Der See In meinen jungen Jahren trieb Mich Sehnsucht oft an einen Ort, Der mich gebannt hielt wie ein Hort. So war die Einsamkeit mir lieb Von einem See, um dessen Rand Ein schwarzes Felsgemäuer stand. Doch wenn die Nacht ihr Bahrtuch warf Auf diese Stelle und auf mich, Und mystisch durch die Wellen strich Der Wind, bald klagend und bald scharf, Dann – ja – erschreckte mich oft jäh Die Einsamkeit am dunklen See. Doch dieser Schrecken war nicht Grau'n; Nein, eine Lust, die Schauer barg, So zitternd und dämonisch stark, Wie sie in unterirdischen Gau'n Der spüren mag, der einen Schein Erhascht von flimmerndem Gestein. Tod war um jenen giftigen Strand – Und in der Flut ein Grab für ihn, Der dort für seine Phantasien Besänftigende Tröstung fand Und den sein Träumen wandeln hieß Das finstre Reich zum Paradies. Edgar Allan Poe
Edgar Allan Poe (1809 – 1849) US-amerikanischer Schriftsteller, Dichter
aus: „Ausgewählte Gedicht“ von Edgar Allan Poe. Übersetzt aus dem englischen ins deutsche von Hedwig Lachmann (1865 – 1918). Verlag: Verlag des Bibliographischen Bureaus, Berlin.
Hedwig Lachmann (1865 – 1865)