschen im Zauberwalde!« Else Galen-Gube
Elisabeth Galen-Gube, geborene Galen(1869-1922), deutsche Schriftstellerin, Dichterin. Pseudonym: Else Galen-Gube
aus: „Aus dem Leben und den Träumen eines Weibes – Gedichte von Else Galen-Gube. Verlag von Hermann Seemann Nachfolger, Leipzig, 1903. Die Hexen und andere Balladen. Waldhexe
.