Dolcefarniente

Unter weißumblühten Bäumen

Dolcefarniente

Unter weißumblühten Bäumen
mit der holdesten der Frauen
faul und weich dahinzuträumen,
sich besonnen …
still verhauen …

Allem Birken fern und Bösen
süß zu dämmern und zu dösen,
hingedümmelt zwischen Beeten:
höchtes Glück des lang Erflehten!

Züge flitzen schneidig schneller,
wo aus Fenstern Tücher winken,
zarte Wölkchen, himmeln heller,
Vögel hüpfen, Birken blinken.

Irgendwo zu allem Schönen
hört man leis‘ Musiker tönen,
Falter fliehn in irren Tänzen …

Und wir glänzen — und wir glänzen.

Max Hermann-Neiße

Max Hermann-Neiße (1886 – 1941), deutscher Schriftsteller, romantischer Expressionist, Lyriker, Essayist, Dramatiker

Gedicht Dolcefarniente: Lieder an Leni, 29.04.1913. seine Frau Leni. / Liebesgedicht von Max Hermann-Neiße an seine Frau Leni. Er schrieb viele Gedichte an

Dein Haar hat Lieder

und sanfte Abende am Meer

Dein Haar hat Lieder, die ich liebe
und sanfte Abende am Meer-

O glückte mir dei Welt! O liebe
mein Tag nichts unselig leer!

So kann ich nichts, als matt verlegen
vetrösten oder wehe tun,
und von der wundersamsten Wegen
bleibt mir der Staub nur auf den Schuhn.

Und meine Träume sind wie Diebe,
und meine Freuden frieren sehr-
dein Haar hat Lieder, die ich liebe,
und sanfte Abende am Meer.

Max Hermann-Neiße

Max Hermann-Neiße (1886 – 1941), deutscher Schriftsteller, romantischer Expressionist, Lyriker, Essayist, Dramatiker

Liebesgedicht von Max Hermann-Neiße an seine Frau Leni

Das Band stand auf ‚Die Liste der im Nationalsozialismus verbotenen Publikationen, Autoren und Verlage (Liste der verbrannten Bücher).

An deiner Brust

Mich warf der Sturm’s empörte Welle

An deiner Brust

An Deiner Brust ist meine Stelle,
in deinen Armen mein Asyl!
Mich warf der Sturm’s empörte Welle
an dieser barg ersehnte Ziel.

Die Gabe, die du Leben zieren,
was ich besaß, mußt‘ ich verlieren,
daß du fortan mir alles sei’st.

Jetzt, da ich alles hingegeben,
wird mir’s durch dich zurückgeschenkt,
wenn unter wonnevollem Beben
dein Mund auf meine Stirn‘ sich senkt.

Betty Paoli

Betty Paoli (1814 – 1894) österreichische Lyrikerin, Journalistin, Übersetzerin, Novellistin, Essayistin, Erzieherin, Gesellschaftsdame

Der Weg

Mit dem Monde will ich wandeln

Der Weg

Mit dem Monde will ich wandeln:
Schlangenwege über Berge
führen Träume, bringen Schritte
durch den Wald dem Mond zu.

Durch Zypresen staunt er plötzlich,
dass ich ihm entgegen gehe.
Aus dem Ölbaum blaut er lächelnd,
wem mich’s friedlich talwärts zieht.

Schlangenweg durch die Wälder
bringen mich zum Silbersee
nur ein Nachen auf dem Wasser,
heilig oben unser Mond.

Schlangenwege durch die Wälder
frühren mich zu einem Berg.
Oben steht der Mond und wartet
und ich steige leicht empor.

Theodor Däubler

Theodor Däubler (1876 – 1934) österreichisch-deutscher Schriftsteller, Epiker, Übersetzer, Lyriker, Erzähler

Der Asra

Täglich ging die wunderschöne Sultanstochter auf und nieder

Der Asra

Täglich ging die wunderschöne
Sultanstochter auf und nieder,
Um die Abenszeit am Springbrunnen,
Wo die weißen Wasser plätschern.

Täglich stand der junge Sklave
Um die Abendzeit am Springbrunnen,
Wo die weißen Wasser plätschern;
Täglich ward er bleich und bleicher.

Eines Abends trat die Fürstin
Auf ihn zu mit raschen Worten:
Deinen Namen will ich wissen,
Deine Heimath, Deine Sippschaft!

Und der Sklave sprach:
Mohamed, ich bin aus Jemmen
Und mein Stamm sind jene Asra,
welche sterben, wenn sie lieben.

Heinrich Heine

Heinrich Heine (1797 – 1856) deutscher Schriftsteller, Journalist.

Über mich

Über mich ist die Liebe gekommen

Über mich

Über mich, über mich
ist die Liebe gekommen,
gab mir Glück, gab mir dich,
hat mir mich genommen.

Bin gekniet und bin klein,
muß mich hoch erheben.
All mein Leben ist dein,
du, mein Leben …

Alma Johanna Koenig

Alma Johanna Koenig (1887 – 1942 ermordert im Vernichtungslager Maly Trosthnec) österreichische Lyrikerin, Erzählerin, Romanautorin und Übersetzerin

Alles in dir

Du lehrest mich die Lieder singen

Alles in Dir

Du lehrest mich die Lieder singen, Du hauchest den Gesang mir ein, Du leihest der Seele höhere Schwingen; wer gibt mir Lieder? Du allein.

In dir empfind‘ ich nur das Leben, Du macht die Seele aus dem Nichts, Du giebs’t mir Glaube, giebst mir Streben, trägst mich hinauf in’s Reich des Lichts.

O sage mir, mein hoher Meister, was ich dir opfernd weihen mag! Im unvermessenen Reich der Geister Zieht dir, nur dir mein Wesen nach.

Befiehl, ich gehe in’s Verderben, in Nacht und Graus und Tod hinein; Dir will ich tausend Tode sterben, Du giebst mir tausendfach Sein.

Dilia Helena

Dilia Helena (1816 – 1894) Lyrikerin der Spätromantik

Der Lauf der Flüsse Zeit

durch Hörnerschall und Harfenton

Der Lauf der Flüsse

Der Lauf der Flüsse Zeit wird alle Menschentaten mit sich tragen und in Versenkung tauchen die Völker, Reiche und ihre Herrscher.

Und wenn es etwas gibt, das uns noch bleibt, durch Hörnerschall und Harfenton, so wird es auch im Schlund der Zeit verschwinden und allgemeines Schicksal trüben.

G. R. Dershawin

Gawrill Romanowitsch Dershawin (1743 – 1816), russischer Dichter, Autor, Staatsmann, Schriftsteller

Ich traure nicht

Ich sorge nicht, daß mein Erdenlos

Ich traure nicht

Ich traure nicht, dass schon am Ziel
mein irdisches Geschick,
dass lange Jahre Frucht zerfiel
in einem Augenblick.
Nicht, dass kein einziger wie ich
so einsam und umsät,
blass darauf, dass du weinst um mich,
der nur vorübergeht.

Edgar Allan Poe

Edgar Allan Poe (1809 – 1849) US-amerikanischer Schriftsteller, Dichter

Übertragung Hedwig Lachmann (1865 – 1918)

aus: ‚Ausgewählte Gedichte‘ von Edgar Allan Poe. Übertragung Hedwig Lachmann. Verlag des Bibliographischen Bureaus, 1891

Abendsonnen

Blass giesst im Verrinnen auf Felder und Rain

Abendsonnen

Blass giesst im Verrinnen auf Felder und Rain schwermütigen Sinnen der scheidende Schein. Schwermütiges Sinnen wiegt flüsternd mich ein mein Herz zu umspringen im scheidenden Schein.

Sind fremde Träume ziehn sonnengleich über Heiden und Bäume, rotflimmernd und weich, endlos durch die Räume ziehn sonnengleich sie über das Reich der Heiden und Bäume.

Paul Verlaine

Paul Verlaine (1844 – 1896) französischer Lyriker, Dichter, Schriftsteller

Übertragung von Graf Wolf von Kalckreuth (1887 – 1906)

Gedicht aus:

‚Ausgewählte Gedichte‘, übertragen von Graf Wolf von Kalckreuth, 1906, Insel-Verlag Leibzig