An den Bach

Was rauschst du vor mir dahin,

An den Bach

Was rauschst du vor mir dahin,
Du kühle, klare Fluth,
Von dieser Silberpappeln Grün
Beschirmt vor Sonnengluth?
Du eilst in jenes stille Thal,
Wo die drey Erlen stehn -
Ach dorthin, wo zum letzten Mahl
Ich Wilhelm jünst gesehn!

Es war ein schöner Frühlingstag,
So schön wird keiner mehr;
Im reinsten goldnen Licht lag
Die Gegend um uns her.
Die Sonne sank, ihr letzter Schein
hüllt' in ein Veilchenblau
Des Berges bewachten Gipfel ein,
Und schimmert' an der Au.

Da standen wir, du lieber Bach,
An deinem grünen Bord,
Und sahn dem Spiel der Wellen nach,
Und wagten nicht ein Wort.
Der Schmerz der nahen Trennung goß
MIr Schauer druch das Blut,
Und manch entschlürpftes Thränchen floß
Still in die kalte Fluth.

Da both er eine Rose mir,
Die er vom Strauche brach,
Ach, unbeschreiblich ist, was hier
Sein blaues Auge sprach!
Nun ist er fort, die Rosenzeit
Ich bin, die Blüthe leer -
Doch jenen Blick voll Zärtlichkeit
Vergess' ich nimmermehr!


Caroline Pichler

Caroline Pichler, geborene Greiner (1769 – 1843), österreichische Schriftstellerin, Lyrikerin, Salonniére, Kritikerin

Herz

Das seltsame, törichte, fragende Herz

Herz

Das seltsame, törichte, fragende Herz,
Im Glücke so bang, so glückselig im Schmerz -
Was mag es nur ewig so klopfen?
Es klopft, ach!
nicht ewig; es bebet, es harrt,
Bis das Blut in den Sängen des Lebens erstarrt,
Allmählich, von Tropfen zu Tropfen.

Dann schweigt es; dann ruht es; Dämonen der Welt
Sie tragen's ins haus, das nicht Helios bellt,
Das die Schatten Persephone's schwärzen;
Doch die darin pochte, die selige Kraft,
(Die Hülse zerstiebte) - sie hat sich entrafft,
Und fliegt an das Herz aller Herzen.


Ernst von Feuchtersleben

Ernst Maria Johann Karl Freiherr von Feuchtersleben (1806 – 1849), österreichischer Dichter, Essayist, Arzt, Psychiater, Philossoph

Lebensfreude

Ketten der Lust und der Rosen

Lebensfreude

Ketten der Lust und der Rosen
Und der grossen Taten
Lass uns ums Leben schlingen
Arm sind die Einen geboren
Und sterben arm: Im — Golde.
Und die andern erwachen
In eine satte Pfründe und verbringen
In ferner Todesfurcht ihre planlosen Tage,
Priester sprechen gegen Lohn ihre Klage
Über das Leben und seine Furchtbarkeit
Doch wir lachen!

— Wir, vom heissen Blut Der Götter und der SonnenWir wollen Ketten der Lust
Und der Rosen und grossen Taten
Ums Leben schlingen
Und alle Bronnen müssen getrunken sein !
— Alles muss Glutversunken sein !
Und kommt der Unerbittliche mit aller Pein,
Dann wird die Welt von uns
Schon leer gehoben sein. —
Denn Ewigkeit ist uns in jedem Augenblick:

— Weihe, weihe ihn und mach ihn gross ! —
Äonen sind dann Dein und ruhn
In einem Kuss — in einem Frauenschoss — !
In einer Tat, von Dir getan, erdacht,
In einem Lächeln, das dem Zagen
Den Traum der Güte in ein Grau gebracht.
Spät werden
Der fernsten Jahrhunderte Gebete
Nach uns zurückhallen
Und unsere Gräber sollen lichte Kränze überwehn
Dankes-Lieder werden unsern Staub umstammeln
Und dunkle Krähenpsalmodien überschallen . . .
Denn könnte einmal noch
Sich alles ins Gewesne sammeln
Wir würden selber lächelnd unter ihnen stehn.


Elsa Asenijeff

Elsa Maria Packeny (1867-1941), österreichische Dichterin, Schriftstellerin

Winternacht

Lichtlein in Nacht verglüh’n

Winternacht
(vom Liebchen)

Hu, wie in kalter Fluth
Rinnet das heiße Blut,
Nachtfrost durchschüttelt mich,
Winter ist fürchterlich.

Athem aus off'ner Gruft
Strömet die eis'ge Luft,
Schlägt an die Wange rauh,
Färbt mir die Locke grau.

Sieh' wie die Schatten zieh'n,
Lichtlein in Nacht verglüh'n,
Alles ist todt und weiß,
Bin wohl allein nur heiß?

Echo vom Abschieds-Gruß
Seufzt unter meinem Fuß,
Trägt mich von Lust durch Graus
Heim zu dem öden Haus.

Schnee in dem weißen Arm
Halt' mir die Knospen warm!
Liebchen an deiner Brust
Ließ ich des Lebens Lust.

Kalt auch das Stübchen?
Warm sind die Lieder -
Gute Nacht Liebchen!
Ich seh' dich wieder!


Karoline von Fidler

Karoline von Fidler (1801-1874), deutsche Dichterin. andere Namen: Karoline Winkler, Karoline Charlotte Schultz