Der Frühlingsmorgen Der erste Frühlingsmorgen Erwachet über mir, Und findet mich in Sorgen, Und sieht mich fern von dir. Sonst fand er mich in Freuden An deiner trauten Hand, Mir waren Trennungsleiden Und Gram noch unbekannt. Nun treibt mich banges Sehnen Auf Wiese, Feld und Au: Dort mischen meine Thränen Sich mit dem Morgenthau. Obschon zu künft'gen Früchten Die Erde Blüthen trägt, Die Nachtigall Geschichten Von treuer Liebe schlägt; Die holde Frühlingssonne Auf uns hernieder lacht, Und jedes Herz zur Wonne Und zum Gebeth erwacht: Theil' ich doch nicht die Freuden, Theil' ich die Andacht nicht, Ich fühle nur die Leiden Schwer drückendes Gewicht, Nur, dass ich fern, o Trauter, Von deinem süssen Kuss, Der Erde Fest mit lauter Wehklage feyern muss. Gabriele Baumbeg
Gabriele Bacsányi (geborene von Baumberg (1785 – 1789), österreichische Dichterin, Schriftstellerin
Gedicht aus: „Sämtliche Gedichte Gabrielens von Baumberg“, 1800.Seite 19 – 20